· Fachbeitrag · Vorweggenommene Erbfolge
Nachfolgegestaltung unter Einsatz von Vermögensverwaltungsgesellschaften
von RA und Notar Dr. Ansgar Beckervordersandfort, LL.M., EMBA, FA ErbR und RA Andreas Sielker, Münster
| Durch den geschickten Einsatz von Vermögensverwaltungsgesellschaften kann die Vermögensnachfolge optimal gesteuert werden. Nachfolgende Generationen können auf diese Weise als Gesellschafter an dem Vermögen der Familie beteiligt werden, wobei die Stimmrechte sowie die Gewinnbezugsrechte zunächst noch überproportional bei den „Senioren“ verbleiben. Diese Gestaltung bietet sich bereits bei mittleren Vermögen an. Bei komplexen Immobilien- und Gesellschaftsbeteiligungen wird der Berater den Einsatz von Familienvermögensverwaltungsgesellschaften zwingend in Betracht ziehen müssen, um eine Zersplitterung des Vermögens zu vermeiden. |
1. Musterfall
Die Eheleute M und F haben zwei Kinder T und S, die verheiratet sind und jeweils zwei Kinder haben. M und F sind zu je ½ Miteigentümer von zwei vermieteten Mehrfamilienhäusern mit einem Verkehrswert von jeweils 1,5 Mio. EUR sowie eines selbst bewohnten Einfamilienhauses im Wert von 500.000 EUR. Zudem verfügen Sie über ein Aktiendepot mit einem Kurswert von zurzeit 250.000 EUR. Die Mehrfamilienhäuser erbringen jährliche Mieteinnahmen von jeweils 80.000 EUR.
M und F sind beide 70 Jahre alt und im Ruhestand. M war Zahnarzt und erhält eine Rente vom Versorgungswerk i.H. von 3.500 EUR monatlich. F war Lehrerin und erhält eine Pension von 3.000 EUR. Für jedes Enkelkind zahlen M und F monatlich einen Betrag von 500 EUR in einen Aktienfonds ein. Die beiden Kinder werden immer mal wieder bei Sonderanschaffungen (z.B. Waschmaschine, Fernseher, Urlaube) finanziell unterstützt. Ansonsten haben weder die Kinder noch Enkelkinder bisher finanzielle Zuwendungen erhalten.
2. Gestaltungsziel und Gestaltungsempfehlung
Das Vermögen soll steueroptimiert auf die Kinder und Enkelkinder übertragen werden, wobei M und F die größtmögliche Flexibilität behalten wollen. Insbesondere wollen sie sich im Alter nicht finanziell einschränken müssen.
2.1 Einbringung von Immobilie und Depot in eine Gesellschaft
Es bietet sich die Einbringung der beiden Mehrfamilienhäuser und des Wertpapierdepots in eine sogenannte Familienvermögensverwaltungsgesellschaft an, an der zunächst die Eheleute M und F sowie deren Kinder S und T in Höhe der noch nicht ausgenutzten Schenkungsteuerfreibeträge beteiligt werden. Bereits in der Einbringungsurkunde sollte dann unbedingt ein Rücktrittsrecht für M und F als Einbringende enthalten sein, da dies die effektivste Störfallvorsorge ist.
Musterformulierung / Rücktrittsrecht |
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2.2 Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf Enkelkinder
Die Enkelkinder sollten erst in einem zweiten Schritt an der Gesellschaft beteiligt werden, indem M und F in Höhe der Schenkungsteuerfreibeträge Gesellschaftsanteile an die Enkelkinder übertragen. Die direkte Beteiligung der Enkelkinder bereits bei der Gründung der Gesellschaft bietet sich nicht an, da dann für jedes Enkelkind ein separater Ergänzungspfleger bestellt werden muss, denn bei Gesellschaftsgründung können theoretisch widerstreitende Interessen zwischen den Enkelkindern untereinander bestehen. Bei einer späteren Beteiligung der Enkelkinder durch Abtretung von Gesellschaftsanteilen von M und F kann ein Ergänzungspfleger nach h.M. alle Enkelkinder vertreten. Zudem kann auch durch eine entsprechende Ausgestaltung von Rücktrittsrechten in den Abtretungsverträgen eine zielgenaue „Störfallvorsorge“ im Verhältnis zu den jeweiligen Enkelkindern erreicht werden. Ohne ein Rücktrittsrecht in dem Übertragungsvertrag könnte insbesondere nicht verhindert werden, dass minderjährige Kommanditisten mit Erreichen der Volljährigkeit über die Ausübung des Sonderkündigungsrechts gem. § 1629a Abs. 4 BGB Vermögenswerte „ungeschützt“ erhalten. Die Rücktrittsrechte können dann jeweils aufschiebend bedingt durch den Tod der Senioren an die jeweiligen Eltern der Enkelkinder abgetreten werden. Sinnvoll ist meist auch ein Rücktrittsrecht für den Fall, dass die Enkelkinder die Gesellschaft vor Erreichen des 30. Lebensjahres kündigen.
