· Fachbeitrag · Schenkungsteuer
§ 14 ErbStG bei Übernahme der Schenkungsteuer durch den Schenker
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
| Schon die Beispiele zu § 14 ErbStG in den ErbStH zeigen, dass die Umsetzung der Vorschrift in bestimmten Fallkonstellationen zu steuersystematisch nur schwer nachvollziehbaren Berechnungen führen kann. Nicht eingegangen wird in den ErbStR und ErbStH auf die Frage, wie zu rechnen ist, wenn § 10 Abs. 2 ErbStG und § 14 ErbStG zusammentreffen, weil der Schenker die Schenkungsteuer für zumindest eine Schenkung innerhalb von zehn Jahren übernimmt. |
1. Musterfall
Der vermögende S hatte im Jahr 2010 seinem Patenkind Christina, der Tochter eines guten Freundes, einen Geldbetrag von 103.234 EUR für die Einrichtung eines Einfamilienhauses geschenkt. Da die Eltern von Christina kurze Zeit danach tödlich verunglückt waren, entschloss er sich, sein Patenkind Christina zu adoptieren, schenkte ihr nach der Adoption im Jahr 2015 weitere 450.000 EUR und übernahm hierfür auch die Schenkungsteuer. Besondere Vereinbarungen zur Übernahme der Schenkungsteuer trafen die am Schenkungsvertrag Beteiligten nicht. Fraglich ist, wie die Schenkungsteuer für die zweite Schenkung an Christina im Jahr 2015 berechnet wird.
2. Schenkungsteuer wurde vom Schenker übernommen
Hat der Schenker die Entrichtung der vom Beschenkten geschuldeten Steuer selbst übernommen, gilt als Erwerb der Betrag, der sich bei einer Zusammenrechnung des Erwerbs nach § 10 Abs. 1 ErbStG mit der aus ihm errechneten Steuer ergibt (§ 10 Abs. 2 ErbStG). Es erfolgt also nur eine einmalige Hinzurechnung der Schenkungsteuer.
PRAXISHINWEIS | In der Regel ist es günstiger, wenn der Schenker weniger schenkt, dafür aber die Schenkungsteuer übernimmt. Dies gilt insbesondere bei höheren Steuerbelastungen. |
Zu beachten ist, dass Schenker und Beschenkter Gesamtschuldner der Schenkungsteuer sind (§ 20 ErbStG). Da jeder von ihnen die gesamte Schenkungsteuer gegenüber dem FA schuldet, bedeutet Übernahme der Steuerschuld durch den Schenker die Übernahme der gesamten Schenkungsteuer.
3. Grundprinzipien des § 14 ErbStG
Gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG sind mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Erwerbe bei der Besteuerung des jeweils letzten Erwerbs im Zehnjahreszeitraum mit diesem letzten Erwerb zusammenzurechnen.
§ 14 ErbStG will damit verhindern, dass durch die Aufteilung einer Zuwendung in mehrere Tranchen durch Mehrfachgewährung der persönlichen Freibeträge und durch Vermeidung der Steuerprogression Steuervorteile erlangt werden.
Die von der Vorschrift angeordnete Zusammenrechnung gewährleistet, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung gelangen und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt (BT-Drs. VI/3418, 69 zu § 14; BFH 14.1.09, II R 48/07, BStBl II 09, 538 m.w.N., ErbBstg 09, 141).
§ 14 ErbStG ändert gleichwohl nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbstständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst, noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift enthält lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist (BFH 14.1.09, II R 48/07, BStBl II 09, 538 m.w.N., ErbBstg 09, 141).
4. Zusammenrechnung der Erwerbe (§ 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG)
Wird in Anwendung dieser Grundsätze die Schenkungsteuer 2015 ermittelt, stellt sich die Frage, wie sich die Übernahme der Schenkungsteuer 2015, die dem Erwerb gemäß § 10 Abs. 2 ErbStG hinzuzurechnen ist, im Falle einer Zusammenrechnung auswirkt.
Im Zeitpunkt der Schenkung im Jahr 2010 gehörte Christina noch zur Steuerklasse III (§ 15 Abs. 1 III ErbStG).
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4.1 Berechnung der Steuer vor Anrechnung (§ 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG)
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG muss im Jahr 2015 eine Zusammenrechnung der Erwerbe 2010 und 2015 unter Berücksichtigung der nun geltenden Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 I ErbStG) und unter Berücksichtigung der Übernahme der Schenkungsteuer erfolgen.
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Die Erwerbe könnten zunächst gemäß § 14 ErbStG zusammengerechnet und sodann die Steuer für die Schenkung unter Berücksichtigung der Vorschenkung und der darauf gezahlten Steuer ermittelt werden.
Nach § 14 Abs. 1 S. 4 ErbStG darf durch den Abzug der Steuer gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 oder 3 ErbStG auf den Vorerwerb die Steuer, die sich für den letzten Erwerb allein ergeben würde, aber nicht unterschritten werden (Mindeststeuer).
