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  • · Fachbeitrag · § 2 UStG

    Innenumsätze auch weiterhin nicht umsatzsteuerbar (EuGH)

    Organschaftliche Innenumsätze unterliegen auch dann nicht der Mehrwertsteuer, wenn die vom Empfänger dieser Leistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf.

     

    Hintergrund

    Ein seltener Fall ‒ der EuGH wurde vom BFH zum zweiten Mal mit demselben Sachverhalt befasst:

     

    • Durch ein erstes Vorabentscheidungsersuchen war zu klären, ob die deutsche Regelung zur Organschaft überhaupt unionsrechtskonform ist und ob es zu einer Entnahmebesteuerung kommt. Nachdem der EuGH diese Fragen geklärt hatte, durfte der BFH davon ausgehen, dass die nationale Regelung zur Organschaft dem Grunde nach unionsrechtskonform ist und es im Streitfall zu keiner Entnahmebesteuerung kommt.

     

    • Aufgrund weiterer EuGH-Urteile stellten sich dem BFH neue Vorlagefragen. Durch ein zweites Vorabentscheidungsersuchen war für den Streitfall zu klären, ob die Innenumsätze entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen und damit umsatzsteuerbar sind.

     

    Sachverhalt

    Die Steuerpflichtige ist eine deutsche Stiftung öffentlichen Rechts. Als Trägerin einer Universität, die auch einen Bereich für Universitätsmedizin unterhält, ist sie zudem Organträgerin der U-GmbH.

     

    Im Streitjahr erbrachte die U-GmbH für die Steuerpflichtige Reinigungs-, Hygiene-/Wäscherei- und Patiententransportleistungen. Die Reinigungsleistungen umfassten den gesamten Gebäudekomplex des Bereichs Universitätsmedizin, zu dem neben den Patientenzimmern, den Fluren und den Operationssälen auch die Hörsäle und die Labore gehören.

     

    Die Steuerpflichtige übt in diesem Gebäudekomplex wirtschaftliche Tätigkeiten aus, für welche sie der Mehrwertsteuer unterliegt, nutzt aber Hörsäle und andere Räume des Komplexes für die Ausbildung der Studierenden und damit für den hoheitlichen Bereich, für den sie nicht als Mehrwertsteuerpflichtige gilt. Der Flächenanteil des hoheitlichen Bereichs betrug 7,6 % der Gesamtfläche des Gebäudekomplexes.

     

    Im Anschluss an eine Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die Steuerpflichtige Organträgerin ihrer Betriebe sei. Es handele sich um ein einheitliches Unternehmen, für das nur eine Umsatzsteuererklärung abzugeben und dementsprechend nur ein Umsatzsteuerbescheid zu erteilen sei.

     

    Die von der U-GmbH für die Steuerpflichtige erbrachten Reinigungsleistungen seien als Umsätze anzusehen, die innerhalb der zwischen der Steuerpflichtigen und der U-GmbH bestehenden Organschaft erbracht worden seien und damit nicht der Mehrwertsteuer unterlägen.

     

    Der BFH hielt es für erforderlich, den EuGH im Rahmen des Rechtsstreits erneut anzurufen und mit der Frage zu befassen, ob gegen Entgelt erbrachte Leistungen, die zwischen Personen derselben Mehrwertsteuergruppe erbracht werden, dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen. Hierüber bestehe in Anbetracht der weiteren neueren Rechtsprechung des EuGH Unsicherheit. Es stelle sich außerdem die Frage, ob solche Leistungen nicht wenigstens dann der Mehrwertsteuer unterliegen sollten, wenn der Leistungsempfänger nicht oder nur teilweise berechtigt ist, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, und zwar um die „Gefahr von Steuerverlusten“ zu vermeiden.

     

    Entscheidung

    Die Gleichstellung einer Mehrwertsteuergruppe mit einem einzigen Steuerpflichtigen schließt aus, dass die Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihrer Gruppe weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen abzugeben. Diese Vorschrift setzt somit, wenn ein Mitgliedstaat von ihr Gebrauch macht, zwingend voraus, dass die nationale Umsetzungsregelung einen einzigen Steuerpflichtigen vorsieht und dass der Gruppe nur eine Mehrwertsteuernummer zugeteilt wird.

     

    Wie der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen ausgeführt hat, folgt daraus, dass ein Leistender, der einer Mehrwertsteuergruppe angehört, nicht einzeln als von dieser Gruppe getrennter Steuerpflichtiger betrachtet werden kann, sodass nicht bestimmt zu werden braucht, ob er die Voraussetzung der Selbstständigkeit der Mehrwertsteuer-Richtlinie erfüllt, wenn er für eine andere Einheit dieser Gruppe gegen Entgelt eine Leistung erbringt. Eine solche Leistung kann folglich nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen.

     

    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Mehrwertsteuerausschuss in den Leitlinien die gleiche Auffassung in Bezug auf die Mehrwertsteuergruppe vertreten hat. Nach diesen Leitlinien schließt die Behandlung einer Mehrwertsteuergruppe als einzige Steuerpflichtige aus, dass die Mitglieder dieser Gruppe weiterhin innerhalb und außerhalb ihrer Gruppe für Zwecke der Mehrwertsteuer als getrennte Steuerpflichtige behandelt werden. Ein solches Dokument hat zwar keinen bindenden Charakter, stellt aber gleichwohl eine Hilfe bei der Auslegung der Mehrwertsteuer-Richtlinie dar.

     

    Letztlich stellt der EuGH klar, dass sich die Gefahr von Steuerverlusten in erster Linie nicht aus der Anwendung besonderer Voraussetzungen des Rechts eines Mitgliedstaats auf die Regelung über die Mehrwertsteuergruppe, sondern aus der Anwendung über den Abzug der geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer ergibt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Alles bleibt so, wie es war! Auf den ersten Blick ist das Urteil damit unspektakulär ‒ auf den zweien Blick jedoch von enormer wirtschaftlicher Bedeutung.

     

    Fundstelle

    • Schlussanträge des Generalanwalts Athanasios Rantos vom 16.5.24
    Quelle: ID 50124245