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  • · Fachbeitrag · Musterfall

    Vorbehaltsnießbrauch an GmbH-Anteilen:Gestaltungsempfehlungen für die Praxis

    von StB Prof. Dr. jur. Annemarie Butz-Seidl, TH Aschaffenburg, Institut für Accounting, Auditing, Restructuring und Taxation (IAART)

    | Der Nießbrauch an GmbH-Beteiligungen ist eine in der Praxis beliebte Gestaltungsform, die regelmäßig eine flexible Zuweisung von Vermögenssubstanz auf der einen und den daraus fließenden Erträgen auf der anderen Seite ermöglicht. Je nach Zielsetzung werden unterschiedliche Nießbrauchmodelle gewählt. Der Vorbehaltsnießbrauch wird häufig zur Gestaltung der Unternehmensnachfolge genutzt, während der Zuwendungsnießbrauch auf die Versorgung von Angehörigen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge abzielt. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Variante 1. In einem Folgebeitrag wird der Zuwendungsnießbrauch als Gestaltungsmodell auf den Prüfstand gestellt. |

    1. Vorbehaltsnießbrauch als Mittel zur Gestaltung der Unternehmensnachfolge

    Ziel des Vorbehaltsnießbrauchs ist es häufig, einen Geschäftsanteil im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zum Zwecke der Unternehmensnachfolge auf einen Dritten zu übertragen; gleichzeitig möchte sich der Übergeber die Nutzungen des Geschäftsanteils und ggf. auch bestimmte weitere Mitgliedschaftsrechte durch Bestellung eines entsprechenden Nießbrauchs vorbehalten.

     

    MERKE | Inhalt und Reichweite des Nießbrauchs an Gesellschaftsanteilen können unterschiedlich geregelt werden. Der sog. „Ertragsnießbrauch“ umfasst die Übertragung der mit dem GmbH-Anteil verbundenen Vermögensrechte, während der „Vollrechtsnießbrauch“ auch den Übergang weiterer Gesellschaftsrechte, insbesondere von Mitverwaltungsrechten, auf den Nießbraucher vorsieht. Rechtlich zulässig ist neben dem klassischen Vollrechtsnießbrauch auch die Bestellung eines Quotennießbrauchs an einem GmbH-Geschäftsanteil, bei dem zwar ein einheitlicher Nießbrauch auf dem gesamten Geschäftsanteil lastet, der Nießbraucher daraus jedoch nur zu Nutzungen gemäß einer bestimmten Quote berechtigt ist (MünchKomm/Pohlmann, § 1030 BGB, Rn. 95 ff.).

     

    Beachten Sie | Sowohl für die GmbH-Anteilsübertragung (vgl. § 15 Abs. 3 GmbHG) als auch für die Bestellung eines Nießbrauchs (vgl. § 1069 BGB) ist eine notarielle Beurkundung erforderlich.

     

    1.1 Musterfall

    V ist Gesellschafter der V-GmbH mit Sitz in Aschaffenburg. Die V-GmbH hat ein Stammkapital von 25.000 EUR. Gesellschafter V hält von diesem Stammkapital einen Geschäftsanteil von 22.500 EUR (Anteil Nr. 1) im Privatvermögen. V möchte den Geschäftsanteil Nr. 1 an seinen Sohn S abtreten. Ferner behält er sich auf seine Lebensdauer den Quotennießbrauch von 90 % an dem Geschäftsanteil Nr. 1 vor. Nach dem Ableben des Nießbrauchers V steht das Nießbrauchsrecht im gleichen Umfang der Ehefrau E bis zu deren Tod zu. Der gemeine Wert des Geschäftsanteils beträgt 1 Mio. EUR. Der Kapitalwert des Quotennießbrauchs von 90 % beläuft sich auf 300.000 EUR.

     

    • Problemkreis 1: Welche zivilrechtlichen Aspekte sind bei der Abtretung des GmbH-Geschäftsanteils mit Vorbehaltsnießbrauch zu bedenken?
    • Problemkreis 2: Wie stellt sich die ertragsteuerliche Situation dar?
    • Problemkreis 3: Welche schenkungsteuerlichen Auswirkungen beinhaltet dieses Vorgehen?

     

    1.2 Praxisrelevante zivilrechtliche Aspekte ‒ Problemkreis 1

     

    1.2.1 Vermögensrechte

    Der Vorbehaltsnießbraucher hat Anspruch auf den Ertrag aus dem GmbH-Anteil. Im Hinblick auf die bestehende Rechtsunsicherheit über die gesetzlichen Folgen des Nießbrauchs an einem GmbH-Anteil sollten aber auch bei einem sog. „Ertragsnießbrauch“ ‒ d. h. der Nießbraucher hat nur Anspruch auf den Ertrag aus dem GmbH-Anteil ‒ ausdrücklich detaillierte Regelungen für Vermögens- und Mitwirkungsrechte vereinbart werden. Klare und eindeutige Abreden sind unter dem Aspekt der Rechtssicherheit sehr zu empfehlen.

