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  • · Fachbeitrag · § 9 StromStG

    Stromsteuerbefreiung bei räumlich voneinander entfernten Erzeugungsanlagen

    Im Stromsteuerrecht ist von einem funktionsbezogenen Anlagenbegriff auszugehen und nicht allein auf den Anlagenstandort abzustellen.

     

    Sachverhalt

    Die Steuerpflichtige sammelte Reste ein und entsorgte diese. Die nach der Zerkleinerung der Reste entstehende Biomasse wurde zu Biogasanlagen verbracht, welche die Steuerpflichtige an verschiedenen Standorten betrieb. Durch die Vergärung der Biomasse gewann die Steuerpflichtige Biogas, das sie zur Erzeugung von Strom verwendete.

     

    In den Jahren 2018 und 2019 entnahm die Steuerpflichtige den von ihr erzeugten Strom an dem jeweiligen Standort ihrer Anlagen zum Selbstverbrauch. Ferner leitete sie den Strom an Letztverbraucher weiter, die den Strom auf dem Betriebsgelände der jeweiligen Anlage dem dort von ihr unterhaltenen Netz entnahmen. Darüber hinaus speiste die Steuerpflichtige den überschüssigen Strom im Wege der Direktvermarktung in das allgemeine Versorgungsnetz ein. Die Steuerpflichtige meldete beim beklagten Hauptzollamt jeweils im Folgejahr die Strommengen an, die sie ihrer Ansicht nach steuerfrei entnommen und geleistet hatte. Das Hauptzollamt folgte den Anmeldungen der Steuerpflichtigen nicht und setzte für 2018 und 2019 entsprechende Stromsteuern fest.

     

    Zur Begründung führte das Hauptzollamt aus, dass der Steuerpflichtigen keine Steuerbefreiung zustehe, u. a. weil der Strom nicht aus einem ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen worden sei. Daneben sei der Strom nicht in drei Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von höchstens zwei Megawatt erzeugt worden, denn drei der Anlagen seien wegen ihrer Fernsteuerbarkeit als eine Anlage zur Stromerzeugung anzusehen. Hinsichtlich des in diesen Anlagen im zweiten Halbjahr 2019 erzeugten Stroms gelte die Steuerbefreiung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Stromsteuergesetz in der ab 1.7.2019 geltenden Fassung nicht, weil diese Anlagen nicht eine elektrische Nennleistung von jeweils mehr als zwei Megawatt gehabt hätten.

     

    Im Klageverfahren argumentierte die Steuerpflichtige, dass der Bezug von Zusatzstrom aus dem allgemeinen Versorgungsnetz nur sehr selten und geringfügig erfolgt sei. Daneben seien die Anlagen an zwei Standorten tatsächlich nicht zentral gesteuert worden. Jedenfalls habe sie hinsichtlich des im zweiten Kalenderjahr 2019 zum Selbstverbrauch entnommenen Stroms nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG neuer Fassung einen Anspruch auf eine Befreiung von der Steuer.

     

    Entscheidung

    Das Finanzgericht Düsseldorf bestätigte die Steuerfestsetzung des Hauptzollamts nur teilweise. Hinsichtlich des im zweiten Kalenderjahr 2019 mit den drei Anlagen erzeugten sowie entnommenen Stroms greift nach Auffassung des Gerichts die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG neuer Fassung.

     

    Diese Anlagen hatten in diesem Zeitraum zwar für sich genommen eine elektrische Nennleistung von weniger als jeweils zwei Megawatt, jedoch sind die Nennleistungen der von der Steuerpflichtigen betriebenen Stromerzeugungseinheiten für Zwecke des § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG neuer Fassung als eine (1) Anlage zu betrachten.

     

    Im Stromsteuerrecht ist von einem funktionsbezogenen Anlagenbegriff auszugehen, der eine isolierte Betrachtung einzelner Stromerzeugungseinheiten verbietet. Danach ist auf die Gesamtheit der technischen Einrichtungen und auf den Funktionszusammenhang ‒ nicht aber auf eine standortbezogene Betrachtung ‒ abzustellen.


    PRAXISTIPP | Bei der Auslegung des Begriffs der „Anlage“ gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG gilt kein standortbezogener Anlagenbegriff, sondern es ist auf die Gesamtheit der Stromerzeugungseinheiten abzustellen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Beklagte hat unter dem Az. VII R 5/24 Revision beim BFH eingelegt. Hinzuweisen ist auch auf ein weiteres Urteil desselben Finanzgerichts vom 4.10.2023.


    Fundstelle

    Quelle: ID 50026396

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