· Fachbeitrag · Corona-Pandemie und die steuerlichen Folgen
Verkauf von Desinfektionsmitteln u. Ä. durch die öffentliche Hand
| Die OFD Nordrhein-Westfalen positioniert sich zu der Frage, ob und ‒ wenn ja ‒ welche ertragsteuerlichen und umsatzsteuerlichen Folgen der Verkauf von medizinischem Verbrauchs- und Schutzmaterial durch juristische Personen des öffentlichen Rechts auslöst. |
Aufgrund aktueller Schwierigkeiten bei der Beschaffung von medizinischem Verbrauchs- und Schutzmaterial sind Gebietskörperschaften und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts dazu übergegangen,
- die Beschaffung selbst durchzuführen und
- die Güter anschließend an Krankenhäuser, Pflegeheime und ähnliche Einrichtungen in ihrem Einzugsgebiet zu verteilen.
Die Verteilung erfolgt regelmäßig in der Form, dass die Güter an die genannten Empfänger entweder ohne oder mit geringem Gewinnaufschlag weiterveräußert werden.
Annahme eines Betriebs gewerblicher Art
Fraglich ist, ob die juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch den Verkauf dieser Güter bei Überschreiten der Umsatzgrenze von 35.000 EUR einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) begründen.
Im Fall der krisenbedingten Abgabe von Verbrauchs- und Schutzmaterial ist bei entsprechenden Umsätzen nach Auffassung der OFD davon auszugehen, dass das Übersteigen der o. g. Umsatzgrenze nicht nachhaltig ist. Die Voraussetzungen zur Annahme eines Betriebs gewerblicher Art seien damit nicht gegeben. In der Folge sei die krisenbedingte Abgabe der vorgenannten Güter durch die öffentliche Hand
- nicht ertragsteuerpflichtig und
- nicht umsatzsteuerpflichtig. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass wirksam zum „alten“ Recht optiert wurde.
Hiervon unberührt bleiben soll die Möglichkeit der öffentlichen Hand besondere Gründe vorzutragen, aufgrund derer auch bei Nichterreichen eines nachhaltigen Umsatzes von 35.000 EUR ein Betrieb gewerblicher Art anzunehmen ist.
Die OFD beschränkt ihre Einschätzung auf den Fall, dass der Verkauf sich zeitlich auf die gegenwärtige Krisensituation beschränkt. Anderenfalls soll die Annahme eines Betriebs gewerblicher Art möglich sein.
Behandlung von Verlusten eines Betriebs gewerblicher Art „Verkauf von medizinischem Verbrauchs- und Schutzmaterial”
Sollte der Verkauf von medizinischem Verbrauchs- und Schutzmaterial im Einzelfall als Betrieb gewerblicher Art zu beurteilen sein und die öffentliche Hand dadurch dauerhaft Verluste erwirtschaften, ist die Tätigkeit körperschaftsteuerlich als Dauerverlustgeschäft zu beurteilen, da sie aus gesundheitspolitischen Gründen unterhalten wird. Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung sind daher nicht zu ziehen.
PRAXISTIPP | Zumindest umsatzsteuerlich ist die Rechtsauffassung der OFD mehr als fraglich. Medizinisches Verbrauchs- und Schutzmaterial verkaufen selbstverständlich auch private Unternehmen. Auch Letztere arbeiten dabei aus Solidarität häufig ebenfalls ohne eigenen Aufschlag zu Selbstkosten, unterliegen aber dennoch vollumfänglich der Umsatzsteuer. Die Regelung der OFD führt damit zu ‒ eigentlich unzulässigen ‒ Wettbewerbsverzerrungen. |
Fundstelle
- OFD Nordrhein-Westfalen, Vfg. vom 29.4.20, S 2706-2020/0013-St 15