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  • · Fachbeitrag · BFH lässt Vorsteuerabzug für Kurgemeinden nun doch weiter zu

    Für den Vorsteuerabzug kommt es auf die kommunale Beitragssatzung an!

    von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dortmund

    Der Vorsteuerabzug von Gemeinden für Kureinrichtungen stand wieder einmal auf dem gerichtlichen Prüfstand ‒ dieses Mal mussten BFH und EuGH entscheiden. Während der EuGH den Vorsteuerabzug sehr restriktiv sieht, gibt der BFH wertvolle Tipps, wie die Gemeinden diesen retten können.

     

    Hintergrund

    Zunächst hat die Finanzverwaltung Kurtaxen als Entgelt für einen steuerbaren Umsatz angesehen und auf die zu ihrer Erzielung erforderlichen Eingangsumsätze den Vorsteuerabzug zugelassen. Die Gemeinden konnten damit den Vorsteuerabzug auf alle Kureinrichtungen wie beispielsweise Kurhäuser, Schwimm- und Thermalbäder, Wege usw. geltend machen.

     

    Erst das BFH-Urteil vom 3.8.2017 (V R 62/16) beschränkte den Vorsteuerabzug zum Nachteil der Gemeinden auf die nur noch anteilmäßige Zuordnung zum Unternehmensbereich. Der Vorsteuerabzug sollte nur noch dann möglich sein, wenn ein Allgemeingebrauch der Einrichtungen ausgeschlossen und eine Sondernutzung durch den Kurgast vorgesehen waren.

     

    Damit erhöhten sich die Finanzierungskosten der Gemeinden für Kureinrichtungen ‒ zum Teil nachträglich ‒ um die für diese entstandenen Vorsteuerbeträge (vgl. Abschn. 15.19 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 UStAE und BMF 18.1.21, III C 2 ‒ S 7300/19/10002:002, 2021/0025276). Gern haben die Kurgemeinden daher im BMF-Schreiben vom 25.5. 2022 (III C 2 ‒ S 7300/19/10002 :002, 2022/0546989) gelesen, dass die Neuregelungen erst für Leistungen anzuwenden sind, die nach dem 31.12.2017 bezogen worden sind. Für Leistungen, die bis zum 31.12.2017 bezogen wurden, ist der UStAE in der bis zum 17.1.2021 geltenden Fassung anzuwenden.

     

    Die neuen Urteile von EuGH und BFH

    Der EuGH und der BFH haben jetzt in insgesamt drei Urteilen die Karten für den Vorsteuerabzug der Kurgemeinden „neu gemischt“:

     

    • EuGH 13.7.2023: Die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde ist keine „Dienstleistung gegen Entgelt“ im Sinne dieser Bestimmung, wenn die Gemeinde von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten, aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt und die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Taxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den bloßen Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und die Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.

     

    • BFH 18.10.2023 (Nachfolgeentscheidung zu EuGH 13.7.23): Die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde stellt keine Leistung gegen Entgelt dar, wenn die Gemeinde von Besuchern, die sich in der Gemeinde aufhalten, aufgrund einer kommunalen Satzung eine Kurtaxe in Höhe eines bestimmten Betrags pro Aufenthaltstag erhebt, wobei die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Taxe nicht an die Nutzung dieser Einrichtungen, sondern an den Aufenthalt im Gemeindegebiet geknüpft ist und diese Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.

     

    • BFH 6.12.2023: Die Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe ist ein steuerbarer Umsatz gegen Entgelt, wenn die Kureinrichtungen nicht für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.

     

    Der BFH musste dem EuGH im Urteil vom 18.10.2023 folgen, jedoch nicht mit der vollen Überzeugung. Er nutzte daher das Urteil vom 6.12.2023 zur Abgrenzung: „Die Bereitstellung von Kureinrichtungen gegen Kurtaxe ist ein steuerbarer Umsatz gegen Entgelt, wenn die Kureinrichtungen nicht für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind.“

     

    Genau hier unterscheidet sich der Sachverhalt des neueren BFH-Urteils von dem des EuGH-Urteils und der eigenen Nachfolgeentscheidung. Der Zugang zu den Kureinrichtungen ist nicht frei. Der Kurgast erhält nach Zahlung der Kurabgabe vom Beherbergungsbetrieb eine Gästekarte. Diese ist auf Verlangen des Aufsichtspersonals vorzuzeigen und gilt für die Dauer eines ununterbrochenen Aufenthalts.