Musterformulierung / Rücktrittsrecht in der Abtretungsurkunde |
Widerrufs- und Rückforderungsrecht (1) Der Übergeber behält sich für den Fall, dass
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3. Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag
Familienvermögensverwaltungsgesellschaften sind meist als Kommanditgesellschaft ausgestaltet, wobei die Eltern Komplementäre und die Kinder und Enkelkinder Kommanditisten werden.
3.1 Laufzeitregelungen
Bei Familienvermögensverwaltungsgesellschaften wurde bisher immer ein Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts für die Zeit von bis zu 30 Jahren für zulässig gehalten (BGH 19.1.67, II ZR 27/65, MDR 67, 384). Inzwischen wird teilweise ein Zeitraum von 30 Jahren für zu lang angesehen (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 132 Rn. 13). Auch der BGH hielt jüngst eine feste Laufzeit von 30 Jahren bei einer Anwaltssozietät für unwirksam, da die vertragliche Bindung der Gesellschafter von so langer Dauer sei, dass bei Vertragsschluss die Entwicklungen und damit die Auswirkungen auf die Gesellschafter unüberschaubar seien. Ausschlaggebend für die Entscheidungen war aber wohl die mögliche Gefährdung der Berufsfreiheit des Kündigenden (BGH 18.9.06, II ZR 137/04, NJW 07, 295). Dies wäre bei reinen Vermögensverwaltungsgesellschaften aber gerade nicht der Fall. Laut BGH lässt sich die Frage, wo die zeitliche Grenze zulässiger Zeitbestimmungen liegt, auch nicht abstrakt, sondern nur unter Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls bestimmen. Hierbei seien auf der einen Seite die schutzwürdigen Interessen der Gesellschafter an einer absehbaren, einseitigen Lösungsmöglichkeit, auf der anderen Seite aber auch die Struktur der Gesellschaft, die Art und das Ausmaß der für die Beteiligten aus dem Gesellschaftsvertrag folgenden Pflichten sowie das durch den Gesellschaftsvertrag begründete Interesse an einem möglichst langfristigen Bestand der Gesellschaft in den Blick zu nehmen. Danach müsste bei reinen Vermögensverwaltungsgesellschaften nach wie vor eine Laufzeit von 30 Jahren zulässig sein, wenn keine Wettbewerbsverbote für die Gesellschafter in die Gesellschaftsverträge aufgenommen werden.
Zudem sollte überlegt werden, ob nicht nach dem Tode der Eltern eine ordentliche Kündigung bewusst zugelassen wird, um ausstiegswillige Familienmitglieder nicht gegen deren Willen an die Gesellschaft zu „fesseln“. Das Risiko eines übermäßigen Liquiditätsabflusses kann durch geeignete Regelungen zur Abfindung minimiert werden. Zudem kann z.B. in den Übertragungsverträgen ein Rückforderungsrecht für den Fall der Gesellschaftskündigung vor Erreichen eines bestimmten Alters vorgesehen werden.
Musterformulierung / Laufzeitregelung - Beginn und Ende der Gesellschaft, Kündigung |
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3.2 Abfindungsregelungen
Ein ausscheidender Gesellschafter hat grundsätzlich einen Anspruch auf Abfindung zum vollen Wert seiner Beteiligung. Die Abfindung ausscheidender Gesellschafter kann aber im Gesellschaftsvertrag betragsmäßig reduziert oder über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Im Erbfall kann die Abfindung sogar in bestimmten Fällen ganz ausgeschlossen werden.
