· Fachbeitrag · Pflichtteilsrecht
Erbschaftsteuerliche Gestaltung nach dem Tod: Die Ausschlagung gegen Abfindung
von RA StB Dr. Thomas Stein und Dipl.-WiWi Stefan Stein, Ulm
| In vielen Fällen befassen sich rechtliche und steuerliche Berater nach dem Todesfall nicht mehr mit rechtlichen Gestaltungsmaßnahmen, sondern wenden sich ausschließlich der Abwicklung der Erbschaft und Erfüllung der Vermächtnisse zu. In steuerlicher Hinsicht kann sich aber gerade die Möglichkeit einer Ausschlagung gegen Abfindung als günstiges Vorgehen erweisen. Dies wird im Folgenden dargestellt. |
1. Erbfall, Vermächtnis und Ausschlagung
Mit dem Tod wird der Erbe ohne weitere Übertragungsakte Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Dies gilt sowohl in Fällen der testamentarischen Erbeinsetzung wie auch im Falle der gesetzlichen Erbfolge. Im Zeitpunkt des Todes entsteht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auch die ErbSt. Ein Erbe hat nach § 1942 Abs. 1 BGB allerdings das Recht, die Erbschaft auszuschlagen. Die Erbschaft gilt dann nach § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt. Der Erbe kann binnen einer Frist von sechs Wochen ausschlagen, wobei sich die Frist auf sechs Monate verlängert, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland hatte oder wenn sich der Erbe bei Beginn der Frist im Ausland aufhält. Bei gesetzlicher Erbfolge beginnt die Ausschlagungsfrist in dem Moment, in dem der Erbe Kenntnis vom Tod des Erblassers hat und keine begründete Vermutung vorliegt, dass eine den Erben ausschließende letztwillige Verfügung vorliegt (Weidlich in Palandt, BGB, § 1944 Rn. 4). Bei Vorhandensein einer Verfügung von Todes wegen beginnt der Fristlauf hingegen nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht.
Bei Ausschlagung kann der Erbe auch den Pflichtteil nicht mehr geltend machen. Der Pflichtteilsanspruch steht dem ausschlagenden Erben nur in den Fällen der Beschränkung und Beschwerung gemäß § 2306 BGB bzw. dem überlebenden Ehegatten zu (§ 1371 Abs. 3 BGB). Die Ausschlagung allein ist deshalb zunächst nur bei überschuldetem Nachlass sinnvoll. Der Erbe kann allerdings sein Erbe ausschlagen und zugleich mit den nachrückenden Erben vereinbaren, dass diese ihm für seine Ausschlagung eine Abfindung zahlen (Musterformular: Ivo in Bambring/Mutter, Formulare Erbrecht, 2. Aufl., K 7). Gerade im engen Familienkreis kann die Durchführung einer Ausschlagung gegen Abfindung eine erwägenswerte Alternative sein. Von entscheidender Bedeutung ist, dass vor der Ausschlagung feststeht, wer nächstberufener Erbe ist. Um Überraschungen zu vermeiden, ist auch das Vorhandensein nicht bekannter insbesondere nichtehelicher Abkömmlinge zu erforschen.
Das Ausschlagungsrecht und damit auch die Ausschlagung gegen Abfindung steht aber nicht nur dem Erben zu. Ausschlagungsrechte hat auch der Vermächtnisnehmer. Eine zeitliche Begrenzung der Ausschlagung eines Vermächtnisses sieht das BGB anders als bei der Erbschaft nicht vor. Bis zur Annahme des Vermächtnisses kann dieses ausgeschlagen werden. Wird ein Vermächtnis ausgeschlagen, gilt nach § 2180 BGB i.V. mit § 1953 Abs. 2 BGB derjenige als berufen, der berufen sein würde, wenn der Ausschlagende beim Erbfall nicht gelebt hätte. Die Ausschlagung eines Vermächtnisses ist nach § 2160 BGB aber dann unwirksam, wenn kein Ersatzvermächtnisnehmer bestimmt ist oder falls sich eine Ersatzberufung nicht durch ergänzende Testamentsauslegung ergibt (BayObLG 19.12.96, 1 Z BR 107/96, NJW-RR 97, 517).
2. Ausschlagung gegen Abfindung - Folgen nach dem ErbStG
Die als Ersatzerben oder Ersatzvermächtnisnehmer berufenen Personen erwerben durch Erbanfall bzw. aufgrund eines Vermächtnisses. Bei ihnen ist dieser Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erbschaftsteuerpflichtig. Die Ersatzerben oder -vermächtnisnehmer können die an die ausschlagende Person zu leistende Abfindung als Erbfallschuld erwerbsmindernd berücksichtigen (BFH 18.3.81, II R 89/79, BStBl II 81, 473). Probleme beim Abzug können aber bei aufgeschobener Fälligkeit auftreten (Lohr/Görges, DStR 11, 1939, 1944). Die nachrückenden Personen versteuern damit nur den ihnen verbleibenden Nachlassanteil. Zu beachten ist aber, dass der Erbfallpauschbetrag von 10.300 EUR nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG dann entfallen dürfte, da die Abfindungszahlung diesen Pauschbetrag für Erbfallschulden regelmäßig übersteigen wird.
