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  • · Fachbeitrag · §§ 1 und 15 UStG

    Vorsteuerabzug einer Kurgemeinde

    Sachverhalt

    Die Steuerpflichtige, eine auf einer Insel gelegene Gemeinde mit eigenen Strandabschnitten, unterhält einen Eigenbetrieb Kurverwaltung (Kurbetrieb), der körperschaftsteuerrechtlich ein Betrieb gewerblicher Art (BgA) ist. Unternehmensgegenstand des BgA ist nach der Betriebssatzung die Erfüllung aller mit dem Kurbetrieb verbundenen Aufgaben in der Gemeinde. Zur Finanzierung der Tätigkeit erhebt die Steuerpflichtige eine Kurtaxe sowie eine weitere Abgabe (Fremdenverkehrsabgabe bzw. Tourismusabgabe).

     

    Die Satzung der Steuerpflichtigen für die Kurtaxe sieht vor, dass die Gemeinde zur Deckung eines bestimmten Prozentsatzes des Aufwands für die Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen eine Kurabgabe erhebt. Für die Benutzung von Einrichtungen und für Veranstaltungen, die besondere Aufwendungen erfordern, kann daneben ein besonderes Entgelt erhoben werden.

     

    Kurabgabepflichtig sind alle ortsfremden Personen, die sich im Erhebungsgebiet aufhalten, ohne dort ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort zu haben, und die die Möglichkeit zur Nutzung der Kur- und Erholungseinrichtungen haben. Die Kurabgabe ist unabhängig davon zu zahlen, ob und in welchem Umfang die Einrichtungen genutzt werden.

     

    An Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Erhebungsgebiet haben, sowie an die nach der Satzung von der Kurabgabe befreiten Personen können Einwohnerkarten durch die Kurverwaltung ausgegeben werden. Die Einwohnerkarten sind als Berechtigungsnachweis bei jeder Strandbenutzung mitzuführen und bei Kontrollen dem Aufsichtspersonal vorzuzeigen.

     

    Die Kurabgabe in Höhe eines in der Satzung festgelegten Betrags, der unter weiteren Voraussetzungen ermäßigt werden kann, entsteht im Regelfall mit der Ankunft im Erhebungsgebiet und ist unmittelbar nach der Ankunft des Kurabgabepflichtigen an den Beherbergungsbetrieb zu entrichten.

     

    Der Kurabgabepflichtige erhält nach Zahlung der Kurabgabe vom Beherbergungsbetrieb eine Gästekarte. Diese ist auf Verlangen des Aufsichtspersonals vorzuzeigen. Sie gilt für die Dauer eines ununterbrochenen Aufenthalts.

     

    Jahresgästekarten, für die eine höhere Kurabgabe anfällt, gelten für das gesamte Kalenderjahr und werden (ebenso wie die kostenlosen Einwohnerkarten) von der Kurverwaltung ausgegeben.

     

    Daneben existiert eine erhöhte Tageskurabgabe, die von jedem, der bei der Kontrolle keine gültige Gästekarte oder Einwohnerkarte vorweisen kann (Tagesgast), an die Kontrolleure der Kurverwaltung zu entrichten ist.

     

    Die für die Fremdenverkehrswerbung in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zog die Steuerpflichtige in der Annahme, dass sie mit ihrem Kurbetrieb gegen Kurabgabe wirtschaftlich tätig sei, weil die Kurabgabe Entgelt für die Bereitstellung der Kureinrichtungen sei, in vollem Umfang als Vorsteuer ab.

     

    Das Finanzamt führte bei der Kurverwaltung eine Außenprüfung durch. Im Prüfungsbericht ist unter anderem festgehalten, dass die Steuerpflichtige im Rahmen ihres BgA unternehmerisch und damit wirtschaftlich tätig sei. Daneben sei sie auch nichtwirtschaftlich tätig. Der Prüfer vertrat weiter die Auffassung, ein Teil der Kosten für die Fremdenverkehrswerbung entfalle auf nichtwirtschaftliche Tätigkeiten der Steuerpflichtigen, da von der Werbung auch die Gemeinde als solche profitiere. Folglich sei der Vorsteuerabzug nicht in vollem Umfang zulässig. Für einen anteiligen Vorsteuerabzug sei als Aufteilungsschlüssel (ähnlich einem Umsatzschlüssel) das Verhältnis der Einnahmen aus der Fremdenverkehrsabgabe zur Summe der Fremdenverkehrsabgabe und der Kurabgabe sachgerecht. Das Finanzamt folgte der Rechtsauffassung des Prüfers und setzte aufgrund der Kürzung des Vorsteuerabzugs die Umsatzsteuer in für die Streitjahre entsprechend höher fest.