3.2.1 Abfindungshöhe
Der BGH hält eine Abfindungsregelung gemäß § 138 Abs. 1 BGB für nichtig, wenn eine vertraglich vereinbarte Abfindung in einem groben Missverhältnis zu der Abfindung nach dem vollen wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils steht (BGH 16.12.91, II ZR 58/91, MDR 92, 355). Ein grobes Missverhältnis liegt vor, wenn die gesetzlich vorgesehene Abfindung nach dem Verkehrswert vollkommen unangemessen verkürzt wird. Schematische prozentuale Grenzen für das Vorliegen eines groben Missverhältnisses gibt es nicht, da stets eine Einzelfallabwägung zwischen den Vermögensinteressen des betroffenen ausscheidenden Gesellschafters und dem Bestandsinteresse der Gesellschaft sowie der verbleibenden Gesellschafter vorzunehmen ist. Eine Abfindung i.H. von 75 Prozent des Verkehrswertes wird allgemein für wirksam erachtet.
3.2.2 Regelung der Auszahlungsmodalitäten
Der Gesellschaftsvertrag kann auch hinsichtlich der Auszahlungsmodalitäten Regelungen treffen. Üblich ist insoweit eine zeitliche Streckung, etwa Auszahlung in mehreren gleichen Jahres- oder Halbjahresraten bei marktüblicher Verzinsung. Jedoch darf auch diesbezüglich nicht grob unbillig von der gesetzlichen Regelung des § 271 BGB abgewichen und ein übermäßig langer Auszahlungszeitraum bestimmt werden. Ein Auszahlungszeitraum von bis zu fünf Jahren ist in der Regel nicht zu beanstanden. Bei einer sonst gesellschafterfreundlichen Abfindungsklausel kann unter Umständen auch ein längerer Zeitraum noch angemessen sein.
3.2.3 Abfindungsausschluss bei Tod eines Gesellschafters
Es wird von der Rechtsprechung und Literatur nach wie vor zugelassen, dass die Abfindung für Erben, die nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags nicht nachfolgeberechtigt sind, völlig ausgeschlossen wird (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 131 Rn. 62; BGH 22.11.56, II ZR 222/55, BGHZ 22, 186).
3.2.4 Rechtsfolge unwirksamer Abfindungsklauseln
Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Abfindungsklausel ist danach zu differenzieren, ob von Anfang an ein Missverhältnis zwischen der vertraglich vorgesehenen Abfindungshöhe und der Abfindung nach dem vollen Wert des Geschäftsanteils bestand oder ob sich das Missverhältnis erst nachträglich entwickelt hat. Ist die Abfindungsklausel bereits bei Gründung der Gesellschaft grob unbillig, führt dies zur Nichtigkeit. An die Stelle der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Abfindung tritt dann die gesetzliche Abfindung, also die Abfindung zum vollen Verkehrswert des Geschäftsanteils.
Kommt es nachträglich zu einem erheblichen Missverhältnis zwischen der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Abfindung und der Abfindung nach dem Verkehrswert, ist die gesellschaftsvertragliche Klausel nicht nichtig. Vielmehr ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung des Gesellschaftsvertrags, unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu bestimmen, wie hoch die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters ist. Dabei ist auch die aktuelle Ertrags- und Vermögenslage der Gesellschaft von Bedeutung.
Musterformulierung / Abfindungsklausel |
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3.3 Disquotale Gewinnbezugs- und Stimmrechte
Grundsätzlich ist es zulässig, das Gewinnbezugs- und das Stimmrecht disquotal auszugestalten, also abweichend von der Beteiligung am Gesamtkapital der Gesellschaft (Mutter, Der reziproke Familienpool, ZEV 07, 512; Schulz/Brunner/Werz, Die disproportionale Gewinn- und Stimmrechtsverteilung - ein Instrument für die Nachfolgeplanung, Spezial zu BB 05, Heft 32).
3.3.1 Gewinnbezugsrecht
In Literatur und Rechtsprechung besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Regelung zur Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag von den gesetzlichen Vorgaben und damit auch vom Verhältnis der Kapitalanteile abweichen kann. Für die KG regelt § 168 Abs. 2 HBG dies ausdrücklich. Kritisch sind nur extrem disquotal ausgestaltete Gewinnverteilungsschlüssel (z.B. Gewinnanteil 5 Prozent bei einem Kapitalanteil von 95 Prozent).