Die ausschlagende Person ihrerseits erwirbt nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Der von den nachrückenden Erben oder Vermächtnisnehmern gezahlte Abfindungsbetrag gilt erbschaftsteuerlich als ein Erwerb von Todes wegen vom Erblasser. Das Gesetz normiert insofern eine Verschiebung des Zuwendungsverhältnisses. Der Erblasser selbst hatte schließlich keinen Akzent für die Ausgleichszahlung gesetzt. Nur der ursprüngliche und dann ausgeschlagene Erwerb von Todes wegen war durch den Erblasser veranlasst. Die Abfindungszahlung hingegen beruht auf einer ausschließlichen Vereinbarung zwischen der zunächst berufenen Person und den nachrückenden Personen.
Bei einer Vereinbarung einer Ausschlagung gegen Abfindung sind die Voraussetzungen genau zu prüfen, um keine weiteren Schenkungstatbestände auszulösen. Wesentlich ist dabei, dass bereits im Vertrag die Abfindung als Gegenleistung für die Ausschlagung ausgewiesen wird (FM Baden-Württemberg, DB 98, 2570) und die Ausschlagung unter keiner Bedingung steht (§ 1974 BGB, 2180 Abs. 2 S. 2 BGB). Auch muss sichergestellt sein, dass der Ausschlagende die Erbschaft oder das Vermächtnis nicht ausdrücklich oder konkludent angenommen hat (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 334 ff.).
3. ErbStG: Die steueroptimierende Wirkung der Ausschlagung
Die steueroptimierende Wirkung der Ausschlagung unter Vereinbarung einer Abfindung tritt in erbschaftsteuerlicher Hinsicht dadurch ein, dass die Anzahl der Erwerber vergrößert wird. Wird ein Erwerb auf mehrere Erwerber verteilt, stehen für das zugewendete Vermögen mehrere Freibeträge zur Verfügung. Dies gilt immer dann, wenn diese nicht aufgrund von Zuwendungen der vorangegangenen zehn Jahre verbraucht wurden (§ 14 ErbStG). Zudem ist der Erwerb eines jeden einzelnen geringer, sodass bei Unterschreiten einer Wertgrenze i.S. der Steuersatzregelungen des § 19 Abs. 1 ErbStG diese Aufteilung zu geringeren Steuersätzen führt. Schließlich kann durch die Einbeziehung späterer Generationen als Ersatzerben auch ein Übergang auf die nächste Generation erreicht werden. Dieser Generationensprung vermeidet spätere steuerpflichtige Zuwendungen (Flick, DStR 00, 1816).
PRAXISHINWEIS | Erbschaftsteuerlich ist zu beachten, dass der Abfindungsgegenstand nicht zwingend eine Geldleistung sein muss. Vielmehr kann der Abfindungsgegenstand auch ein bestimmtes Wirtschaftsgut sein. Dies hat zur Folge, dass der Ausschlagende das an ihn geleistete Wirtschaftsgut mit dessen Steuerwert ansetzt (BFH 21.5.01, II R 40/99, BFH/NV 01, 1406). Bewertungsabschläge können dann vom Abfindungsempfänger ebenfalls geltend gemacht werden (Lohr/Görges, DStR 11, 1939, 1941; R E 13b.1 Abs. 1 S. 4 Nr. 7 ErbStR 2011). |
Gerade wenn der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat, kann mit dem Institut der Ausschlagung gegen Abfindung eine gezielte Nachfolge und steuerliche Ausrichtung der Nachfolge postmortal erreicht werden - wie folgendes Beispiel zeigt.
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Die verwitwete M verstirbt ohne Testament und hinterlässt ihr einziges Kind K. Ihr Nachlass beträgt 800.000 EUR und besteht aus Bargeld und Goldmünzen, die sie schon länger als ein Jahr hält. K hat seinerseits wiederum zwei Abkömmlinge, E1 und E2, die volljährig sind. K nimmt die Erbschaft an. Weder K noch E1 und E2 haben von M innerhalb der letzten zehn Jahre Schenkungen erhalten. Alternative: K vereinbart mit E1 und E2, dass K gegen eine Leistung von 400.000 EUR die Erbschaft ausschlägt. |
Erfolgt keine Ausschlagung, versteuert K nach Abzug des Freibetrags gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG einen Erwerb von 400.000 EUR. Nach Abzug des Freibetrags von 10.300 EUR gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG unter Anwendung eines Steuersatzes von 15 % ergibt sich eine Steuerschuld von 58.455 EUR.
