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  • · Fachbeitrag · § 4 UStG

    Steuerpflicht der Vermittlung zunächst unbestimmter Umsätze

    Ein Klarierungsagent (Schiffsmakler), der zur Klarierung eines bestimmten Seeschiffes (Schiffsabfertigung und -versorgung) einen Hafendienstleister darüber informiert, dass die Schifffahrtsgesellschaft ihn mit der Erbringung von ‒ zu diesem Zeitpunkt nur teilweise feststehenden ‒ Leistungen beauftragen wird, stellt den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her, sodass nur eine Vermittlungsleistung vorliegt. Es liegen nicht mehrere Einzelvermittlungen in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen vor. Diese Vermittlungsleistung ist nicht gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i. V. m. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des geschäftlichen Kontakts zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschließend bestimmter Umsätze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.

     

    Hintergrund

    Unter Klarierung versteht man die Abfertigung und Versorgung von Seeschiffen. Ein Klarierungsagent tritt im Auftrag des Reeder oder Befrachters im Lade- oder Löschhafen auf. Er kümmert sich für ein- oder auslaufende Seeschiffe insbesondere um

    • die Abfertigung gegenüber den Behörden wie dem Hafenamt, dem Hafengesundheitsamt, dem Zoll oder der Einwanderungsbehörde,
    • die Bestellung und Koordinierung von Schleppern, Lotsen und Festmachern,
    • die Lieferungen von Schiffsbedarf (Proviant, Ersatzteile),
    • die Beförderung der Schiffspost,
    • die ärztliche Versorgung von Besatzungsmitgliedern.

     

    Sachverhalt

    Die Steuerpflichtige betrieb in den Jahren 2014 bis 2016 (Streitjahre) eine Seehafen-Spedition. Sie erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit der Klarierung von Seeschiffen. Hierfür beauftragten die Reedereien oder die Schifffahrtsgesellschaften einlaufender Seeschiffe einen ‒ auch als Schiffsmakler bezeichneten ‒ Klarierungsagenten. Im Namen und für Rechnung der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft beauftragte der jeweilige Klarierungsagent seinerseits die Steuerpflichtige, schiffs- und besatzungsbezogene Dienstleistungen zu erbringen, die der Klarierung des jeweiligen Seeschiffes dienten. Hierbei informierte er die Steuerpflichtige per E-Mail über die bereits von der Schifffahrtsgesellschaft beauftragten Leistungen. Teils beauftragten die jeweilige Schifffahrtsgesellschaft oder Schiffsbesatzung während der Liegezeit weitere Leistungen. Bei jedem Schiffseinlauf erbrachte die Steuerpflichtige bis zu 70 unterschiedliche Leistungen.

     

    Die Steuerpflichtige rechnete ‒ getrennt nach steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen ‒ gegenüber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft ab, wobei sie die Rechnungen an den Klarierungsagenten sandte. Die Rechnungen wurden Bestandteil der Hafenkostenabrechnung, mit welcher der Klarierungsagent gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Klarierung abrechnete.

     

    Der Klarierungsagent erhielt von der Steuerpflichtigen eine Vermittlungsprovision, die sich nach einem prozentualen Anteil an dem Entgelt berechnete, das die Steuerpflichtige für die von ihr gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft erbrachten Leistungen in Rechnung stellte. Über diese Provision erteilte die Steuerpflichtige dem Klarierungsagenten ‒ getrennt nach den erbrachten steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen ‒ Gutschriften und wies dabei Umsatzsteuer aus, auch soweit die Provision auf die Erbringung steuerfreier Umsätze berechnet wurde.

     

    Im Anschluss an eine Außenprüfung versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug aus den Vermittlungsleistungen zu etwa 25 %, da die Steuerpflichtige die Vermittlungsleistungen insoweit zur Erbringung von Leistungen verwendet habe, die gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i. V. m. § 4 Nr. 2 und § 8 UStG steuerfrei gewesen seien, und erließ für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

     

    Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht ab. Ein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe nicht, da die Vermittlungsleistungen steuerfrei seien, soweit sie sich auf vermittelte steuerfreie Leistungen bezögen.

     

    Hiergegen wendet sich die Steuerpflichtige mit der vom FG zugelassenen Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe auch für den Provisionsanteil, der auf die Erbringung steuerfreier Leistungen entfalle. Die Klarierungsagenten hätten eine einheitliche Vermittlungsleistung erbracht, die sich auf die Vermittlung steuerpflichtiger und steuerfreier Umsätze bezogen habe und daher insgesamt steuerpflichtig sei.

     

    Entscheidungsgründe

    Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben.

