Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · § 2 UStG

    Neue Möglichkeiten zur Steuergestaltung für jPöR und Non-Profit-Organisationen

    Die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ergebende Steuerschuldnerschaft des Organträgers ist unionsrechtskonform. Entgeltliche Leistungen, die eine Organgesellschaft an den Organträger erbringt, sind entsprechend der bisherigen BFH-Rechtsprechung nicht steuerbar. Erbringt eine Organgesellschaft Leistungen gegen Entgelt an den Organträger, lässt die Nichtsteuerbarkeit das Entgelt nicht entfallen, sodass es mangels Unentgeltlichkeit nicht zu einer Entnahmebesteuerung gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG beim Organträger kommt (insoweit Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

     

    Hintergrund

    Ein seltener Fall: Der EuGH wurde vom BFH mit dem (unveränderten) Sachverhalt des Besprechungsurteils gleich zweimal befasst (vgl. AStW 9/2024, 604).

     

    Sachverhalt

    Die Steuerpflichtige ist eine deutsche Stiftung öffentlichen Rechts. Als Trägerin einer Universität, die auch einen Bereich für Universitätsmedizin unterhält, ist sie zudem Organträgerin der U-GmbH.

     

    Im Streitjahr erbrachte die U-GmbH für die Steuerpflichtige Reinigungs-, Hygiene- und Wäscherei- sowie Patiententransportleistungen. Die Reinigungsleistungen umfassten den gesamten Gebäudekomplex des Bereichs Universitätsmedizin, zu dem neben den Patientenzimmern, den Fluren und den Operationssälen auch die Hörsäle und die Labore gehörten.

     

    Die Steuerpflichtige übte in diesem Gebäudekomplex wirtschaftliche Tätigkeiten aus, für welche sie der Mehrwertsteuer unterlag, nutzte aber Hörsäle und andere Räume des Komplexes für die Ausbildung der Studierenden und damit für den hoheitlichen Bereich, für den sie nicht als Mehrwertsteuerpflichtige galt. Der Flächenanteil des hoheitlichen Bereichs betrug 7,6 % der Gesamtfläche des Gebäudekomplexes.

     

    Im Anschluss an eine Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die Steuerpflichtige Organträgerin ihrer Betriebe sei. Es handele sich um ein einheitliches Unternehmen, für das nur eine Umsatzsteuererklärung abzugeben und dementsprechend nur ein Umsatzsteuerbescheid zu erteilen sei.

     

    Die von der U-GmbH für die Steuerpflichtige erbrachten Reinigungsleistungen seien als Umsätze anzusehen, die innerhalb der zwischen der Steuerpflichtigen und der U-GmbH bestehenden Organschaft erbracht worden seien und damit nicht der Mehrwertsteuer unterlägen.

     

    Der BFH hielt es für erforderlich, den EuGH im Rahmen des Rechtsstreits erneut anzurufen und mit der Frage zu befassen, ob gegen Entgelt erbrachte Leistungen, die zwischen Personen derselben Mehrwertsteuergruppe erbracht werden, dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen. Es stelle sich außerdem die Frage, ob solche Leistungen nicht zumindest dann der Mehrwertsteuer unterliegen sollten, wenn der Leistungsempfänger nicht oder nur teilweise berechtigt ist, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, um die „Gefahr von Steuerverlusten“ zu vermeiden. Beides verneinte der EuGH mit Urteil vom 11.7.2024.

     

    Entscheidung

    Der BFH folgt dem EuGH vollinhaltlich. Die Gleichstellung einer Mehrwertsteuergruppe mit einem einzigen Steuerpflichtigen schließt aus, dass die Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe weiterhin getrennt Umsatzsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihrer Gruppe weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen abzugeben. Diese Vorschrift setzt somit, wenn ein Mitgliedstaat von ihr Gebrauch macht, zwingend voraus, dass die nationale Umsetzungsregelung einen einzigen Steuerpflichtigen vorsieht.

     

    Keine Besteuerung der Innenumsätze

    Ist eine Organschaft zu bejahen, sind entgeltliche Leistungen, die eine Organgesellschaft an den Organträger erbringt, entsprechend der ständigen BFH-Rechtsprechung nicht steuerbar.

     

    Daraus folgt, dass ein Leistender, der einer Mehrwertsteuergruppe angehört, nicht einzeln als von dieser Gruppe getrennter Steuerpflichtiger betrachtet werden kann, sodass nicht bestimmt zu werden braucht, ob er die Voraussetzung der Selbstständigkeit i. S. d. Mehrwertsteuer-Richtlinie erfüllt, wenn er für eine andere Einheit dieser Gruppe gegen Entgelt eine Leistung erbringt. Eine solche Leistung kann folglich nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen.

     

    Der Mehrwertsteuerausschuss hat in den Leitlinien die gleiche Auffassung in Bezug auf die Mehrwertsteuergruppe vertreten. Leitlinien haben zwar keinen bindenden Charakter, stellen aber gleichwohl eine Hilfe bei der Auslegung der Mehrwertsteuer-Richtlinie dar.

     

    Keine Besteuerung der Entnahmen

    Letztlich stellt der BFH auch klar, dass sich die Gefahr von Steuerverlusten in erster Linie nicht aus der Anwendung besonderer Voraussetzungen des Rechts eines Mitgliedstaats auf die Regelung über die Mehrwertsteuergruppe ergibt, sondern aus der Anwendung über den Abzug der geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer.

     

    Das FG hat daher die Entnahmebesteuerung im Hinblick auf die Entgeltlichkeit der von der U-GmbH erbrachten Leistungen zutreffend verneint. Erbringt eine Organgesellschaft Leistungen gegen Entgelt an den Organträger, lässt die Nichtsteuerbarkeit das Entgelt nicht entfallen, sodass es mangels Unentgeltlichkeit nicht zu einer Entnahmebesteuerung gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG beim Organträger kommt.

     

    Relevanz für die Praxis

    Alles bleibt so, wie es war! Auf den ersten Blick ist das Urteil damit wenig spektakulär.

     

    Auf den zweiten Blick ist es jedoch von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Denn aus dem Urteil ergeben sich für jPöR und Non-Profit-Organisationen neue Möglichkeiten zur Steuergestaltung. Zukünftig können Personalkosten (selbst nicht vorsteuerbelastet!) oder Regieaufschläge ohne Umsatzsteuer an den Organträger ‒ also die jPöR oder die Non-Profit-Organisation ‒ weiterberechnet werden. Und das ist auch gut so! Denn dieses Ergebnis unterstützt die Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer. Unternehmen sollen durch die Organschaft ein Vehikel bekommen, das trotz untergliederter Unternehmensstruktur unbesteuerte Leistungsbeziehungen erlaubt.

     

    Fundstelle

    • Schlussanträge des Generalanwalts Athanasios Rantos vom 16.5.24
    Quelle: ID 50274974