· Fachbeitrag · §§ 3, 3c UStG
Warenlieferungen im Online-Handel unter Beauftragung eines Fulfillment-Dienstleisters
| Im Online-Handel kommt es auch dann zu direkten Lieferungen an den Besteller, wenn die Auftragsabwicklung über einen Fulfillment-Dienstleister ‒ wie etwa Amazon ‒ erfolgt. |
Hintergrund: Was ist Fulfillment?
Fulfillment bedeutet „Ausführung“ oder „Erfüllung“. In der Logistik versteht man darunter die Gesamtheit aller Aktivitäten inklusive der Auftragsannahme, die der Belieferung des Kunden und der Erfüllung der sonstigen vertraglichen Pflichten dienen ‒ also den gesamten Prozess der Auftragsabwicklung. Fulfillment umfasst damit insbesondere die/den/das
- Bestellungsannahme,
- Lagerhaltung,
- Kommissionierung,
- Verpackung,
- Frankierung,
- Versand.
Darüber hinaus kann Fulfillment auch umfassen die/den/das
- Retourenmanagement,
- Ersatzteilversorgung,
- Reparatur,
- Entsorgung von Rückwaren,
- Kundenbetreuung,
- Rechnungsstellung,
- Mahnung.
Fulfillmentaufgaben werden oft von darauf besonders ausgerichteten Logistikdienstleistern übernommen (sog. Fulfillment Center).
Zumeist wird der Begriff des Fulfillments beim elektronischen Handel (E-Commerce) verwandt. Zwischen den beiden Parteien wird dazu ein Fulfillmentvertrag geschlossen, der eine enge Kommunikation und Transparenz voraussetzt. Der Logistikdienstleister übernimmt dann alle Aufgaben, die auf die Online-Bestellung folgen. Der Betreiber des Online-Shops hat alle diese Aufgaben an den Spezialisten übertragen (Rundum-Sorglos-Logistik/Business Process Outsourcing). Im Zusammenhang mit E-Business-Transaktionen spricht man auch von E-Fulfillment. Teilweise werden Dienstleistungen um den Zahlungsverkehr wie Bonitätsprüfungen oder die Abtretung von Forderungen aber auch anderen besonders spezialisierten Dienstleistern überlassen.
Der zumindest in Europa größte und bekannteste Anbieter von Fulfillment-Dienstleistungen ist wohl Amazon. Zu erwähnen sind aber auch ‒ alphabetisch geordnet ‒ Arvato, DHL, Fiege, Hermes, Kühne + Nagel sowie XPO Logistics.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Unternehmerin mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat und beliefert u. a. deutsche Privatpersonen.
Die Verkäufe erfolgen zum einen über eine eigene Internetseite der Klägerin und mit direkter Warenbewegung aus dem anderen EU-Mitgliedstaat nach Deutschland.
Zum überwiegenden Teil erfolgen die Verkäufe aber über den Versandhandel des Fulfillment-Dienstleisters F, ebenfalls mit Sitz im EU-Ausland. Die Klägerin sendet dazu ihre Ware an diverse europäische Logistikzentren des F.
Ware, die für deutsche Privatkunden bestimmt ist, wird überwiegend in deutsche Logistikzentren des F gebracht. Die Zentren können aber auch im EU-Ausland liegen. Die Logistikzentren lagern die Ware für F ein und stellen diese zum Verkauf an Endkunden bereit. Der Klägerin ist in der Regel nicht bekannt, in genau welchem Logistikzentrum sich die jeweilige Ware befindet.
Die Ware wird über F direkt an die Privatkunden verkauft. Sie wird dazu von F für den Katalog fotografiert. Kundenanfragen werden über den Kundenservice beantwortet. Der Verkauf der Ware findet ausschließlich über die EU-Website der F und deren Verkaufsprogramm statt. Auch der Versand der Ware erfolgt ohne Einwirkungen der Klägerin an die Endabnehmer/Privatkunden.
Die Namen der jeweiligen Kunden werden der Klägerin zunächst nicht mitgeteilt. Etwaige Rücksendungen unterliegen ebenfalls den Regelungen von F. Nach der vertraglichen Vereinbarung über das Inkasso durch F ist nicht nur die Einziehung des Kaufpreises, sondern auch die von Umsatzsteuern vorgesehen, über die die Klägerin von F jedoch keine gesonderte Abrechnung erhält.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist Leistungsempfänger der streitigen Lieferungen nicht der Dienstleister F, sondern der jeweilige private deutsche Besteller der von der Klägerin angebotenen Produkte. Damit sind die Umsätze der Klägerin als Lieferungen in Deutschland umsatzsteuerbar und -pflichtig.
Entscheidung
Das FG folgt der Auffassung der Finanzverwaltung. Bei den Abverkäufen aus in Deutschland belegenen Logistikzentren kommt es seitens der Klägerin zunächst zu einem innergemeinschaftlichen Verbringen der Ware aus dem EU-Ausland nach Deutschland. Sie behält zunächst alle Rechte an der Ware.
Der Dienstleister F muss sich sodann bemühen, die Ware ‒ wie im Fulfillmentvertrag vereinbart ‒ im Namen und für Rechnung der Klägerin zu verkaufen. Die Verkäufe führen zu Lieferungen. Lieferort ist Deutschland, da sich die Ware nach dem Verbringen bereits in Deutschland befindet.
Ort der von der Klägerin über ein Logistikzentrum der F im EU-Ausland erbrachten Lieferungen ist gemäß der sog. Versandhandelsregelung ebenfalls Deutschland. Wird bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, so gilt die Lieferung grundsätzlich als dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet, wenn es sich bei dem Abnehmer um eine Privatperson handelt. Die hierfür maßgebende Lieferschwelle von 100.000 EUR hat die Klägerin überschritten.
PRAXISTIPP | Das FG löst die Rechtsfragen schulmäßig und vorbildlich. Kompliziert ‒ weil weitgehend neu ‒ waren sicher die Ermittlung des Sachverhalts und dessen Wiedergabe im Urteil. Sodann konnte das Gericht aber auf „einfache Bordmittel“ ‒ nämlich die Lieferortsbestimmungen ‒ zurückgreifen.
Zu einer anderen Beurteilung ‒ nämlich keinerlei umsatzsteuerliche Pflichten für K ‒ wäre das Gericht sicher dann gekommen, wenn K die Ware vorab an F verkauft und F diese dann seinerseits in eigenem Namen und für eigene Rechnung an die Privatkunden verkauft hätte. |
Anmerkung
Das Urteil ist anonymisiert. Der Sachverhalt lässt jedoch den Schluss zu, dass es sich bei dem beschriebenen Fulfillment-Dienstleister um Amazon handelt. Das Urteil zeigt also als eines der ersten die umsatzsteuerlichen Folgen auf, die Verkäufe über Amazon für die Auftraggeber haben.
Fundstelle
- FG Düsseldorf 11.10.19, 1 K 2693/17 U, rkr., iww.de/astw, Abruf-Nr. 217655