     

    1.2.2 Mitverwaltungsrechte

    In der Praxis hat der ausscheidende Gesellschafter neben dem Versorgungsbedürfnis auch häufig den Wunsch, Einfluss zu behalten, um z. B. dem jungen Gesellschafter den allmählichen Einstieg in die Gesellschaft zu ermöglichen, ohne sein „Lebenswerk“ zu gefährden. Dies kann er über Mitverwaltungsrechte gewährleisten. Neben dem Stimmrecht und dem damit eng verknüpften Recht zur Anfechtung von Beschlüssen geht es hier um das Recht zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, Informations- und Kontrollrechte sowie um Geschäftsführungsbefugnisse.

     

    MERKE | Nach h. M. stehen bei einem Vorbehaltsnießbrauch die Verwaltungsrechte dem eintretenden Gesellschafter zu, nicht dem Nießbraucher (vgl. MünchKomm, BGB, § 1068 Rn. 70 m. w. N.). Mitverwaltungsrechte des Nießbrauchers müssen vereinbart werden, um ihm nicht nur Nutzungen, sondern auch Einfluss zu gewähren. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ist die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht unbedenklich, solange die Vollmacht nicht unwiderruflich und verdrängend ausgestaltet ist.

     

    Beachten Sie | Eine Übertragung des Stimmrechts ist nach h. M. zulässig, wenn die Gesellschafter ihr zugestimmt haben oder sie in der Satzung vorgesehen ist. Auch eine Stimmbindungsvereinbarung kann dem Nießbraucher Einfluss auf die Gesellschaft geben. Ebenso wird eine Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht für zulässig gehalten. Abweichende Gestaltungen i. S. eines „Vollnießbrauchs“ sind erforderlich, wenn ein Vorbehaltsnießbraucher seinen Einfluss behalten möchte. Doch eines ist klar: Bei jeder Vertragsgestaltung ist dringend anzuraten, vor Abschluss der notariellen Urkunde die ertragsteuerlichen und schenkungsteuerlichen Auswirkungen detailliert zu überprüfen.

     

    1.3 Einkommensteuerliche Aspekte ‒ Problemkreis 2

     

    1.3.1 Anteilsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt

    Sowohl der BFH als auch die Finanzverwaltung gehen davon aus, dass beim Vorbehaltsnießbrauch die Zurechnung der Erträge aus Kapitalvermögen auf Ebene des Nießbrauchers zu erfolgen hat (so schon BMF im 1. Nießbrauchserlass, BStBl I 83, 508, Tz. 55 ff.). Aus ertragsteuerlicher Sicht ist es deshalb nicht erforderlich, beim Vorbehaltsnießbrauch Gestaltungen i. S. eines „Vollnießbrauchs“ vorzunehmen. Im Einzelnen ist zu beachten:

     

    Das Recht des Nießbrauchers beschränkt sich auf den gemäß Gewinnverwendungsbeschluss auszuschüttenden Gewinnanteil. Ein Anteil an den stillen Reserven eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens steht ihm nicht zu. Dies gilt grundsätzlich auch bei der Auflösung von stillen Reserven im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Wirtschaftsguts (vgl. BFH BStBl II 92, 605).

     

    1.3.2 Vorbehaltsnießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile

    Etwas anderes könnte gelten, wenn der Vorbehaltsnießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile anzusehen wäre. Grundsätzlich ist der Nießbraucher, auch der Vorbehaltsnießbraucher, nicht wirtschaftlicher Eigentümer (§ 39 AO) des mit dem Nießbrauch belasteten Rechts. Das kann anders sein, wenn er gegenüber dem zivilrechtlichen Inhaber „eine Position innehat, die über die übliche des Nießbrauchers hinausgeht“. Die Berechtigung zur Ausübung des Stimmrechts reicht dazu allein allerdings noch nicht (BFH BStBl II 92, 605 m. w. N.).

     

    MERKE | Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auf den Erwerber über, „wenn er aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind“ (st. Rspr., vgl. BFH 24.1.12, IX R 51/10, DStRE 12, 581 m. w. N.). Ist der Gesellschaftsanteil unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs „unentgeltlich“ übertragen worden, fehlt es aber am Erwerb des Gesellschaftsanteils, wenn der übertragene Geschäftsanteil als wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO dem Vorbehaltsnießbraucher zuzurechnen ist.

