· Fachbeitrag · Kryptowährungen
Bitcoin als Herausforderung für Steuer- und Zwangsvollstreckungsrecht?
von Dr. Stephan Peters, Warendorf
| Kaum ein Wirtschaftsthema hat in den vergangenen Jahren derart an Bedeutung gewonnen, wie die Kryptowährung Bitcoin. Es wird von gigantischen Wertzuwächsen und einer neuen Goldschürfer-Mentalität berichtet. Doch was ist Bitcoin eigentlich? Im Kern von Bitcoin stehen zwei Bereiche, das Zahlungssystem Bitcoin und die Geldeinheit, die von dezentralen Rechnernetzwerken verwaltet und geschöpft wird (sog. Mining). Eine Branche, die losgelöst von Regierungen, dem Bankenwesen und anderen staatlichen Institutionen ein Zahlungsmittel und eine Geldeinheit (Bitcoin) entwickelt hat, das viele fasziniert, aber auch praktische Fragen aufwirft. Insbesondere beim Thema Wertzuwachs und Goldschürfermentalität wird selbstverständlich auch der Staat hellhörig und versucht diese neue Form der Geld- und Wertanlage in das bestehende Steuersystem zu integrieren. Wenngleich die Überlegungen seitens der Finanzverwaltung hier noch in den Kinderschuhen stecken, so gibt es dennoch erste Versuche einer öffentlichen Einordnung (Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Michael Meister vom 29.12.17 auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Lisa Paus, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vgl. auch BT-Drs. 19/370, S. 21 f.). |
Soweit Bitcoins als normales Zahlungsmittel verwendet werden, also Bitcoins als Entgelt entrichtet werden, hat dies keine steuerlichen Auswirkungen. Vielmehr wird die Verwendung von Bitcoins insoweit den konventionellen Zahlungsmitteln gleichzustellen sein. Dies setzt jedoch voraus, dass die Hingabe von Bitcoins auch tatsächlich keinem anderen Zweck, als dem reinen Zahlungsmittel dient.
Gewerbliche Einkünfte
Unabhängig davon, ob es um die bloße Anschaffung oder um die Schöpfung (Mining) von Bitcoins geht, gilt: Wird die Tätigkeit im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt, handelt es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG). Dies hat zur Folge, dass Gewinne aus Veräußerungs- oder Tauschgeschäften auf der einen Seite als Einkünfte zu erfassen sind, auf der anderen Seite aber die Aufwendungen für das sog. Mining (bspw. die Kosten für den Betrieb von Netzwerken zum Mining) auch als Betriebsausgaben abgesetzt werden könnten.
Private Veräußerungsgeschäfte
Wird die Tätigkeit außerhalb einer gewerblichen Tätigkeit ausgeübt, gelten die allgemeinen Regelungen. Der Tausch oder Rücktausch von Bitcoin binnen eines Jahres nach der Anschaffung löst ein privates Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aus.
PRAXISHINWEIS | Ein privates Veräußerungsgeschäft kann übrigens bereits ausgelöst werden, wenn erworbene Bitcoins als Zahlungsmittel eingesetzt oder in eine andere Kryptowährung getauscht werden. Der Einsatz als Zahlungsmittel oder der Tausch von Bitcoins gilt als Veräußerungsvorgang. Als Veräußerungspreis ist der Wert anzusetzen, den die Ware oder Währung hat, die Sie im Gegenzug erhalten (Finanzbehörde Hamburg, Erlass vom 11.12.2017, Az. S 2256-2017/003-52, Abruf-Nr. 199500). |
Beachten Sie | Verluste aus dem Verkauf von Bitcoins, die im Privatvermögen gehalten wurden, werden steuerlich nur berücksichtigt, wenn der Verkauf innerhalb von einem Jahr nach dem Kauf stattfindet.
Abzugrenzen sind diese Veräußerungsgeschäfte von der Schöpfung neuer Bitcoins (Mining). Weil § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zunächst nur „Veräußerungsgeschäfte"“ erfasst, stellt sich die Frage, wie die Schöpfung von Bitcoins zu behandeln ist, da es insoweit an einem „Veräußerungsgeschäft“ fehlt. Da diese Tätigkeit nicht von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG erfasst ist und soweit die Tätigkeit nicht als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 EStG zu qualifizieren ist, kann die Schöpfung von Bitcoin im Wege des Mining zunächst keiner anderen Einkunftsart zugewiesen werden. Grundsätzlich kommt daher eine Einordnung als sonstige Leistung i. S. d. § 22 Nr. 3 EStG in Betracht. Dies hätte zur Folge, dass die Einkünfte nicht einkommen-steuerpflichtig sind, wenn sie weniger als 256 EUR im Kalenderjahr betragen (§ 22 Nr. 3 S. 2 EStG).
