· Fachbeitrag · Statt Klarheit herrschen Verwirrungen und Irritationen
Kritik an den Neuregelungen der Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen
von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dortmund
Das Jahressteuergesetz 2024 hat zum 1.1.2025 die Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen umfassend neu geregelt. Völlig überraschend weicht die Neuregelung zum Nachteil vieler Bildungsanbieter entscheidend vom Regierungsentwurf ab. In der Praxis stellen sich dadurch erhebliche Unsicherheiten ein. Noch während des Gesetzgebungsverfahrens versprach das BMF, diese mit einem Einführungsschreiben zu beseitigen. Dessen Entwurf wurde jedoch erst Mitte Januar 2025 und damit nach Inkrafttreten der Neuregelung den Verbänden zur Stellungnahme übermittelt ‒ und sorgt leider überhaupt nicht für die von den Bildungsanbietern erhoffte und vom BMF versprochene Klarheit, sondern vielmehr für weitere Irritationen. |
Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) hat sich zusammen mit einem anerkannten Expertenteam zur Neuregelung und zum Entwurf des Einführungsschreibens positioniert. Das Expertenteam besteht ‒ in alphabetischer Reihenfolge ‒ aus
- Dr. Jörg Grune (Of Councel bei der INDICET Partners GmbH),
- Dr. Markus Müller (KMLZ),
- Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen,
- Prof. Dr. Oliver Zugmaier (KMLZ).
Die Experten und der DStV kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass das Einführungsschreiben die bestehenden Unsicherheiten keinesfalls beseitigt. Es bedarf vielmehr weiterer Klärungen und einer Übergangsfrist.
Übergangsfrist zumindest bis 1.1.2028
Die Neuregelung ist derzeit auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2024 erbracht werden. Sie ist damit von den Bildungsträgern bereits anzuwenden, bevor das BMF sich abschließend dazu positioniert hat.
Derzeit ist jedoch noch vollkommen unklar, wie die zuständigen Landesbehörden die weiterhin erforderlichen Bescheinigungen erstellen müssen ‒ insbesondere für Maßnahmen, die der beruflichen Fortbildung dienen.
Vor allem für gewerbliche Bildungsanbieter, die ihre Leistungen bis zum 31.12.2024 umsatzsteuerpflichtig angeboten haben, birgt der nur kurze Zeitraum zwischen Gesetzesverkündung im Bundesgesetzblatt ‒ ausgegeben am 5.12.2024 ‒ und dem Inkrafttreten des § 4 Nr. 21 n. F. UStG große Unsicherheiten und erhebliche finanzielle Risiken.
Das Expertenteam und der DStV schlagen daher vor, die Neuregelung ‒ wenn überhaupt ‒ frühestens ab 1.1.2028 anzuwenden.
Rechtssicheres Bescheinigungsverfahren
Der Regierungsentwurf zu § 4 Nr. 21 n. F. UStG sah noch die Abschaffung des Bescheinigungsverfahrens vor:
„Eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde ist nach der Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG nicht mehr erforderlich. Dies führt zu Bürokratieabbau, zur Kostensenkung bei betroffenen Einrichtungen, Behörden und Gerichten sowie zu mehr Rechtssicherheit, weil der „geteilte“ Rechtsweg aus Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit entfällt.“
Wider Erwarten hält der Gesetzgeber nun aber weiterhin an der Bescheinigung fest. Dabei ist völlig offen, wer die Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde erwirken kann: nur der Bildungsanbieter selbst oder auch weiterhin das Finanzamt von Amts wegen? Sollte Letzteres der Fall sein, tragen umsatzsteuerpflichtig agierende Fortbildungsanbieter ein immenses Steuerrisiko. Das Finanzamt könnte dann ggf. auch rückwirkend die Bescheinigung beantragen und damit die Umsatzsteuerbefreiung herbeiführen. Letztlich stellt sich damit auch die Frage, ob auf der Grundlage der Neuregelung überhaupt noch ein (oftmals ja gewünschtes) umsatzsteuerpflichtiges Handeln möglich ist.
Vorbild Österreich
Das Expertenteam und der DStV weisen auf die unionsrechtskonforme Ausgestaltung der Umsatzsteuerbefreiung in Österreich als Vorbild hin. Denn in Österreich können Bildungsanbieter, die ihre Leistungen an andere Unternehmer erbringen, eine Ausnahme beantragen und ihre Leistungen damit der Regelbesteuerung unterwerfen.
Daher müssen auch in Deutschland Bildungsanbieter, die nicht selbst eine Bescheinigung beantragen, rechtssicher von der Steuerpflicht ihrer Leistungen ausgehen können.
MERKE | Die Kritik der Kollegen Grune, Müller, Radeisen und Zugmaier und natürlich des DStV ist mehr als berechtigt. Insbesondere im B2B-Bereich ist eine unechte Umsatzsteuerbefreiung nicht nur sinnfrei, sondern sogar kontraproduktiv. Und aufgrund bisherigen Fehlens einer Übergangsregelung drängt sich ein Vergleich mit dem schon seit Jahren verschobenen „Scharfschalten“ der Neuregelung für die Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 2b UStG) auf. Wird da etwa mit zweierlei Maß gemessen? |
Fundstelle
- DStV/Grune/Müller/Radeisen/Zugmaier, Umsatzsteuerbefreiung für unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen: Entwurf zur Anpassung des UStAE, gemeinsame Stellungnahme vom 12.2.25, unter www.iww.de/s12572