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  • · Nachricht · § 15 UStG, § 233a AO

    Vorsteuerabzug auch bei ungenauen Eingangsrechnungen

    | Der EuGH hat zu einem portugiesischen Vorlagebeschluss darauf erkannt, dass der Vorsteuerabzug auch bei ungenauen Rechnungsangaben erhalten bleibt. Es ist dann Aufgabe der Finanzverwaltung, weitere Ermittlungen anzustellen. Die Mitgliedstaaten haben aber das Recht, Ungenauigkeiten zu sanktionieren. |

     

    Sachverhalt

    Barlis ist eine Gesellschaft portugiesischen Rechts und betreibt Hotels mit Restaurants. In den Streitjahren 2008 bis 2010 nahm Barlis juristische Dienstleistungen einer Anwaltskanzlei (im Folgenden: fragliche juristische Dienstleistungen) in Anspruch, über die vier Rechnungen (im Folgenden: in Rede stehende Rechnungen) ausgestellt wurden, die folgende Beschreibungen enthalten:

     

    • Rechnung Nr. 2170/2008 vom 26.8.2008: „Vom 1.12.2007 bis zum heutigen Tag erbrachte juristische Dienstleistungen“
    • Rechnung Nr. 32100478 vom 17.12.2008: „Honorare für von Juni bis zum heutigen Tag erbrachte juristische Dienstleistungen“
    • Rechnung Nr. 32101181 vom 29.4.2009: „Honorare für bis zum heutigen Tag erbrachte juristische Dienstleistungen“
    • Rechnung Nr. 32104126 vom 2.6.2010: „Honorare für vom 1.11.2009 bis zum heutigen Tag erbrachte juristische Dienstleistungen“.

     

    B wollte aus den Eingangsrechnungen die Vorsteuer ziehen. Die portugiesischen Finanzbehörden versagten den Vorsteuerabzug, weil die Leistungsbeschreibung und der Leistungszeitpunkt zu ungenau seien.

     

    Entscheidung

    Der EuGH teilt die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung „kein Vorsteuerabzug“ nicht:

     

    Rechnungsangabe „Leistungsbeschreibung“

    Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie fordert - wie das deutsche UStG - in Rechnungen eine Leistungsbeschreibung (Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL). Der Wortlaut der Bestimmung impliziert, dass es erforderlich ist, Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen zu präzisieren.

     

    Beachten Sie | Das heißt jedoch nicht, dass die konkret erbrachten Dienstleistungen auch erschöpfend beschrieben werden müssen!

     

    Vielmehr sollen die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, es der Finanzverwaltung ermöglichen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und gegebenenfalls das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren. Im Lichte dieses Zwecks ist daher zu prüfen, ob Rechnungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden den Anforderungen entsprechen.

     

    Im Ausgangsverfahren werden die erbrachten Dienstleistungen in den in Rede stehenden Rechnungen zwar als „juristische Dienstleistungen“ bezeichnet, doch deckt dieser Begriff, wie die portugiesische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen dargelegt hat, ein breites Spektrum von Dienstleistungen ab, zu dem auch Leistungen gehören, die nicht notwendigerweise zur wirtschaftlichen Tätigkeit zählen. Daraus folgt, dass die Angabe „Erbringung juristischer Dienstleistungen ab [einem bestimmten Datum] bis zum heutigen Tag“ oder „Erbringung juristischer Dienstleistungen bis zum heutigen Tag“ die Art der fraglichen Dienstleistungen nicht hinreichend detailliert zu bezeichnen scheint.

     

    Im Ausgangsverfahren scheinen die Anforderungen an eine Leistungsbeschreibung damit grundsätzlich nicht erfüllt zu sein. Dies im Detail zu prüfen, ist nicht Sache des EuGH, sondern des vorlegenden Gerichts (Rn. 28 des Besprechungsurteils).

     

    Rechnungsangabe „Leistungszeitpunkt“

    Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie fordert - ebenfalls wie das deutsche UStG - in Rechnungen eine Leistungsbeschreibung (Art. 226 Nr. 7 MwStSystRL). Auch dieses Erfordernis ist im Lichte des Zwecks auszulegen. Dieser besteht darin, es den Steuerverwaltungen zu ermöglichen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und gegebenenfalls das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren (s. o.). Dabei lässt sich anhand des Datums der Erbringung der in Rechnung gestellten Dienstleistung kontrollieren, zu welchem Zeitpunkt der Steuertatbestand verwirklicht wurde, und damit bestimmen, welche steuerlichen Vorschriften in zeitlicher Hinsicht auf den Umsatz anzuwenden sind, auf den sich das Dokument bezieht.

     

    Im Ausgangsverfahren scheinen auch die Anforderungen an den Leistungszeitpunkt damit grundsätzlich nicht erfüllt zu sein. Dies im Detail zu prüfen, ist wieder Sache des vorlegenden Gerichts (Rn. 33 des Besprechungsurteils).

     

    Prüfungspflicht der Finanzverwaltung

    Die aus der Senatex-Entscheidung bekannten Überlegungen veranlassen den EuGH festzustellen, dass die Finanzverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigern kann, weil eine Rechnung nicht alle Pflichtangaben enthält. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Verwaltung selbst über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind.

     

    Dabei darf sich die Verwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken. Sie hat auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen.

     

    Im Ausgangsverfahren obliegt es demnach dem vorlegenden Gericht, sämtliche in den in Rede stehenden Rechnungen sowie in den von B vorgelegten Annexen enthaltenen Informationen zu berücksichtigen, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen ihres Vorsteuerabzugsrechts erfüllt sind (Rn. 45 des Besprechungsurteils).

     

    Nachweispflichten und Sanktionsmöglichkeiten

    Der EuGH betont, dass ein Steuerpflichtiger, der einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nachweisen muss, dass er die Voraussetzungen hierfür erfüllt. Die Steuerbehörden können somit vom Steuerpflichtigen selbst die Belege verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Frage notwendig erscheinen, ob der verlangte Abzug gewährt werden kann (Rn. 46 des Besprechungsurteils).

     

    Die Mitgliedstaaten sind aber befugt, Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung der formellen Bedingungen für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts vorzusehen. Gemäß Art. 273 MwStSystRL dürfen sie Maßnahmen erlassen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Maßnahmen nicht über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinausgehen und die Neutralität der Mehrwertsteuer nicht infrage stellen.

     

    Insbesondere hindert das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht daran, gegebenenfalls eine in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehende Geldbuße oder finanzielle Sanktion zu verhängen, um die Missachtung der Formerfordernisse zu ahnden (Rn. 47 f. des Besprechungsurteils).

     

    PRAXISHINWEIS | Der EuGH erwähnt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, durch geeignete Sanktionen die Steuererhebung sicherzustellen und Steuerausfälle zu vermeiden. Da der EuGH der deutschen Vollverzinsung nach § 233a AO insoweit eine Absage erteilt hat (vgl. Senatex-Entscheidung, in diesem Heft), ist der Finanzverwaltung bei der Umsatzsteuer ihr bisheriges Druckmittel genommen. Daher ist damit zu rechnen, dass Verwaltung und Gesetzgeber nach Ersatz suchen werden - zumal der EuGH Letzteren quasi anregt!

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 44410521