     

    Zivilrechtlich ist der Nießbraucher einem Gesellschafter mit der Folge einer Zurechnung nach § 39 Abs. 1 AO gleichzustellen, wenn der Nießbrauch die gesamte Beteiligung umfasst und ihm eine Position vermittelt, die ihm (z. B. durch ihm eingeräumte Stimmrechtsvollmachten) entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft (BGH 5.4.11, II ZR 173/10, DStR 11, 1475 ff.). Erst recht ist dem Nießbraucher unter diesen Voraussetzungen der Gesellschaftsanteil steuerrechtlich nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen. Er ist wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er „nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann“ (BFH 24.1.12, IX R 51/10, DStRE 12, 581).

     

    Über Stimmrechtsvereinbarungen ist es im Einzelfall auch möglich, dass GmbH-Anteile dem Nießbraucher wirtschaftlich zugerechnet werden. Dies setzt voraus, dass der Nießbraucher aufgrund der Vereinbarungen zum Stimmrecht weiterhin seinen Geschäfts- und Betätigungswillen in der GmbH durchsetzen kann (BFH 25.1.17, X R 45/14; BFH 1.8.12 ‒ IX R 6/11, BeckRS 2012, 96393).

     

    GESTALTUNGSTIPP | Der Erwerber der Anteile muss sich verpflichten, dem Nießbraucher sein Recht auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung sowie sein Stimmrecht für die Dauer des Nießbrauchsrechts zu überlassen; er bevollmächtigt diesen unwiderruflich, nicht nur die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Ladungen zu Gesellschafterversammlungen entgegenzunehmen, sondern auch die Stimmrechte ohne Beschränkungen in Gesellschafterversammlungen auszuüben.

     

    Ertragsteuerlich hat der Vorbehaltsnießbraucher ‒ unabhängig davon, ob er wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile ist oder nicht ‒ die Erträge aus dem Nießbrauch als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern (vgl. § 43 Abs. 5 EStG); diese unterliegen der Abgeltungsteuer. Ein Werbungskostenabzug scheidet somit gemäß § 20 Abs. 9 EStG aus. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob der Nießbraucher gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG zur Regelbesteuerung optieren kann.

     

    Beachten Sie | Insbesondere im Falle der Anteilsveräußerung und der Anwendung des § 17 EStG ist es von Bedeutung, ob der Vorbehaltsnießbraucher aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung als wirtschaftlicher Eigentümer des Gesellschaftsanteils anzusehen ist oder nicht.

     

    Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums i. S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wird vom BFH nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall beurteilt. Das „wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte sind ausschlaggebend“. Entscheidend ist, „wer die mit der Beteiligung verbundenen Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrechte ausüben und effektiv durchsetzen kann. Ist dies nicht der zivilrechtliche Eigentümer, wird der so mit Rechtsmacht Ausgestattete als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen“ (BFH 24.1.12, IX R 51/10) und hat im Falle einer Anteilsveräußerung den Veräußerungsgewinn i. S. d. § 17 EStG zu versteuern.

     

    1.4 Schenkungsteuerliche Aspekte ‒ Problemkreis 3

     

    1.4.1 Anteilsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt

    Die Anteilsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt erfolgt durch schenkweise Übertragung (Abtretung) der Geschäftsanteile an den Dritten und sofortige Nießbrauchsbestellung zugunsten des Übertragenden. Es handelt sich um eine Schenkung unter Lebenden gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und zielt auf die Ausnutzung von Steuerfreibeträgen sowie von Übertragungsfristen des § 14 ErbStG ab.

     

    Im Grundsatz wird der Barwert des vorbehaltenen Nießbrauchs als Verbindlichkeit vom Wert des übertragenen Geschäftsanteils abgezogen, sodass sich die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage entsprechend reduziert.

     

    Der Umfang des Abzugsbetrags kann aber im Einzelfall unterschiedlich sein. Entscheidend ist, ob die schenkungsteuerliche Vergünstigung des § 13a ErbStG im Musterfall in Betracht kommt oder nicht. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des § 13a ErbStG ist, dass die GmbH den Verwaltungsvermögenstest nach § 13b Abs. 2 S. 2 und 4 ErbStG besteht. Unter dieser Voraussetzung ist insbesondere § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG zu beachten:

     

    MERKE | Bei einem vorbehaltenen Nießbrauch an Anteilen an einer Kapitalgesellschaft kann die Nießbrauchslast nicht voll abgezogen werden, sondern nur mit dem quotalen Betrag, der dem Verhältnis des nach Anwendung der Regelverschonung nach § 13a ErbStG anzusetzenden Wertes des Vermögens zu dem Wert vor Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG entspricht (vgl. BFH 22.7.15, II R 12/14, BStBl II 16, 230). Die Finanzverwaltung wendet diese Entscheidung an (FM Bayern 12.4.16, DStR 16, 1750).

