· Fachbeitrag · Grunderwerbsteuer
Grunderwerbsteuerliche Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs
Eine Abtretungsanzeige, die eingeht, bevor der abzutretende Anspruch auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG entstanden ist, ist unwirksam. |
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten sich über einen möglichen Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer. Die Klägerin veräußerte mit notariellen Vertrag vom August 2014 ein Grundstück an die A-Gesellschaft.
Nach Abschn. III.2. des Vertrags haben die Vertragsparteien zur Rückabwicklung Folgendes vereinbart:
„Der Käufer verpflichtet sich, die Auflassungsvormerkung am Kaufgegenstand wieder löschen zu lassen, wenn der Verkäufer von diesem Kaufvertrag zurückgetreten ist. Zu diesem Zweck wird der Notar vom Käufer unwiderruflich bevollmächtigt, ermächtigt und beauftragt, die am Kaufgegenstand einzutragende Auflassungsvormerkung wieder löschen zu lassen und im Namen des Käufers die Löschung der Auflassungsvormerkung zu bewilligen und zu beantragen und dem Grundbuchamt zum Vollzug vorzulegen, wenn (kumulativ) a) … b) der Verkäufer dem Notar schriftlich mitgeteilt hat, dass er wegen … der nicht rechtzeitigen Zahlung des Kaufpreises … vom Kaufvertrag zurückgetreten ist und c) der Käufer dem Notar auf schriftliche Anforderung hin nicht innerhalb von zehn Werktagen die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorlegt, wonach dem Verkäufer die Mitwirkung an der Löschung der Auflassungsvormerkung untersagt und/oder ihm aufgegeben wird, den Notar anzuweisen, die Löschung der Auflassungsvormerkung des Käufers nicht zu bewilligen und zu beantragen.“
Mit Bescheid vom September 2014 setzte das FA gegenüber der Erwerberin Grunderwerbsteuer fest. Den Kaufpreis zahlte die Erwerberin nicht.
Mit einfachem Schreiben vom März 2015 zeigte die B-Gesellschaft an, dass die Erwerberin einen möglichen Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer mit Vertrag vom Februar 2015 an sie abgetreten habe und dieser damit ihr zustehe. Das FA forderte daraufhin eine den Formvoraussetzungen des § 46 AO entsprechende Abtretungsanzeige an.
Die Klägerin trat am 2.4.2015 vom Kaufvertrag zurück. Der Notar zeigte dies der Erwerberin mit E-Mail vom 7.4.2015 an, in der er auf Abschn. III.2. des Kaufvertrags hinwies und avisierte, nach Ablauf der im Vertrag genannten Frist die Löschung der Auflassungsvormerkung zu veranlassen.
Am 16.4.2015 zeigte die Erwerberin dem FA per Fax den Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag und die Abtretung des Erstattungsanspruchs auf dem vom FA geforderten und am 15.4.2015 unterschriebenen Formular an. Ferner beantragte sie die Erstattung der Grunderwerbsteuer. Das Original dieses Schreibens wurde am 21.4.2015 abgesandt und ging am 23.4.2015 beim FA ein. Der Notar erstellte am 24.4.2015 die Löschungsbewilligung, versandte den Antrag auf Löschung der Auflassungsvormerkung am selben Tag an das Grundbuchamt und unterrichtete hiervon die Klägerin ebenfalls am selben Tag per E-Mail. Die Löschung der Auflassungsvormerkung erfolgte am 7.5.2015. Das FG Berlin-Brandenburg gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Eine Auflassungsvormerkung stehe der Rückgängigmachung eines Kaufvertrags i. S. d. § 16 Abs. 1 GrEStG dann entgegen, wenn der Erwerber dem Notar im notariellen Kaufvertrag lediglich die ‒ unwiderrufliche ‒ Vollmacht erteilt hat, die Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen. Denn vor Erstellung der entsprechenden Urkunde durch den Notar liege noch keine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form vor.
Im Streitfall sei die Abtretungsanzeige vor Entstehung des Anspruchs aus § 16 Abs. 1 GrEStG beim FA eingegangen, sodass die Abtretung nicht nach § 46 Abs. 2 AO wirksam geworden sei. Damit sei der nach Entstehung des Erstattungsanspruchs erlassene Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Klägerin vom FA zu beachten gewesen.
Erläuterungen
Nach § 46 Abs. 1 AO können Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen u. a. abgetreten werden. Die Abtretung wird nach § 46 Abs. 2 AO jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt. Damit ist für eine wirksame Abtretung eines Anspruchs auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 1 GrEStG maßgeblich, ob dieser Anspruch vor oder nach Anzeige der Abtretung entstanden ist. Da der Anspruch im Streitfall erst nach Eingang der Anzeige entstanden war, war der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Klägerin vom FA zu beachten.
Fundstelle
- BFH 21.12.21, VII R 5/19, iww.de/astw, Abruf-Nr. 228902