Die Finanzverwaltung erkennt disquotale Gewinnbezugsrechte einkommensteuerrechtlich an, wenn für eine vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnverteilung besondere Leistungen eines Gesellschafters ursächlich sind. Schenkungsteuerlich behandelt die Finanzverwaltung die disquotalen Gewinnverteilungsschlüssel wie eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Zudem kann in dem Gesellschaftsvertrag eine die Gründungsgesellschafter begünstigende Entnahmeregelung enthalten sein.
Musterformulierung / Gewinnverteilungs- und Entnahmeklausel |
Gewinn- und Verlustverteilung
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Entnahmen
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3.3.2 Stimmrechte
Bei der Ausgestaltung von disquotalen Stimmrechten muss der Bestimmtheitsgrundsatz, die Kernbereichslehre und das Belastungsverbot berücksichtigt werden.
Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert, dass sich aus dem Gesellschaftsvertrag eindeutig - und sei es durch Auslegung - ergibt, dass der infrage stehende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen werden soll.
Mit der Kernbereichslehre wird der Schutz des Kernbereichs der Mitgliedschaft eines Gesellschafters vor den Eingriffen seiner Mitgesellschafter sichergestellt. Es gibt dabei schlechthin unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte, zu denen insbesondere das Recht auf Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen, das Kündigungs- bzw. Austrittsrecht aus wichtigem Grund und das Informationsrecht zählen, und die auch nicht mit Zustimmung des Betroffenen aufgehoben werden können.
Zudem gibt es Mitgliedschaftsrechte, über die nur mit Einverständnis des betroffenen Gesellschafters disponiert werden kann. Hierzu gehören insbesondere das Stimmrecht, das Gewinnbezugsrecht, das Recht auf Vermögensbeteiligung bei Liquidation, das Recht auf Abfindung beim Ausscheiden (soweit hierdurch nicht das unverzichtbare Kündigungsrecht aus wichtigem Grund beeinträchtigt wird) sowie Sonderrechte. Die Zustimmung zum Eingriff in Kernbereichsrechte durch Mehrheitsbeschluss kann im Gesellschaftsvertrag antizipiert werden.
Das Belastungsverbot führt schließlich dazu, dass einem Gesellschafter ohne sein Einverständnis grundsätzlich keine Pflichten aufgebürdet werden dürfen. Soll eine derartige Belastung durch Mehrheitsbeschluss ermöglicht werden, muss sie nach Art und Ausmaß im Gesellschaftsvertrag so genau bestimmt werden, dass die an eine antizipierte Zustimmung des belasteten Gesellschafters zu stellenden Anforderungen erfüllt sind.
4. Lösung
Durch die Einbringung der vermieteten Immobilien und des Wertpapierdepots in die Familienvermögensverwaltungsgesellschaft durch die Eheleute M und F und die Beteiligung der Kinder und Enkelkinder können die Freibeträge voll ausgenutzt werden, ohne jedoch das Familienvermögen zu „zersplittern“.
M und F erhalten weiterhin den gewünschten bzw. benötigten Teil der Erträge. Über die Entnahmeregelung ist sichergestellt, dass ausreichend hohe Mindestentnahmen auch dann möglich sind, wenn die Gesellschaft z.B. durch Investitionen oder Reparaturen keinen Gewinn macht.
Durch die Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag können M und F die Geschicke der Gesellschaft frei bestimmen. Dies gilt auch dann, wenn sie zukünftig noch geringer an der Substanz beteiligt sein sollten, da erneut zur Ausnutzung der Schenkungsteuerfreibeträge Anteile auf die Kinder und Enkelkinder übertragen wurden.
Die selbst bewohnte Immobilie sowie noch vorhandene Fest- und Tagesgeldkonten behalten M und F aus emotionalen Gründen bewusst in ihrem eigenen Bestand.
Testamentarisch können M und F sich jetzt wechselseitig zu Erben einsetzen, ohne dadurch erbschaftsteuerliche Probleme auszulösen. Der Erstversterbende kann nämlich seine Gesellschaftsanteile an der Familienvermögensverwaltungsgesellschaft vermächtnisweise den Kindern und Enkelkindern zuwenden und aufgrund der Regelungen in dem Gesellschaftsvertrag weiter die Geschicke der Gesellschaft frei bestimmen und in unverminderter Höhe Erträge aus der Gesellschaft erhalten.
Weiterführender Hinweis
- Beckervordersandfort, Nachfolgegestaltung mithilfe des Gesellschaftsrechts, ErbBstg 11, 227 ff.