· Fachbeitrag · Finanzgerichtsordnung
Anwaltlicher AdV-Antrag muss in elektronischer Form eingereicht werden
Ein von einem Rechtsanwalt lediglich per Telefax und nicht in der vorgeschriebenen elektronischen Form eingereichter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig. |
Hintergrund
Mit Wirkung vom 1.1.2022 wurde durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl. I 2013, 3786) in die Finanzgerichtsordnung folgender § 52d eingefügt:
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1Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. 2Gleiches gilt für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 zur Verfügung steht. 3Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. 4Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. |
§ 52d Satz 1 FGO begründet für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts (sog. professionelle Einreicher) die Pflicht, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen.
§ 52d Satz 2 FGO erweitert die Nutzungspflicht auf die nach § 62 FGO vertretungsberechtigten Personen, die sich eines dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach vergleichbaren elektronischen Postfachs bedienen können. Hierunter fallen insbesondere:
- Steuerberater,
- Steuerbevollmächtigte,
- Wirtschaftsprüfer und
- vereidigte Buchprüfer.
Entspricht die Einreichung der Dokumente nicht der nach § 52d FGO erforderlichen Form, sind darin enthaltene Prozesshandlungen unwirksam.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige stritt sich mit dem Finanzamt im Rahmen eines Einspruchsverfahrens über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags. Am 2.1.2022 reichte sie ‒ anwaltlich vertreten ‒ per Telefax einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids bei Gericht ein. Nach Antragstellung erließ das Finanzamt eine Einspruchsentscheidung, gegen die die Steuerpflichtige Klage erhob. Das Klageverfahren ist noch anhängig.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Der Antrag sei unzulässig, weil er nicht
- als elektronisches Dokument
- auf dem dafür vorgeschriebenen Weg übermittelt wurde.
Telefax kein elektronisches Dokument
Nach § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln.
Eine Einreichung per Telefax genügt diesen Anforderungen nicht ‒ und zwar unabhängig davon, ob das Telefax über das Telefonnetz oder als Computerfax übersandt wurde.
Keine sichere Übermittlung des Dokuments
Aber selbst wenn ein Telefax ein elektronisches Dokument im Sinne der neuen Bestimmungen wäre, wäre dann jedenfalls nicht gemäß den besonderen Anforderungen übermittelt worden, die § 52a FGO an die Übermittlung elektronischer Dokumente stellt.
Nach § 52a Abs. 3 FGO muss das elektronische Dokument
- mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. § 52a Abs. 4 FGO zählt die möglichen sicheren Übermittlungswege enumerativ auf.
Der Telefaxversand erfüllt keinen dieser Tatbestände. Sämtliche Tatbestände setzen eine Identifizierbarkeit des Absenders voraus, die ein Faxversand nicht gewährleistet.
Keine Ersatzeinreichung
Es handelt sich auch nicht um einen Fall der sogenannten Ersatzeinreichung. Nach § 52d Satz 3 FGO bleibt, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wobei die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist. Dass es sich bei dem am 2.1.2022 eingegangenen Fax um eine Ersatzeinreichung handelt, ist im Urteilsfall weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht und auch nicht aus sonstigen Umständen ersichtlich.
PRAXISTIPP | Der Verstoß gegen § 52d FGO führt zur Unwirksamkeit des Antrags. Der Antrag gilt damit als nicht vorgenommen. Im Urteilsfall wirkt diese Entscheidung dadurch besonders hart, dass die Rechtsänderung erst einen Tag vorher ‒ nämlich am 1.1.2022 ‒ in Kraft getreten ist. Wieder einmal zeigt sich, welche Bedeutung das Verfahrensrecht hat. Das wird ‒ auch von Berufsträgern ‒ leider viel zu häufig übersehen! |
Fundstelle
- FG Münster 22.2.22, 8 V 2/22, iww.de/astw, Abruf-Nr. 228459