· Fachbeitrag · Beratungspraxis
Sommer, Sonne, Arbeitsrecht: Sieben Fälle aus der Praxis
| Hitzefrei - das wohl schönste Wort für Schüler. Doch gibt es ein Recht auf Hitzefrei für den Arbeitnehmer? Haben Schwangere oder ältere Arbeitnehmer einen Anspruch auf Hitzefrei bei 30 Grad und mehr? Können Eltern ihre Arbeit unterbrechen, wenn sie ihre Kinder von der Schule abholen müssen, weil dort überraschend Hitzefrei ist? Was ist, wenn der Arbeitgeber kurzfristig den Sommerurlaub streicht? Nachfolgend stellt AStW die Sach- und Rechtslage anhand sieben typisch „sommer“-arbeitsrechtlicher Fälle dar. |
Zunächst: Gibt es verbindliche Regeln für Temperaturen & Co.?
Regelungen für den Arbeitgeber ergeben sich aus Bestimmungen des Arbeitsschutzes, den Fürsorgepflichten und in der Arbeitsstättenverordnung. Die Arbeitsstättenverordnung fordert für Arbeitsräume gesundheitlich zuträgliche Raumtemperaturen und den Schutz gegen übermäßige Sonneneinstrahlung. Eine maximal zulässige Temperatur wird aber nicht genannt.
Die Arbeitsstättenrichtlinie legt fest, dass die Lufttemperaturen in Arbeits- und Sozialräumen 26 Grad nicht überschreiten sollen, anderenfalls sei der Raum mit Sonnenschutzsystemen auszurüsten.
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Die Arbeitsstättenrichtlinie unterscheidet also zwischen der Raumtemperatur (dem subjektiven Temperaturempfinden eines Arbeitnehmers) und der Lufttemperatur (der tatsächlichen Temperatur der Luft, die am Arbeitsort herrscht).
Darf der Arbeitnehmer ab einer bestimmten Temperatur gehen?
Die Arbeitsstättenrichtlinie schreibt damit vor, dass die Raumtemperatur nicht über 26 Grad steigen soll, um Gesundheitsgefährdungen zu vermeiden. Erklimmt sie einen Wert von 30 Grad und mehr, ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um den Arbeitnehmer zu schützen. Sind die Raumtemperaturen - unter anderem in Arbeits-, Pausen- und Bereitschaftsräumen - mit 30 oder mehr Grad unerträglich, hat der Vorgesetzte eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und in diesem Rahmen Maßnahmen einzuleiten (zum Beispiel Lockerung der Arbeitskleidung, Angebot Arbeitszeiten anzupassen, Lüften in den Morgenstunden). Dennoch bedeutet dies nicht, dass der Arbeitgeber zwingend „Hitzefrei“ geben muss, denn nicht in jedem Raum ist es meist gleich warm.
Der Arbeitnehmer darf also bei über 26 Grad im Büro nicht ohne Weiteres nach Hause gehen. Bei darüber liegender Außentemperatur darf in Ausnahmefällen die Lufttemperatur höher sein. Die Sollvorschrift („soll 26 Grad nicht überschreiten“) ist nicht zwingend, sondern eine arbeitswissenschaftliche Empfehlung.
Gibt es Sonderregeln für Schwangere und Ältere?
Dies regelt § 618 BGB: Der Arbeitgeber hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln hat, dass die Arbeitgeber gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind. Besondere Rücksicht ist dabei auf schwangere Frauen und ältere Mitarbeiter zu nehmen.
Haben Eltern einen Anspruch darauf, die Arbeit zu unterbrechen, wenn die Schule der Kinder hitzefrei ausspricht?
Generell kommt es bei der Frage, ob der Arbeitnehmer das Kind aus der Schule abholen und sich um weitere Betreuung kümmern darf, ohne den Lohnanspruch trotz der Arbeitsunterbrechung für diese Zeit zu verlieren, darauf an, ob die Voraussetzungen des § 616 BGB im Einzelfall vorliegen. Das hierbei erforderliche Näheverhältnis ist bei eigenen oder adoptierten Kindern des oder der Arbeitnehmer ohne Weiteres zu bejahen. Hitzefrei in der Schule führt aber nur zur darüber hinaus erforderlichen Unzumutbarkeit der Dienstleistung, wenn die gebotene Betreuung des betroffenen Kindes nicht anderweitig, etwa durch andere Familienangehörige, Ehe- oder Lebenspartner, sichergestellt werden kann. Darüber hinaus wird man bei der Frage, ob das Kind wegen seines Alters noch der Betreuung bedarf, die in § 45 Abs. 1 SGB V aufgestellte Grenze bis zum 12. Lebensjahr heranziehen müssen.
Kann der Arbeitgeber den Sommerurlaub widerrufen?
Auf eigene Faust darf der Arbeitgeber den Urlaub nur in absoluten Ausnahmefällen zurücknehmen - zum Beispiel, wenn unerwartet so viele Mitarbeiter ausfallen, dass die Produktion oder der termingerechte Jahresabschluss gefährdet sind. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub bereits angetreten hat. Allerdings muss der Arbeitgeber dann für die anfallenden Kosten (Stornierung, Rückreise) aufkommen.
Haben Eltern schulpflichtiger Kinder Anspruch auf Urlaub während der Schulferien?
Nicht direkt. Ob ein Arbeitnehmer schulpflichtige Kinder hat oder nicht, spielt für den Gesetzgeber allerdings in § 7 Abs. 1 BUrlG eine Rolle. Danach dürfen Arbeitgeber, sofern es die betriebliche Situation zulässt, die Urlaubswünsche von Eltern in den Schulferien bevorzugen. Schließlich können diese nur in diesen Zeiten mit ihren Kindern gemeinsam Urlaub machen. Hierbei handelt es sich um einen „sozialen Gesichtspunkt“, der zum Vorrang führen kann. Einen unmittelbaren Anspruch auf Urlaubsgewährung haben berufstätige Eltern allerdings nicht.
Der Arbeitnehmer plant dieses Jahr keinen Urlaub und möchte die Urlaubstage ausbezahlt erhalten. Gibt es einen Anspruch?
Nein, das gibt es nicht. Die Möglichkeit, sich Urlaubstage vom Arbeitgeber auszahlen zu lassen, gibt es nur in einem Fall: Wenn es wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist, den Resturlaub zu nehmen (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
Bei Freistellungen war es bislang üblich, dass der verbleibende Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers damit abgegolten war. Das geht seit dem 10.2.2015 nicht mehr: Das BAG hat die Rechtsprechung an das europäische Recht angepasst. Bei fristloser Kündigung oder bei Freistellungen ist der gegebenenfalls verbleibende Resturlaub finanziell abzugelten.
Kann der Arbeitgeber für den gesamten Urlaub Betriebsferien anordnen?
Arbeitgeber können in dem Umfang Urlaub vorschreiben, in dem sie betriebliche Erfordernisse vorweisen können. Eine komplette Verplanung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers ist aber einzelfallabhängig zu beurteilen und meist unzulässig. Das BAG hat jedoch bereits entschieden, dass es eine 3/5-Quote für wirksam hält. Daraus kann geschlossen werden, dass es eine komplette Verplanung für unwirksam hält.