· Fachbeitrag · § 25b UStG
„Verunglücktes Dreiecksgeschäft“: Rechnungsberichtigung rückwirkend möglich
| Formell fehlerhaft behandelte innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte können durch Rechnungsberichtigung und entsprechende Änderung der Zusammenfassenden Meldung rückwirkend geheilt werden. |
Sachverhalt
In den Streitjahren betrieb der Kläger einen Großhandel mit Maschinen. Die Maschinen wurden vom Kläger bei europäischen Herstellern bestellt und von dort direkt an Kunden in verschiedenen Mitgliedstaaten, insbesondere Polen, geliefert.
Die Versendung erfolgte entweder durch den Kläger oder durch die Hersteller unter Verwendung der Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer ihres Ansässigkeitsstaats, wobei der Kläger seinen Kunden nie bereits vor der Warenbewegung die Verfügungsmacht an den Maschinen übertrug. Auch die Endkunden verwendeten jeweils die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummern ihres Ansässigkeitsstaats.
Die Lieferungen aus anderen Mitgliedstaaten behandelte der Kläger in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre auf der Eingangsseite als umsatzsteuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe und machte zugleich den Vorsteuerabzug geltend. Die Weiterlieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet behandelte er als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen und erteilte seinen Kunden eine entsprechende Rechnung.
Die Finanzverwaltung stimmte den Umsatzsteuererklärungen zunächst zu. Die Zusammenfassenden Meldungen enthielten zunächst ‒ wie auch die Rechnungen an die Kunden ‒ jeweils keine Hinweise auf innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung kamen die Prüfer dann aber zu dem Ergebnis, dass innergemeinschaftliche Reihengeschäfte vorlägen.
Mehrere Unternehmen hätten Umsatzgeschäfte über denselben Gegenstand geschlossen, bei denen der Liefergegenstand im Rahmen ‒ nur ‒ einer Beförderung oder Versendung unmittelbar vom Hersteller an den Endkunden gelangt sei. Die Beförderung oder Versendung könne aber jeweils nur einer Lieferung zugeordnet werden (sog. „bewegte Lieferung“), für die unter den weiteren Voraussetzungen die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in Betracht komme. Dies sei jeweils die Lieferung der Hersteller an den Kläger.
In Bezug auf die Lieferungen des Klägers bzw. Unternehmers an seine Kunden liege der Ort der Leistung im Abnehmerstaat, wo die Beförderung oder Versendung ende (sog. „ruhende Lieferung“). Hier hätte sich der Unternehmer jeweils für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren und seine Umsätze aus den Lieferungen an die Kunden erklären müssen. Er hätte zusätzlich im jeweiligen Abnehmerstaat einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern müssen.
Von der umsatzsteuerlichen Vereinfachungsregel für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte habe der Unternehmer keinen Gebrauch gemacht. Denn für die Anwendung hätte er die Unternehmereigenschaft des letzten Abnehmers prüfen müssen und in der Rechnung an den letzten Abnehmer auf das Dreiecksgeschäft und die übergegangene Steuerschuldnerschaft hinweisen müssen. Zudem hätte es eine entsprechende Deklaration in der Zusammenfassenden Meldung geben müssen. Diese Voraussetzungen habe der Kläger jedoch nicht erfüllt. Er habe in den Rechnungen die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung vermerkt und auch dementsprechend in der Zusammenfassenden Meldung angegeben.
Da die Versteuerung der zweiten Lieferung im jeweiligen Zielstaat bisher unterblieben sei, gelte der steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerb des Klägers nach Auffassung der Prüfer solange in Deutschland als bewirkt, bis durch den Kläger nachgewiesen sei, dass der Erwerb im jeweiligen Zielstaat besteuert worden ist oder als besteuert gilt. Aus der Versteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs stehe dem Kläger kein Recht auf Vorsteuerabzug zu.
Der Kläger erteilte daraufhin berichtigte Rechnungen und übermittelte die berichtigten Zusammenfassenden Meldungen an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Streitig ist, ob dadurch die zunächst formell fehlerhaft behandelten innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfte mit Rückwirkung umsatzsteuerlich korrigiert werden konnten.
Entscheidung
Die Klage war nach Auffassung des FG Münster begründet. Die Besteuerungsvereinfachung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte kommt mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung der Rechnung zur Anwendung.
Zur Begründung weist das Finanzgericht darauf hin, dass eine Rechnungsberichtigung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Zwecke des Vorsteuerabzugs Rückwirkung entfaltet. Dabei hat der BFH auch ausdrücklich entschieden, dass eine Rechnung, die den Anforderungen von § 14a UStG nicht entspricht, mit Rückwirkung berichtigt werden kann.
Es sind keine Gründe zu erkennen, warum eine Rechnungsberichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzugs Rückwirkung entfalten soll, eine Rechnungsberichtigung im Zusammenhang mit innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften hingegen nicht.
Vielmehr hat der EuGH auch im Zusammenhang mit innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften klargestellt, dass nach dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität die Nichterfüllung von formellen Anforderungen nicht dazu führt, dass die Anwendung von Regelungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie infrage gestellt wird, wenn die in der Regelung aufgeführten materiellen Voraussetzungen im Übrigen erfüllt sind.
Der Kläger ist darüber hinaus auch seiner besonderen Erklärungspflicht im Rahmen der Zusammenfassenden Meldungen nachträglich nachgekommen.
Zur weiteren Begründung schließt sich das Gericht ausdrücklich der Begründung des FG Rheinland-Pfalz zu einem gleichgelagerten Sachverhalt an.
PRAXISTIPP | Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, u. a. weil zu der Frage bereits ein Revisionsverfahren beim BFH gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 28.11.2019 anhängig ist. |
Fundstellen
- FG Münster 22.4.20, 15 K 1219/17 U, Rev. beim BFH unter XI R 14/20, iww.de/astw, Abruf-Nr. 218782