· Fachbeitrag · § 4 UStG
Einlagerung kryokonservierter Ei- und Samenzellen ist umsatzsteuerfrei
| Die Einlagerung eingefrorener Ei- und Samenzellen zum Zweck der medizinisch indizierten künstlichen Befruchtung stellt auch dann eine steuerfreie Heilbehandlung dar, wenn die Lagerung von einem anderen Unternehmer durchgeführt wird als die Fruchtbarkeitsbehandlung. |
Sachverhalt
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war eine GbR, an der mehrere Frauenärzte beteiligt waren. Diese betrieben ebenfalls eine Partnerschaftsgesellschaft, die Kinderwunschbehandlungen anbot. Im Fall der Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen wurde die Einlagerung von der GbR auf Grundlage eines von dieser mit den Patienten gesondert abgeschlossenen Vertrags vorgenommen. Die GbR behandelte Umsätze als steuerfreie Heilbehandlungen.
Das FA folgte dem nicht, da nicht nachgewiesen worden sei, dass in allen Fällen eine Einlagerung aus medizinischem Anlass erfolgt sei. Die Lagerung von Eizellen oder Spermien ohne medizinischen Anlass (vorsorgliches Einfrieren von unbefruchteten Eizellen zur Erfüllung eines späteren Kinderwunsches, sog. social freezing) sei keine Heilbehandlung. Zudem könne eine Lagerung nur dann umsatzsteuerfrei sein, wenn sie vom selben Unternehmer erbracht werde, der auch die Heilbehandlung durchführe.
Die Klägerin führte demgegenüber an, dass sie keine Einlagerungen ohne Heilbehandlung durchgeführt habe. Die ärztliche Partnerschaftsgesellschaft habe kein social freezing angeboten. Die Fruchtbarkeitsbehandlung sei auch immer im engen zeitlichen Zusammenhang vorgenommen worden, da anderenfalls die Eizellen abstürben.
Entscheidung
Das FG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Das Gericht hat zunächst klargestellt, dass eine Kryokonservierung von Eizellen und Spermien nur bei einer organisch bedingten Sterilität als umsatzsteuerfreie Heilbehandlung anzusehen sei.
Bei einem social freezing sei die Einlagerung dagegen steuerpflichtig. Von letzterem sei im Streitfall jedoch anhand der vorgelegten anonymisierten Patientenunterlagen nicht auszugehen.
Der Steuerfreiheit stehe nicht entgegen, dass die Einlagerungsleistung von einem anderen Unternehmer erbracht wurde als die Fruchtbarkeitsbehandlung. Maßgeblich sei vielmehr, dass das gesamte Verfahren einem therapeutischen Zweck diene. Dies sei vorliegend der Fall, denn die Einlagerung stelle einen unerlässlichen Bestandteil des Gesamtverfahrens der künstlichen Befruchtung dar. Hinzu komme, dass es sich bei den beiden Unternehmern um Gesellschaften handelte, an denen jeweils dieselben Personen beteiligt waren.
PRAXISTIPP | Das FG hat vor dem Hintergrund, dass er entgegen einer Regelung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass entschieden hat, die Revision zum BFH zugelassen. |
Fundstelle
- FG Münster 6.2.20, 5 K 158/17 U, iww.de/astw, Abruf-Nr. 215168