     

    Bei Inanspruchnahme der Optionsverschonung (§ 13a Abs. 10 ErbStG) entfällt der Abzugsbetrag in vollem Umfang.

     

    Der Vorbehaltsnießbrauch wirkt sich schenkungsteuerlich vollumfänglich aus, wenn die Verschonungsregelung nicht gelingt oder wieder aufgehoben wird, weil z. B. Behaltensfristen nicht eingehalten werden oder die Lohnsummenregelung nicht beachtet wird. Der Kapitalwert des Vorbehaltsnießbrauchs ist nach dem Jahreswert des Nießbrauchs zu berechnen (vgl. § 14 BewG i. V. m. mit der vom BMF herausgegebenen Sterbetabelle). Bei einem Nießbrauch an einem GmbH-Anteil soll es auf den Ertrag ankommen, von dem bei der Anteilsbewertung ausgegangen worden ist (vgl. R B 201 ErbStR 2019). Sofern zum Bewertungsstichtag feststeht, dass sich der künftige Jahresertrag durch bekannte objektive Umstände nachhaltig verändert, muss dies bei der Ermittlung des Durchschnittsertrags entsprechend berücksichtigt werden (vgl. R B 201 Abs. 5 ErbStR 2019).

     

    Schließlich ist noch auf das Risiko einer latenten Schenkungsteuer hinzuweisen: § 14 Abs. 2 BewG kann im Einzelfall dazu führen, dass bei frühem Versterben des Vorbehaltsnießbrauchers der Inhaber der GmbH-Anteile Schenkungsteuer nachentrichten muss.

     

    1.4.2 Sonderfall: Vorbehaltsnießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer

    Ob wirtschaftliches Eigentum übergeht oder zurückbleibt, hat für die schenkungsteuerliche Beurteilung des Sachverhalts erhebliche Bedeutung. Problematisch ist, ob bei Kapitalgesellschaftsanteilen, die neben dem Nießbrauchsrecht auch mit anderen Vorbehalten belastet sind, die Steuerbegünstigung der §§ 13a, 13b ErbStG vom Erwerber noch in Anspruch genommen werden kann. Der BFH hat im Erbschaftsteuerrecht für die Schenkung die wirtschaftliche Betrachtungsweise abgelehnt und hält an der zivilrechtlichen Beurteilung fest (BFH 28.6.07, II R 21/05, BStBl II 07, 669).

     

    Nach BVerfG sollen bei Betriebsvermögen ausdrücklich nur solche Erwerber, die den Betrieb „weiterführen“, „aufrechterhalten“ und „fortführen“, begünstigt sein (vgl. BVerfG 22.6.95, 2 BvR 552/91, BStBl II 95, 671). Auch der BFH „sieht es als fraglich an, ob der Erwerber eines Geschäftsanteils, aus dem er letztlich keine eigenen grundlegenden unternehmerischen Entscheidungen treffen kann, die Begünstigungsvoraussetzungen von § 13b ErbStG erfüllt“ (BFH 24.1.12, IX R 51/10, DStRE 12, 581 m. w. N.). Aus schenkungsteuerlicher Sicht ist daher anzuraten, die vertragliche Gestaltung bei der Bestellung des Vorbehaltsnießbrauchs sorgfältig abzuwägen und den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber sicherzustellen, sodass die Steuerbegünstigung der §§ 13a, 13b ErbStG nicht in Gefahr gerät.

    2. Gestaltungsempfehlungen zum Vorbehaltsnießbrauch an einem GmbH-Anteil

    In der Gestaltungspraxis empfiehlt es sich, wesentliche Bereiche ‒ wie folgt ‒ in einer vertraglichen Vereinbarung zu regeln:

     

    • Detaillierte Regelung der Ausübung der Stimm-, Anfechtungs- und Mitgliedschaftsrechte für Nießbraucher und Gesellschafter. Sachgerecht könnte eine Vereinbarung sein, die eine einvernehmliche Ausübung der o. g. Rechte durch den Anteilseigner und den Nießbraucher vorsieht.
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    • Alternativ könnte vereinbart werden, dass der Nießbraucher das Stimmrecht bei Beschlüssen über die laufenden Angelegenheiten der Gesellschaft und die zur Sicherung seines Fruchtziehungsrechts notwendigen Kontroll- und Informationsrechte ausübt. Bei außerordentlichen Angelegenheiten gebührt das Stimmrecht allein dem Gesellschafter. Darüber hinaus stehen dem Gesellschafter alle gesetzlichen Kontroll- und Informationsrechte zu. Beide Beteiligten bevollmächtigen sich wechselseitig entsprechend.

