· Fachbeitrag · Bewertungsgesetz
Bedarfsbewertung von Grundstücken: Ansatz der erzielten Miete
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
|
Sachverhalt
Die Klägerin K hielt Beteiligungen an Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe (UG). Für ErbSt-Zwecke war ein bebautes Grundstück zu bewerten, das innerhalb der UG vermietet war (Betriebsaufspaltung). Als Jahresmiete waren 4,5 % der Investitionskosten vereinbart anstelle der in der UG üblichen 6 %. K begehrte den Ansatz des niedrigeren gemeinen Werts gemäß einem von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (WPG) erstellten Wertgutachten. Das FA legte dem Grundbesitzwert eine übliche Jahresmiete von 7,5 % der Investitionskosten zugrunde und ließ das Wertgutachten unberücksichtigt. Auch das FG (FG Nürnberg 6.10.11, 4 K 816/09) lehnte das Gutachten ab. Es setzte nicht die vereinbarte Miete, sondern 6 % der Investitionskosten als Miete nach § 146 Abs. 2 BewG an und berief sich dabei auf § 42 AO.
Entscheidungsgründe
Es ist die erzielte und nicht die übliche Miete anzusetzen. Einen niedrigeren gemeinen Wert hat K nicht nachgewiesen. Nach § 146 Abs. 2 S. 1 BewG ist der Wert eines bebauten Grundstücks das 12,5-Fache der im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmiete, vermindert um die Wertminderung wegen des Gebäudealters. Jahresmiete ist das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Nutzung der bebauten Grundstücke vertragsgemäß für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen haben (§ 146 Abs. 2 S. 2 BewG). Nach § 146 Abs. 3 S. 1 BewG tritt an die Stelle der Jahresmiete die übliche Miete, wenn ein bebautes Grundstück oder Teile hiervon nicht oder vom Eigentümer oder dessen Familie selbst genutzt, anderen unentgeltlich zur Nutzung überlassen oder an Angehörige oder Arbeitnehmer des Eigentümers vermietet wurde.
Die Vermietung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung führt nicht dazu, dass das Grundstück als durch die Besitzgesellschaft „selbst genutzt“ anzusehen ist. Besitzgesellschaft und Betriebsgesellschaft sind rechtlich und steuerrechtlich eigenständig, wie zwei selbstständige Unternehmen zu behandeln (BFH 8.11.71, GrS 2/71, BStBl II 72, 63; BFH 2.2.05, II R 4/03, BStBl II 05, 426). Unerheblich ist, in welches Betriebsvermögen das Grundstück ertragsteuerrechtlich gehört. Selbst wenn es Sonderbetriebsvermögen im Gewerbebetrieb des Mieters ist, ergibt sich daraus kein der Anwendung des § 146 Abs. 2 BewG vorgelagertes bewertungsrechtliches Hindernis, die erzielten Mieten zur Bestimmung der Jahresmiete nach § 146 Abs. 2 BewG heranzuziehen (BFH 17.3.08 II B 3/08, BFH/NV 08, 929).
Der Ansatz einer Jahresmiete von 4,5 % der Investitionskosten anstelle der in der UG üblichen 6 % ist auch nicht über § 42 AO zu fordern. Die Vereinbarung einer niedrigeren statt der üblichen Miete erfolgt im Wege der Nutzung von Gestaltungsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber eröffnet hat, da er im Rahmen des § 146 Abs. 2 BewG allein auf die erzielte Miete abstellt und nur in den in § 146 Abs. 3 BewG benannten Ausnahmen davon abweicht.
Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes nach § 146 Abs. 7 BewG durch ein Wertgutachten kann nur durch den örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erfolgen (BFH 10.11.04, II R 69/01, BStBl II 05, 259). Vorliegend wurde das Gutachten zwar von einer vertretungsbefugten Person der WPG unterschrieben, die nach einem internationalen Zertifikat ein Fachmann auf dem Gebiet der Immobilienbewertung ist. Die WPG selbst ist aber keine Sachverständige für die Bewertung von Grundstücken.
Praxishinweis
Mit Wirkung zum 1.1.07 hat der Gesetzgeber in § 146 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BewG geregelt, dass an die Stelle der Jahresmiete die übliche Miete für solche Grundstücke tritt, die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat.
Die Möglichkeit des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts unbebauter oder bebauter Grundstücke wurde mit Wirkung vom 1.1.07 in § 138 Abs. 4 BewG und sodann zum 1.1.09 durch das ErbStRG in § 198 BewG fortgeführt.
Entspricht ein Wertgutachten nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen, berechtigt dies nicht ohne Weiteres dazu, das Gutachten insgesamt unberücksichtigt zu lassen. Ist etwa ein vorgenommener Abschlag nicht hinreichend begründet, ist nur dieser Abschlag zu streichen. Etwaige Lücken im Gutachten können vom FA und vom FG selbst geschlossen werden, wenn und soweit dies ohne Sachverständige im üblichen Rahmen einer Beweiswürdigung möglich ist (BFH 9.9.09, II B 69/09, BFH/NV 09, 1972).
Einem Gutachten, das bei Fehlen bewertungsrechtlicher Sonderregelungen den Vorgaben der Wertermittlungsverordnung vom 6.12.88 (BGBl I 88, 2209) bzw. für Bewertungsstichtage ab 1.7.10 den Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19.5.10 (BGBl I 10, 639) entspricht und plausibel ist, ist nach Ansicht des BFH regelmäßig zu folgen. Nimmt der Sachverständige Abschläge vom Bodenwert vor, müssen sie objektivierbar und grundstücksbezogen begründet sein, und zwar nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach (BFH 3.12.08, II R 19/08, BStBl II 09, 403; BFH 5.5.10, II R 25/09, BStBl II 11, 203).