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  • · Nachricht · § 2 UStG

    Unternehmereigenschaft im kommunalen Bereich

    | Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist nur dann Unternehmerin, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Fehlt es hieran, kann sie nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG Organträger sein. |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin ist eine Gemeinde und Alleingesellschafterin der K-GmbH, die ihrerseits Alleingesellschafterin der A-GmbH ist. Die Klägerin errichtete im Zeitraum 2001 bis 2008 ein Sportzentrum in drei Bauabschnitten, bestehend aus einer Dreifeldturnhalle, einem Verbindungsbau und einem Freizeitbad.

     

    Mit „Vorvertrag“ vom 20.12.2007 vermietete die Klägerin die Dreifeldturnhalle mit Gastronomiekomplex und Inventar an die A-GmbH mit Wirkung ab 1.1.2008 zu einem monatlichen Mietzins von 900 EUR. Die Klägerin verpflichtete sich, den beim Betrieb des Sportzentrums entstehenden handelsrechtlichen Verlust auszugleichen.

     

    Mit Vertrag vom 28.10.2008 übertrug die Klägerin rückwirkend zum 1.1.2008 den Betrieb des Sportzentrums auf die A-GmbH, die sich verpflichtete, das Sportzentrum im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu betreiben. Für die Festsetzung der Eintrittspreise bedurfte es der Zustimmung durch den Stadtrat der Klägerin. Die Klägerin verpflichtete sich wiederum zum Ausgleich der handelsrechtlichen Verluste. Der voraussichtliche Verlust für 2008 sollte sich auf 350.400 EUR belaufen. Bei dem Verlustausgleich sollte es sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss handeln. Nach Fertigstellung des Sportbades übertrug die Klägerin auch diesen Betriebsteil auf die A-GmbH.

     

    Nach dem Ergänzungsvertrag vom 30.6.2009 belief sich das Nutzungsentgelt unter Berücksichtigung von beweglichem Anlagevermögen ab 1.12.2008 auf monatlich 5.974,50 EUR. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen leistete die Klägerin Verlustausgleichszahlungen in Höhe von 350.400 EUR (2008), 663.582,69 EUR (2009) und 639.084,95 EUR (2010). Für die Errichtung des Sportzentrums machte die Klägerin für die Jahre 2006 bis 2010 einen Vorsteuerabzug von insgesamt ca. 1,8 Mio. EUR geltend. Die Mieten behandelte sie als Entgelt für umsatzsteuerpflichtige Leistungen.

     

    Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug. Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht statt.

     

    Entscheidung

    Nach Auffassung des BFH hat das FG die Unternehmereigenschaft der Klägerin zu Unrecht bejaht.

     

    Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist bei richtlinienkonformer Auslegung nur dann Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt (ständige BFH-Rechtsprechung).

     

    An der für die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erforderlichen Grundvoraussetzung der wirtschaftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit fehlt es nach neuerer EuGH-Rechtsprechung, wenn eine Gemeinde über die von ihr vereinnahmten Beiträge nur einen kleinen Teil ihrer Kosten deckt. Werden die Kosten nur zu 3 % aus Einnahmen und im Übrigen mit öffentlichen Mitteln finanziert, deutet diese Asymmetrie zwischen den Betriebskosten und den als Gegenleistung erhaltenen Beträgen darauf hin, dass kein Leistungsentgelt und damit auch keine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt.

     

    Nach diesen Maßstäben ist das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Klägerin als Unternehmerin zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Das Urteil des FG ist materiell-rechtlich mit den bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigenden Vorgaben des EuGH, die das FG teilweise nicht berücksichtigen konnte, unvereinbar. Es kommt dabei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen einer gesetzlichen Pflichtaufgabe oder „freiwillig“ tätig ist. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

     

    Im zweiten Rechtsgang wird zu prüfen sein, ob entsprechend der neueren EuGH-Rechtsprechung von einer Asymmetrie zwischen den Pachteinnahmen und den Kosten, für die die Gemeinde den Vorsteuerabzug geltend macht, auszugehen ist. Hierfür könnte auch sprechen, dass die Klägerin selbst vorträgt, dass sie und die A-GmbH nicht wie wirtschaftlich orientierte Marktteilnehmer handelten. Insoweit sind insbesondere Feststellungen zu den einzelnen Kosten zu treffen, die bei der Klägerin für unbewegliches und bewegliches Anlagevermögen angefallen sind.

     

    Vor allem wird das FG zu prüfen haben, ob Pacht und Verlustausgleich, die auf einer einheitlichen vertraglichen Grundlage beruhen, nicht entsprechend dem Vorbringen des Finanzamts miteinander zu saldieren sind. Dann scheitert die Annahme einer Unternehmereigenschaft der Klägerin bereits daran, dass der Nutzungsüberlassung an die A-GmbH keinerlei Entgelt gegenübersteht, sodass von einer unentgeltlichen Überlassung an die A-GmbH auszugehen wäre.

     

    PRAXISHINWEIS |

    Der BFH prüft wie folgt:

     

    • 1. Liegt in umsatzsteuerlichem Sinn eine Leistung vor?
    • 2. Erfolgt die Leistung gegen Entgelt?
    • 3. Ist die nämliche Tätigkeit auch eine wirtschaftliche?

     

    Damit übernimmt der BFH - soweit ersichtlich erstmals - die neue Rechtsprechung des EuGH (Gemeente Borsele).

     

    Interessant ist dies vor allem deswegen, weil nach § 2 UStG eigentlich die Absicht, Gewinn zu erzielen, ohne Bedeutung ist. Damit bleibt die spannende Frage, wie im konkreten Fall die Grenzen zwischen unternehmerisch / nichtunternehmerisch zu ziehen sind.

     

     

    Fundstellen

    • EuGH, Urteil vom 12.5.16, Rs. C-520/14, Gemeente Borsele, astw.iww.de, Abruf-Nr. 188515.
    Quelle: ID 44833547