     

    • Die Position des Nießbrauchers an den Kapitalgesellschaftsanteilen sollte gestärkt werden, indem ihm eine Vollmacht erteilt wird, die es ihm zumindest ermöglicht, die Stimmrechte und andere Verwaltungsrechte ggf. zusammen mit dem Gesellschafter auszuüben.

     

    • Außerordentliche Erträge, z. B. Wertzuwächse, die durch Veräußerungen von Wirtschaftsgütern entstehen, sollten dem Nießbrauchsbesteller zugesprochen werden.

     

    • Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln, Gratisaktien und Bezugsrechte stehen dem Nießbrauchsbesteller zu. Es bedarf auch der Festlegung, ob diese neuen Papiere mit dem Nießbrauch belastet sein sollen oder nicht.

     

    • Soweit dem Gesellschafter aus den Gesellschaftsanteilen steuerliche Belastungen erwachsen, insbesondere eine Einkommensteuerschuld, ist der Gesellschafter gegenüber dem Nießbraucher berechtigt, insoweit die Steuern aus dem Gesellschaftsvermögen zu entnehmen.

     

    • Rücktrittsklausel: Der Übergeber ist berechtigt, von dem schuldrechtlichen Teil dieses Vertrags zurückzutreten und die unentgeltliche Rückübertragung des dem Erwerber eingeräumten Gesellschaftsanteils zu verlangen, wenn z. B.
      • a) der Erwerber den Vertragsgegenstand ohne schriftliche Zustimmung des Übergebers veräußert oder belastet,
      • b) der Erwerber zu Lebzeiten des Übergebers die Gesellschaft kündigt,
      • c) der Erwerber vor dem Übergeber verstirbt, ohne dass der Vertragsgegenstand ausschließlich auf Abkömmlinge des Übergebers übergeht,
      • d) eine wesentliche Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Erwerbers eintritt oder die Zwangsvollstreckung in den Vertragsgegenstand betrieben wird, ohne dass der Erwerber die Maßnahme innerhalb von drei Monaten abwendet.
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    • Die durch die Rückübertragung entstehenden Kosten hat der Erwerber zu tragen. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Rücktrittsbestimmungen. Der Rücktritt kann nur durch schriftliche Erklärung gegenüber dem jeweiligen Erwerber oder dessen Gesamtrechtsnachfolger ausgeübt werden.
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    • Nach dem Ableben des Übergebers steht das Rücktrittsrecht im selben Umfang dessen Ehefrau, Frau E, zu. Im Übrigen ist das Rücktrittsrecht weder vererblich noch übertragbar ‒ es sei denn, dass es zu Lebzeiten eines Berechtigten ausgeübt wurde.

     

    • Evtl. Zustimmung der Gesellschaft zur Anteilsübertragung

    3. Zusammenfassung

    Die grundsätzliche rechtliche Zulässigkeit einer Nießbrauchsbestellung an Gesellschaftsanteilen ist in Rechtsprechung und Literatur inzwischen allgemein anerkannt (vgl. BGH, DNotZ 99, 607 f.). Nachdrücklich ist zu betonen, dass der Vorbehaltsnießbrauch an Kapitalgesellschaftsanteilen zivil- sowie einkommensteuerliche und schenkungsteuerliche Probleme aufwirft.

     

    Die erheblichen Rechtsunsicherheiten bei der Nießbrauchsbestellung an Gesellschaftsanteilen führen dazu, dass zu einer umfassenden vertraglichen Regelung aller Detailprobleme des Vorbehaltsnießbrauchs geraten werden muss. Der Wunsch des Übergebers, Einfluss in der Gesellschaft zu behalten, muss sorgfältig abgewogen und begrenzt werden, um unerwünschte steuerliche Folgen zu vermeiden. Aus steuerlicher Sicht dürfte in vielen Fällen der Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums an dem Gesellschaftsanteil beim Vorbehaltsnießbraucher als nachteilig anzusehen sein. Die konkreten ertragsteuerlichen und schenkungsteuerlichen Auswirkungen der Bestellung eines Vorbehaltsnießbrauchs können nur im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung ermittelt werden. Bei steuerlichen Zweifelsfragen empfiehlt es sich, vor Bestellung des Vorbehaltsnießbrauchs eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt einzuholen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 98 | ID 47000340