     

    Daneben existiert eine erhöhte Tageskurabgabe, die von jedem, der bei der Kontrolle keine gültige Gästekarte oder Einwohnerkarte vorweisen kann (Tagesgast), an die Kontrolleure der Kurverwaltung zu entrichten ist. Dass die Leistungen an die Tagesgäste von der Steuerpflichtigen teilweise unbeabsichtigt erbracht werden, weil sie erst aufgrund von Ermittlungen der Kontrolleure festgestellt werden, ist für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Steuerpflichtigen unerheblich.

     

    Ohne Bedeutung ist es nach Auffassung des BFH, dass die Kurtaxe unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Kureinrichtungen pro Aufenthaltstag erhoben wird. Denn dem Kurgast wird nach deutschem Abgabenrecht mit der Bereitstellung der Kureinrichtungen ein konkreter und umsatzsteuerlich auch verbrauchsfähiger Vorteil vermittelt. Die Annahme eines umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschs ist abhängig von der Leistungsbereitschaft und nicht von der tatsächlichen Inanspruchnahme der angebotenen Leistung, hier also der Kureinrichtungen durch den Kurgast.

     

    Beratungskonsequenzen

    Nach Abschnitt 15.19 Abs. 2 Sätze 3 ff. UStAE soll eine Gemeinde keine Vorsteuern aus Herstellung und Unterhalt von Einrichtungen geltend machen können, die zwar durch die Gemeinde als Teil der öffentlichen Kureinrichtungen bzw. des Fremdenverkehrs vorgehalten werden, jedoch nach den landesrechtlichen Regelungen z. B. Straßen- und Wegerecht durch öffentlich-rechtliche Widmung als dem Gemeingebrauch zugänglich anzusehen bzw. einer solchen Widmung zuzuführen sind. Das ist selbst dann der Fall, wenn die Gemeinde vom Kurgast auf der Grundlage einer Satzung einen allgemeinen Kurabgabebeitrag erhebt.

     

    Die Nutzung der Einrichtungen durch den Kurgast erfolge hier nicht im Rahmen einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Sondernutzung. Bei Fehlen einer öffentlich-rechtlichen Widmung entfalle der Vorsteuerabzug, wenn die Einrichtung ausdrücklich (z. B. durch Gemeindeordnung) oder konkludent (z. B. durch Gewohnheitsrecht oder Ausschilderung als Spazier- oder Wanderweg) der Öffentlichkeit zur Nutzung überlassen werde und dadurch insoweit eine Sondernutzung in Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeschlossen sei.

     

    Dagegen ist nach Auffassung des BFH die öffentlich-rechtliche Widmung der Kureinrichtungen zum Gemeingebrauch von wohl eher untergeordneter Bedeutung. Vielmehr ist entscheidend, ob die Einrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich verfügbar sind. Letzteres kann die Gemeinde vermeiden, indem sie bei Entrichtung der Kurtaxe an die Gäste Legitimationsnachweise („Kurkarten“) ausgibt, deren Mitführen sie kontrolliert.


    PRAXISTIPP | Dass die Leistungen von der Steuerpflichtigen teilweise unbeabsichtigt erbracht werden, weil sie erst aufgrund von Ermittlungen der Kontrolleure festgestellt werden, ist für den BFH ‒ wie bereits ausgeführt ‒ unerheblich. Er stellt es damit weitgehend in das Ermessen der Gemeinden, wie intensiv sie die Kontrollen durchführen. Allerdings sollten die Gemeinden immer darauf achten, dass die Ernsthaftigkeit ihrer Kontrollen nicht infrage gestellt werden kann. Besondere Bedeutung wird daher der (Formulierung der) kommunalen Satzung und deren tatsächlicher Umsetzung beizumessen sein.


    Weiterhin offen ist die unentgeltliche Überlassung von Kureinrichtungen an Einwohner. Hier gibt der BFH dem FG auf, festzustellen, welchen Umfang diese nichtwirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin in den Streitjahren hatte. Auch ist der Frage nachzugehen, ob die Gemeinde selbst Kureinrichtungen für hoheitliche Zwecke oder Ähnliches nutzt. Weiter soll das FG prüfen, welche Vorsteueraufteilung dadurch erforderlich wird. Die in der Kurtaxesatzung genannten Prozentsätze könnten hierfür einen gewissen Anhalt bieten, sofern in ihnen zum Ausdruck kommt, welcher Teil der (Kosten der) Kureinrichtungen der Gemeinde selbst und ihren Einwohnern zugutekommt.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2024 | Seite 443 | ID 50055787

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