Umsatzsteuer
Im Gegensatz zur einkommensteuerlichen Behandlung, hat sich die Rechtsprechung mit der umsatzsteuerlichen Behandlung von Bitcoin-Geschäften bereits befasst. In der Hedqvist-Entscheidung vom 22.10.2015 (C-264/14, Hedqvist) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, dass es sich bei dem Umtausch von konventioneller Währung in Bitcoin und umgekehrt, um eine nach Art. 135 Abs. 1 e) MwStSystRL steuerfreie Dienstleistung gegen Entgelt handelt. Umsatzsteuerrechtlich hat der EuGH damit für die breite Masse der Bitcoin-Transaktionen bereits Klarheit geschaffen.
Offen und bisher noch nicht abschließend geklärt ist hingegen die Frage, wie das sog. Mining (Schöpfung neuer Bitcoins) umsatzsteuerrechtlich zu behandeln ist, da es sich beim Mining nicht um den bloßen Tausch von Währungen handelt. Nach Auskunft des BMF hat die Europäische Kommission insoweit bereits Erörterungen im Mehrwertsteuerausschuss initiiert, die aber noch nicht abgeschlossen sind.
Vollstreckung
Neben den Fragen der ertrag- und umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Bitcoin stellt sich daneben die Frage, ob und ggf. wie Bitcoin Gegenstand von Vollstreckungsmaßnahmen sein können. Maßgebend für Vollstreckungsmaßnahmen ist dabei die Zivilprozessordnung (ZPO), bei deren Entstehung das Auftauchen von Bitcoin im 21. Jahrhundert selbstverständlich noch nicht absehbar war. Für Forderungen der Finanzverwaltung kommt dabei dem Abschnitt über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (§§ 802a ff. ZPO) eine besondere Bedeutung zu.
Die rechtliche Qualifikation von Bitcoins ist bisher nicht abschließend geklärt. Weil Bitcoins nicht wie Geldmünzen verkörpert sind, handelt es sich wohl nicht um eine Sache im Sinne des BGB, sondern um ein immaterielles Gut. In Abgrenzung zum klassischen Immaterialgut schützt Bitcoin jedoch kein geistiges Werk, der bloße Besitz von Bitcoin begründet auch keine sonstigen relativen oder absoluten Rechte (Kütük/Sorge, MMR 2014, 643, 644). Weil Bitcoins einen bestimmten Wert haben, sind insoweit jedoch Begehrlichkeiten der Vollstreckungsbehörden entstanden. Eine Pfändung gemäß §§ 829, 835 ZPO scheidet aus, weil es sich bei Bitcoin nicht um Geld im rechtlichen Sinne handeln dürfte (Kütük/Sorge, a.a.O.). Aufgrund der Einordnung als Immaterialgut kommt auch eine Vollstreckung nach § 803 ff. ZPO nicht in Betracht. Auch eine Pfändung von Sachen gemäß § 808 ZPO wird mangels Verkörperung von Bitcoins ausgeschlossen. Möglich und in der Praxis vermutlich der am ehesten relevante Fall ist die Konstellation, dass ein Schuldner gegenüber einem Dritten einen Anspruch auf Herausgabe von Bitcoins hat. Dieser Anspruch kann dann nach § 857 ZPO ohne Probleme gepfändet werden (Boehm/Pesch, MMR 2014, 75, 78). Es bleibt abzuwarten, wie sich die Vollstreckung von Bitcoins in der Praxis entwickeln wird. Problematisch ist insoweit vermutlich weniger die Durchführung einer Pfändung nach § 857 ZPO (wobei insbesondere bei im Ausland sitzenden Dritten zu prüfen ist, wie hier Pfändungsmaßnahmen effektiv ausgebracht werden können), sondern die Kenntnis der Vollstreckungsbehörde von der Existenz entsprechender Ansprüche.
FAZIT | Die steuerrechtliche Behandlung von Bitcoins steckt noch in den Kinderschuhen. Ertragsteuerrechtlich lässt sich die neue Währung in die bestehenden Strukturen integrieren. Umsatzsteuerrechtlich ist zumindest der Tausch von gesetzlichen Währungen in Bitcoin geklärt. Ob sich diese Befreiung auch auf das sog. Mining übertragen lässt, scheint zweifelhaft. Aufgrund des wertschöpfenden Charakters des sog. Mining, sprechen hier gute Gründe für eine Wertabschöpfung über die Umsatzsteuer. |
Fundstellen
- Finanzbehörde Hamburg, Erlass v. 11.12.17, S 2256-2017/003-52, astw.iww.de, Abruf-Nr. 199500
- Bundestags-Drucksache v. 5.1.18, Drs. 19/370, astw.iww.de, Abruf-Nr. 199501
Zum Autor | Dieser Beitrag wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.