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  • · Nachricht · § 15 UStG

    EuGH-Vorlage zum Vorsteuerausschluss bei Nichterreichen der 10 %-Grenze

    | Mit Beschluss vom 16. Juni 2015 hat der BFH dem EuGH eine Frage zum Vorsteuerabzug bei Anschaffung zu weniger als 10 % für steuerbare und steuerpflichtige Tätigkeiten und im Übrigen zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben genutzter Gegenstände vorgelegt. |

     

    Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

     

    § 15 Abs. 1 Satz 2 des deutschen UStG bestimmt, dass die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt, nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt - und schließt insoweit den Vorsteuerabzug aus.

     

    Die Regelung beruht auf Art. 1 der Entscheidung des Rates vom 19. November 2004 (2004/817/EG), der Deutschland ermächtigt, abweichend von Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Ausgaben für solche Gegenstände und Dienstleistungen vom Abzug der Mehrwertsteuer auszuschließen, die zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden.

     

    Gilt diese Ermächtigung - entsprechend ihrem Wortlaut - nur für die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 26 MwStSystRL) geregelten Fälle oder darüber hinaus in sämtlichen Fällen, in denen ein Gegenstand oder eine Dienstleistung nur teilweise unternehmerisch genutzt wird?

     

    Zur Erinnerung

    Der Vorlagebeschluss betrifft die im Jahre 2009 vom EuGH für den Vorsteuerabzug entwickelte „3-Sphärentheorie“, welche die bis dahin vertretene „2-Sphärentheorie“ ablöste:

     

    • Bis zur EuGH-Entscheidung wurden für den Vorsteuerabzug zwei Verwendungszwecke („Sphären“) unterschieden. Sphäre 1 war die Nutzung eines Wirtschaftsguts für unternehmerische Zwecke und berechtigte zum Vorsteuerabzug. Sphäre 2 war die Nutzung für außerunternehmerische Zwecke. Diese umfasste nichtwirtschaftliche und private Zwecke und berechtigte nicht zum Vorsteuerabzug.

     

    • Seit der EuGH-Entscheidung ist neben dem wirtschaftlichen (unternehmerischen) Bereich = Sphäre 1 und dem privaten (nichtunternehmerischen, unternehmensfremden) Bereich = Sphäre 2 auch ein nichtwirtschaftlicher (nicht völlig unternehmensfremder) Bereich = Sphäre 3 denkbar.

     

    Aufgrund der EuGH-Rechtsprechung lässt sich die Auffassung vertreten, dass der Begriff des Unternehmens die wirtschaftlichen und auch die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten umfasst, also sowohl die Sphäre 1 als auch die Sphäre 3. Daher greife der Vorsteuerausschluss nur dann, wenn der angeschaffte Gegenstand zu mehr als 90 % für private Zwecke - also Zwecken der Sphäre 2 - verwendet wird.

     

    Sachverhalt

    Ein Landkreis (L) erwarb Arbeitsmaschinen, die er in seinem Kreisstraßenbetrieb als Träger der Straßenbaulast zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben und zu 2,65 % wie ein privates Unternehmen zur Erbringung steuerpflichtiger Leistungen gegenüber Dritten nutzte. Der Landkreis machte aus der Anschaffung anteilig zu 2,65 % den Vorsteuerabzug geltend.

     

    Das Finanzamt ließ die Vorsteuer nicht zum Abzug zu, da die angeschafften Gegenstände nicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG zu mindestens 10 % für das Unternehmen des Landkreises genutzt worden seien.

     

    Entscheidung

    Art. 1 der Entscheidung des Rates vom 19.11.2004 (2004/817/EG) ermächtigt die Bundesrepublik Deutschland, Ausgaben für solche Gegenstände und Dienstleistungen vom Abzug der Mehrwertsteuer auszuschließen, die zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden.

     

    Nach der Rechtsprechung des EuGH können jedoch Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, nicht allgemein als „unternehmensfremd“ betrachtet werden.

     

    Deshalb will der vorlegende XI. Senat des BFH mit seiner Vorlagefrage wissen, ob diese Ermächtigung entsprechend ihrem Wortlaut nur für die in Art. 26 MwStSystRL geregelten Fälle oder darüber hinaus in sämtlichen Fällen gilt, in denen ein Gegenstand oder eine Dienstleistung nur teilweise unternehmerisch und im Übrigen zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben genutzt wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Bedeutung der Vorlagefrage geht bei Weitem über den zu entscheidenden Fall hinaus. Betroffen sind alle Wirtschaftsgebilde, bei denen Sphäre 3 denkbar ist, mithin also

     

    • juristische Personen des öffentlichen Rechts
    • Vereine (ideeller Bereich)
    • Kammern
    • politische Parteien
    • ...

     

    Der Vorlagebeschluss lässt vermuten, dass der BFH in solchen Fällen den anteiligen Vorsteuerabzug gewähren will. Entsprechende Fälle sind daher unbedingt offenzuhalten.

     

    Fundstellen

    Quelle: ID 43594067