In der Alternative hingegen erwirbt K den Abfindungsbetrag. Dies stellt einen Erwerb gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG im Verhältnis zu M dar. Da der Erwerb dem Freibetrag gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG entspricht, bleibt der Erwerb des K steuerfrei. E1 und E2 tätigen einen Erwerb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG von je 200.000 EUR. Da der ausschlagende K nicht als Vorverstorben i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt (Weinmann in Mönch/Weinmann, ErbStG, § 16 Rn. 10), wird für den Erwerb von E1 und E2 je ein Freibetrag von 200.000 EUR gewährt, nicht aber ein Freibetrag von 400.000 EUR. Die beiden Erwerbe von E1 und E2 bleiben damit steuerfrei. Die Vermögensnachfolge bleibt insgesamt steuerfrei.
4. Weitere steuerliche Folgen
Bei erbschaftsteuerlichen Gestaltungen sind zugleich die Folgen für andere Steuern mit zu beachten. Für die Ausschlagung gegen Abfindung gilt dies insbesondere für die ESt und die GrESt.
4.1 Einkommensteuer
Umstritten ist, ob die Ausschlagung gegen Abfindung als entgeltliches oder unentgeltliches Geschäft im ertragsteuerlichen Sinn gilt (BMF 14.3.06, IV B 2-S 2242-7/06, BStBl I 06, 253, Rn. 37; a.A. von Sothen, Münchener Anwaltshandbuch, 3. Aufl., § 36, Rn. 274). Ertragsteuerlich hat ein entgeltliches Geschäft, wie es die h.M. annimmt, bei einer Ausschlagung gegen Abfindung zur Folge, dass steuerverstrickte Wirtschaftsgüter im Nachlass als veräußert gelten. Dies gilt z.B. für Wertpapiere, die nach dem 1.1.09 angeschafft wurden, bei Betriebsvermögen oder bei Wirtschaftsgütern, für die die Spekulationsfrist des § 23 EStG noch nicht abgelaufen ist (BFH 20.4.04, IX R 5/02, BStBl II 04, 1484).
Unter Umständen werden die erbschaftsteuerlichen Vorteile dann durch ertragsteuerliche Nachteile neutralisiert. Allerdings kann auch bei Annahme eines entgeltlichen Geschäfts die Ausschlagung gegen Abfindung ertragsteuerliche Vorteile haben - z.B. dann, wenn Mietgrundstücke im Nachlass vorhanden sind, für die die Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG abgelaufen ist. In Höhe des entgeltlichen Teils beginnt dann eine neue Abschreibung zu laufen, was gerade bei älteren Bauwerken zusätzliches AfA-Volumen schafft.
4.2 Grunderwerbsteuer
Geht man mit dem BFH (20.4.04, a.a.O.) von einem ertragsteuerlichen Veräußerungstatbestand durch die Ausschlagung unter Vereinbarung einer Abfindung aus, ist dies auch für Zwecke der GrESt nicht von vornherein ausgeschlossen. Unabhängig von der Frage nach einer entgeltlichen Übertragung ist ein Grundstück nach § 3 Nr. 4 bzw. Nr. 6 GrStG von der GrESt befreit, soweit es von gradlinig Verwandten oder den Ehegatten erworben wurde.
Ansonsten kann mit der Auffassung von Meßbach-Hönsch (in Boruttau, GrEStG, 17. A, § 3, Rn. 196) davon ausgegangen werden, dass entsprechend der erbschaftsteuerlichen Wertung - entgegen der einkommensteuerlichen Wertung - von einem unentgeltlichen Vorgang für grunderwerbsteuerliche Zwecke auszugehen ist. Ein als Abfindung übertragenes Grundstück soll nämlich als Abfindungserwerb vom Erblasser nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG der ErbSt unterliegen und damit nach § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbefreit sein. Hierfür spricht auch, dass sich die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG am ErbStG orientiert. Sowohl der Erwerb der im Ausschlagungsfall nachrückenden Erben bzw. Vermächtnisnehmer wie auch die Abfindung an den Ausschlagenden sind steuerpflichtig nach dem ErbStG (so auch von Sothen in Scherer, Münchner Anwaltshandbuch Erbrecht, 3. Aufl., § 36, Rn. 76).
Insbesondere liegt in den Fällen der Ausschlagung gegen Abfindung keine Leistung an Erfüllungs statt vor (Stein, ZEV 11, 520). Es wird keine Geldleistung gesetzlich geschuldet, die durch einen anderen Gegenstand (Grundstück) erfüllt wird (Meßbach-Hönsch in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl., § 3 Rn. 199). Diese Schuld wird bereits mit dem konkreten Inhalt begründet, der in der Abfindungsvereinbarung niedergelegt ist.