     

    Ein Klarierungsagent (Schiffsmakler), der zur Klarierung eines bestimmten Seeschiffes (Schiffsabfertigung und -versorgung) einen Hafendienstleister darüber informiert, dass die Schifffahrtsgesellschaft ihn mit der Erbringung von ‒ zu diesem Zeitpunkt nur teilweise feststehenden ‒ Leistungen beauftragen wird,

    • stellt den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her,
    • so dass nur eine Vermittlungsleistung vorliegt,
    • nicht aber mehrere Einzelvermittlungen in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen.

     

    So verhält es sich im Streitfall, in dem der jeweilige Klarierungsagent die Steuerpflichtige informierte, dass die Schifffahrtsgesellschaft sie mit der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Klarierung eines von ihm der Steuerpflichtige benannten einlaufenden Seeschiffes beauftragen werde. Die Steuerpflichtige erbrachte sodann

    • bis zu 70 einzelne steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen, deren Bedarf
    • teilweise bereits feststand, als sie über den Schiffseinlauf informiert wurde, und die
    • teilweise nachträglich ‒ auch durch die Schiffsbesatzung ‒ in Auftrag gegeben wurden.

     

    Dass der Klarierungsagent die Steuerpflichtige bei Gelegenheit der Vermittlung über einzelne, von der Schifffahrtsgesellschaft bereits angeforderte Leistungen informierte, steht der Einheitlichkeit des einen Vermittlungsvorgangs nicht entgegen.

     

    Diese Vermittlungsleistung ist steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des geschäftlichen Kontakts

    • zu einer Vielzahl verschiedener,
    • zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschließend bestimmter Umsätze kommt,
    • die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.

     

    Steuerfrei ist die Vermittlung der Umsätze für die Seeschifffahrt. Diese Steuerbefreiung dient der Umsetzung von Art. 153 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Die Tatbestandsvoraussetzungen der in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen stellen autonome unionsrechtliche Begriffe dar und sind als Ausnahmevorschriften eng auszulegen.

     

    Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine Vermittlung vor, wenn eine Mittelsperson, die nicht den Platz einer der Parteien des zu vermittelnden Vertrags einnimmt und deren Tätigkeit sich von den vertraglichen Leistungen, die von den Parteien dieses Vertrags erbracht werden, unterscheidet, das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen. Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln

     

    Eine Vermittlungsleistung kann auch darin bestehen, die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags zu vermitteln, ohne dass der Inhalt dieses Vertrags bereits feststehen muss („Tippgeber“).

     

    Dies ist auch dem Begriff des Vermittlers zugrunde zu legen, da für das Erfordernis einer hiervon abweichenden Begriffsbildung in diesem Bereich keine sachlichen Gründe vorliegen. Daher muss die steuerfreie Vermittlungsleistung im Streitfall einen eindeutigen Bezug zu konkreten Umsätzen i. S. v. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 UStG aufweisen.

     

    Es genügt nicht, dass lediglich ein geschäftlicher Kontakt ‒ zu einem (1) Kunden ‒ vermittelt wird, in dessen Folge es zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht konkretisierter Umsätze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.

     

    Die demgegenüber vom Finanzgericht ‒ auf der unzutreffenden Grundlage einer Mehrzahl von Vermittlungsleistungen ‒ vorgenommene Annexbetrachtung wie auch die Annahme eines bloßen Rahmenvertrags stehen damit nicht in Einklang. Aus dem Umstand, dass zeitlich nach einer Vermittlungstätigkeit auch steuerfreie Umsätze ausgeführt wurden, kann nicht geschlossen werden, dass insoweit eigenständige Vermittlungsleistungen vorliegen, die gesondert auf die Vermittlung dieser steuerfreien Leistungen gerichtet sind. Dies lässt unberücksichtigt, dass es die Vermittlungsleistung gerade ausmacht, nicht mit der vermittelten Leistung identisch zu sein, da die Vermittlung eine eigenständige Leistung ist, die sich hinsichtlich der Vertragsparteien und der wesentlichen Vertragsinhalte von der vermittelten Leistung unterscheidet, was sich im Streitfall daraus ergibt, dass es vorrangig um die Vermittlung eines geschäftlichen Kontakts zur Erbringung nicht abschließend bestimmter Leistungen ging.

     

    Die jeweils einheitliche Vermittlungsleistung ist auch nicht anteilig steuerfrei. Ebenso wie eine einheitliche Leistung zum Beispiel einem einzigen Steuersatz unterliegen muss (EuGH-Urteile Stadion Amsterdam, BlackRock Investment Management -UK- und Finanzamt X), kommt eine Aufteilung der Vermittlungsleistung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil grundsätzlich nicht in Betracht.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 50158238