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Denkbar wäre es auch, zunächst die Erwerbe gemäß § 14 ErbStG zusammenzurechnen und sodann die Steuer für die Schenkung unter Berücksichtigung der Vorschenkung ohne die darauf gezahlten Steuer zu ermitteln und diese erst gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 oder 3 ErbStG zu berücksichtigen: | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Meines Erachtens widersprechen beide Lösungen der Rechtsprechung des BFH zu § 14 ErbStG, wonach die einzelnen Erwerbe als selbstständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen und weder die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden werden. Auch wäre in der Berechnungsmöglichkeit 1 die Prüfung der Mindeststeuer schon bei der Anwendung des § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG nicht systemkonform, da sie erst nach der Anrechnung der fiktiven oder tatsächlichen Steuer gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 und 3 ErbStG zu erfolgen hat.
Sie widersprechen auch dem Sinn und Zweck des § 10 Abs. 2 ErbStG. Die Übernahme der Schenkungsteuer bezieht sich ausschließlich auf die Schenkung im Jahr 2015 und geht damit der Zusammenrechnung der Erwerbe und der Anrechnung von Steuern vor. Beide Berechnungen führen zudem dazu, dass vom Schenker mehr Steuern übernommen werden, als er nach den vertraglichen Vereinbarungen überhaupt übernehmen wollte.
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Überzeugender ist es daher, zunächst § 10 Abs. 2 ErbStG auf den Letzterwerb anzuwenden und sodann diesen Erwerb gemäß § 14 ErbStG mit dem Vorerwerb zusammenzurechnen und die Steuer unter Berücksichtigung der Vorschenkung zu ermitteln. | ||||||||||||||||||||||||||||||
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4.2 Anrechenbare Steuer für Vorerwerb (§ 14 Abs. 1 S. 2 und 3 ErbStG)
Die fiktive Erbschaftsteuer (§ 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG) des Vorerwerbs ist auf der Grundlage der früher geltenden Bewertungsregeln und der aktuellen persönlichen Verhältnisse, Freibetragsregelungen und Steuersätze zu ermitteln.
Diese fiktive Steuer ist auch dann abzuziehen, wenn der Vorerwerb bisher steuerlich tatsächlich nicht besteuert worden ist bzw. verfahrensrechtlich nicht mehr besteuert werden kann. Gegebenenfalls ist die Besteuerung nachzuholen, sofern dies aus Gründen der Festsetzungsfrist noch möglich ist.
Des Weiteren ist zu beachten, dass bei der Berechnung der anrechenbaren fiktiven ErbSt für den Vorerwerb der persönliche Freibetrag nur in der Höhe abzuziehen ist, wie er bei der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb tatsächlich verbraucht wurde (BFH 2.3.05, II R 43/03, BStBl II 05, 728, ErbBstg 05, 188).
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Die Anrechnung der tatsächlich gezahlten Steuer führt zu einem Überhang. Eine Erstattung eines Überhangs ist nach Auffassung des BFH allerdings ausgeschlossen, sodass eine Anrechnung mit maximal 17.237 EUR vorgenommen werden kann (BFH 17.10.01, II R 17/00, BStBl II 02, 52; H E 14.1 Abs. 3 - Keine Erstattung der Mehrsteuer - ErbStH 2011).
4.3 Berechnung der Mindeststeuer
Nach § 14 Abs. 1 S. 4 ErbStG darf durch den Abzug der fiktiven Steuer auf den Vorerwerb (§ 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG) oder den Abzug der tatsächlich zu entrichtenden Steuer (§ 14 Abs. 1 S. 3 ErbStG) die Steuer, die sich für den letzten Erwerb allein ergeben würde, nicht unterschritten werden (Mindeststeuer).
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Damit ergibt sich eine Mindeststeuer von 3.500 EUR. Da diese ausschließlich auf dem Erwerb von 2015 beruht und der Schenker diese Steuer übernommen hat, kann Christina die Mindeststeuer von 3.500 EUR im Innenverhältnis von S ersetzt verlangen.
Sollte die Mindeststeuer nicht zur Anwendung kommen, weil die nach Anwendung von § 14 Abs. 1 S. 2 und 3 ErbStG errechnete Steuer höher ist, könnte Christina im Innenverhältnis vom Schenker nur die Steuer verlangen, die sich für den Erwerb 2015 einschließlich Steuer, aber ohne Berücksichtigung des Vorerwerbs (= 53.500 EUR) ergibt. Denn mehr Steuern hat der Schenker vertraglich nicht übernehmen wollen. Dies würde bei einem Steuersatz von 7 % zu einem Erstattungsbetrag von 3.745 EUR führen.
Eine andere Beurteilung könnte sich allerdings ergeben, wenn die Steuern, die der Vorerwerb auslöst, ausdrücklich in die Schenkungsvereinbarungen einbezogen worden wären und der Schenker auch die Schenkungsteuer aus der Schenkung 2010 übernommen hätte. In diesem Fall könnte Christina verlangen, dass die gesamte Steuer erstattet wird, die durch die Zweitschenkung ausgelöst wurde. Der Berechnungsmodus gemäß Berechnungsmöglichkeit 3 würde sich aber auch in diesem Fall nicht verändern.