     

    Entscheidung

    Soweit in Bezug auf den „Kurbetrieb“ zwischen den Beteiligten nach Ergehen des EuGH-Urteils „Gemeinde A“ vom 13.7.2023 Streit darüber entstanden ist, ob diese Voraussetzungen bei der Überlassung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe durch die Steuerpflichtige vorliegen, teilt der Senat trotz des EuGH-Urteils die Einschätzung des FG, dass dies aufgrund der festgestellten Tatsachen der Fall ist.

     

    Der BFH ging vor Ergehen des EuGH-Urteils „Gemeinde A“ in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Gemeinde mit der Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe steuerbare Umsätze ausführt. Auf die Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden (§ 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 2 UStG).

     

    Daran hält der BFH für die hier vorliegende Fallgruppe,

    • dass die Kurtaxe für die Nutzung von Kureinrichtungen gezahlt wird,
    • die nicht für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind,

     

    ausdrücklich fest (Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. zur Abgrenzung BFH 18.10.23, XI R 21/23). Der Einwand des FA, dass die Kurtaxe satzungsgemäß pro Aufenthaltstag erhoben werde und nicht an die tatsächliche Nutzung einer Kureinrichtung geknüpft sei, führt zu keiner anderen Beurteilung.

     

    Der EuGH hat zwar im Urteil „Gemeinde A“ entschieden, dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde keine „Dienstleistung gegen Entgelt“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn die Gemeinde von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten, aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, wobei die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Taxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist, und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind. Der BFH ist dieser Beurteilung im Urteil vom 18.10.2023 gefolgt.

     

    Entscheidend hierfür ist allerdings nicht, wie das FA meint, dass die Zahlung der Kurtaxe an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist, sondern dass die Kurtaxeschuldner keine anderen Vorteile haben als Personen, die diese Kureinrichtungen benutzen und nicht kurtaxepflichtig sind. Denn soweit der EuGH den BFH darauf hingewiesen hat, dass aus seiner Sicht die Zahlung der Kurtaxe nur an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft sei und nicht an die Möglichkeit zur Nutzung von Kureinrichtungen, trifft dies nach nationalem Recht nicht zu.

     

    Die Kurtaxe ist als Beitrag zu den Sondervorteilen gestaltet, die den Kurgästen durch die besonderen Einrichtungen der Gemeinde für Kurzwecke, insbesondere zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit der Kurgäste, zugänglich gemacht werden. Dabei ist es zulässig, die Kurtaxe von der Möglichkeit der Benutzung der Kureinrichtungen abhängig zu machen. Aus dem Eigentum an einer Zweitwohnung im Kurgebiet kann die widerlegliche Vermutung hergeleitet werden, der Eigentümer benutze die Wohnung für eigene Kur- und Erholungszwecke. Ortsfremde, die sich als Tagesgäste in dem als Kurort anerkannten Gebiet aufhalten, können ebenfalls zur Zahlung eines Kurbeitrags herangezogen werden. Die Freistellung der Gemeindebewohner von der Kurabgabepflicht ist dadurch gerechtfertigt, dass sie zum Steueraufkommen der Gemeinde aus der Einkommen- und Gewerbesteuer beitragen.

     

    Dass die Leistungen an die Tagesgäste von der Steuerpflichtigen teilweise unbeabsichtigt erbracht werden, weil sie erst aufgrund von Ermittlungen der Kontrolleure festgestellt werden, ist für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Steuerpflichtige unerheblich.

     

    Beachten Sie | Der BFH bestätigt mit dem Urteil seine bisherige Rechtsprechung und grenzt diese sowohl zum EuGH-Urteil „Gemeinde A“ als auch zum eigenen Folgeurteil ab.

     

    Anmerkung

    Im Besprechungsurteil hat der BFH darüber hinaus ausgeführt:

     

    • Falls eine Kurgemeinde bei der Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe auf öffentlich-rechtlicher Grundlage handelt, ist sie nur dann als Unternehmerin tätig, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

     

    • Eine Gemeinde unterhält umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen, sodass in dem gegenüber der Gemeinde zu erlassenden Umsatzsteuerbescheid alle wirtschaftlichen Tätigkeiten der Gemeinde zu erfassen sind; dazu gehören z. B. auch Umsätze im Bereich der Vermögensverwaltung oder steuerpflichtige Beistandsleistungen.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 50047638

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