· Fachbeitrag · Einkommensteuer
Zinsen auf den Ausgleichsanspruch für den Pflichtteilsverzicht stellen Kapitaleinkünfte dar
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
| Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür einen fälligen Zahlungsanspruch, so führt die Verzinsung dieses Zahlungsanspruchs zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. |
Sachverhalt
Klägerin K schloss im Jahr 1994 mit ihren Eltern einen Pflichtteilsverzichtsvertrag ab. Darin verzichtete K gegenüber dem überlebenden Elternteil auf ihren gesetzlichen Pflichtteil gegen Zahlung von umgerechnet 76.693 EUR. Der Betrag sollte erst nach dem Ableben des letztversterbenden Elternteils nebst Zinsen von 5 % p. a. ausgezahlt werden.
Im Jahr 2015 verfassten die Eltern ein Testament. Daraufhin wurden der gestundete Betrag von 76.693 EUR und die Zinsen von 81.011 EUR an K ausgezahlt. Das FA war der Ansicht, dass die gezahlten Zinsen als Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig sind. Das FG Berlin-Brandenburg gab der Klage statt. In der Zahlung der Eltern sei kein steuerpflichtiger Zinsanteil enthalten. K habe aufgrund des Pflichtteilsverzichts einen Anspruch erhalten, der auf Zahlung eines insgesamt unbestimmten Gesamtbetrags gerichtet gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Zinsen für die Stundung der Ausgleichszahlung unterliegen im Zahlungsjahr 2015 dem § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Denn zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (BFH 6.8.19, VIII R 22/17, Abruf-Nr. 213175).
Kapitalforderungen sind alle auf Geldleistung gerichtete Forderungen ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs (BFH 27.10.15, VIII R 70/13, BFH/NV 16, 736). Unerheblich ist, ob die zugrunde liegende Kapitalforderung selbst steuerbar und die Kapitalüberlassung freiwillig erfolgt ist (BFH 9.6.15, VIII R 18/12, BStBl II 16, 523).
Erforderlich ist aber die Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte. Dies kann etwa durch Hingabe als endfälliges oder in Raten zu tilgendes Darlehen, durch Novation eines bestehenden Zahlungsanspruchs in ein Darlehen oder durch zeitliche Streckung eines Zahlungsanspruchs mittels Verrentung erfolgen. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die überlassene Kapitalnutzung sind (BFH 20.11.12, VIII R 57/10, BStBl II 14, 56).
Im Streitfall erwarb K nach dem Pflichtteilsverzichtsvertrag eine Forderung gegen ihre Eltern, die am 31.12.94 fällig war. Zwar unterliegt das Entgelt für den Verzicht auf den Pflichtteil nicht der Besteuerung, da es sich bei der Regulierung der Vermögensnachfolge um einen erbrechtlich, bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich unentgeltlichen Vertrag handelt (BFH 20.11.12, VIII R 57/10, BStBl II 14, 56). K hatte den Eltern jedoch durch die Stundung der fälligen Ausgleichsforderung einen Kredit gewährt. Die hierfür gezahlten Zinsen sind steuerpflichtig nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
Relevanz für die Praxis
Anders verhält es sich, wenn ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche verzichtet und dafür von den Eltern wiederkehrende Zahlungen erhält. In diesem Fall liegen kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern vor. Die wiederkehrenden Zahlungen enthalten daher keinen einkommensteuerbaren Zinsanteil (BFH 9.2.10, VIII R 43/06 und VIII R 35/07). Erträge, die auf einer testamentarisch angeordneten Verzinsung eines erst fünf Jahre nach dem Tod des Erblassers fälligen betagten Vermächtnisanspruchs beruhen, sind hingegen beim Vermächtnisnehmer Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (BFH 20.10.15, VIII R 40/13).