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Verfassungsmäßigkeit der Nichterfassung eines Übernahmeergebnisses
| Nach § 10a Satz 1 GewStG wird der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Gemäß § 10a Sätze 6 - 7 GewStG ist die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge auf das Ende des Erhebungszeitraums gesondert festzustellen. Streitig war vorliegend, ob das Ergebnis zum Merkmal der sachlichen Steuerpflicht im Gewerbesteuermessbescheid oder bereits im Verlustfeststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahres verbindlich festgestellt wird. |
Sachverhalt
Die alleinige Komplementärin der B-KG wurde im Jahre 2000 auf die Klägerin verschmolzen, sodass die B-KG erloschen ist. Die Klägerin war im Zeitpunkt der Verschmelzung alleinige Kommanditistin der B-KG.
Der X-Konzern war mittels der B-KG an der F-Gruppe beteiligt. Die B-KG war in diesem Zusammenhang als Holding tätig. Außerdem übernahm sie Aufgaben der Forschung und Entwicklung sowie der Patent- und Schutzrechtsverwaltung für die Unternehmen der F-Gruppe und des X-Konzerns. Im Laufe des Jahres 1997 löste die B-KG ihre Beziehung zur F-AG: Mit Vertrag vom Juni 1997 veräußerte die B-KG Aktien in Höhe von 24,5 % des Grundkapitals. Im Rahmen einer zwischen der B-KG und weiteren Beteiligten einerseits und der F-AG andererseits getroffenen Vereinbarung vom September 1997 wurde geregelt, dass ab dem 1.1.1997 der Gewerbebetrieb der B-KG für Rechnung von der F-AG geführt wird. Die bei der B-KG verbliebene Beteiligung in Höhe von 52 % am Grundkapital der F-AG wurde mit Vertrag vom Dezember 1997 mit Wirkung zum 7.1.1998 auf einen Dritten übertragen. Die bis 1997 an der B-KG neben der C-GmbH beteiligte S übertrug mit Vertrag vom 17.12.1997 ihren Kommanditanteil auf die C-GmbH; hierdurch wurde die Verbindung zwischen dem X-Konzern und der S vollständig gelöst.
Das FA erließ zunächst erklärungsgemäß auf jeweils 0 DM lautende Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 2000 sowie Verlustfeststellungsbescheide nach § 10a GewStG auf den jeweiligen 31.12. der genannten Jahre. Im Rahmen einer die Streitjahre betreffenden Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die B-KG habe über den 7.1.1998 hinaus keine gewerbesteuerpflichtige Betätigung mehr ausgeübt. Der gewerbliche Teilbetrieb „Beteiligung an anderen Unternehmen“ sei mit der Veräußerung der Anteile an der F-AG auf das vorgenannte Datum beendet worden. Der Teilbetrieb „Forschung und Entwicklung“ sei mit Vereinbarung vom 22.9.1997 faktisch auf die F-AG übertragen und damit nicht weitergeführt worden. Die Klage gegen die demgemäß erlassenen Änderungsbescheide hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 29.2.2012, 5 K 1555/2008 als unbegründet ab.
Entscheidung
Der BFH hat die Entscheidung des FG bestätigt.
Die Kürzung des Gewerbeertrags um Verluste aus früheren Erhebungszeiträumen setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Unternehmens- und Unternehmeridentität voraus (BFH 24.4.14, IV R 34/10 m. w. N.). Bei einer Personengesellschaft endet die sachliche Steuerpflicht (der Steuergegenstand) i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG und damit die Unternehmensidentität vor diesem Hintergrund spätestens, wenn im bisherigen Betrieb jede werbende Tätigkeit dauerhaft eingestellt wird.
Im Verlustfeststellungsverfahren nach § 10a Satz 2 GewStG seien alle Umstände zu berücksichtigen, die während eines Erhebungszeitraums (§ 14 GewStG) zu einem (anteiligen) Untergang des vortragfähigen Fehlbetrags (Gewerbeverlusts) führen. Hierzu gehöre auch der (anteilige) Wegfall der Unternehmensidentität. Dabei sei, so der BFH, das Merkmal der Unternehmensidentität im Rahmen der Verlustfeststellung ohne Bindung an das im Gewerbesteuermessbescheid festzustellende Merkmal der sachlichen Steuerpflicht (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO) zu prüfen. Die dazu entwickelten Grundsätze sind nach Auffassung des BFH so zu verstehen, dass über die Frage eines Wegfalls der Unternehmensidentität bereits im Verlustfeststellungsbescheid des Erhebungszeitraums zu entscheiden ist, in dem der hierfür maßgebliche Umstand eingetreten ist, und nicht erst im Gewerbesteuermessbescheid des (nachfolgenden) Verlustabzugsjahres.
Erläuterungen
Das Ergebnis zum Merkmal der sachlichen Steuerpflicht wird somit nicht im Gewerbesteuermessbescheid verbindlich festgestellt (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Gewerbesteuermessbescheid des Erhebungszeitraums, ist für den Verlustfeststellungsbescheid dieses Erhebungszeitraums mithin kein Grundlagenbescheid i. S. des § 171 Abs. 10 AO, soweit das Merkmal der sachlichen Steuerpflicht für die Beurteilung des Merkmals der Unternehmensidentität von Bedeutung ist. Ein anteiliger Wegfall des vortragsfähigen Verlusts kann eintreten durch
- Veräußerung eines Teilbetriebs (BFH 7.8.08, IV R 86/05, BStBl II 12, 145),
- Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft (BFH 3.2.10, IV R 59/07) und
- Erlöschen eines Gesellschafters durch Verschmelzung (BFH 12.5.16 IV R 29/13).
Wird der vortragsfähige Gewerbeverlust im Verlustfeststellungsbescheid nicht (anteilig) gekürzt, kann er ggf. entgegen der materiellen Rechtslage aus verfahrensrechtlichen Gründen in späteren Abzugsjahren verrechnet werden (BFH 16.6.11, IV R 11/08, BStBl II 11, 903).
Fundstelle
- BFH 7.9.16, IV R 31/13, astw.iww.de, Abruf-Nr. 190781