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  • · Fachbeitrag · Privates Veräußerungsgeschäft

    Unentgeltlicher Erwerb bei Übertragung ohne Übernahme der Darlehen des Rechtsvorgängers

    von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin

    | Ein unentgeltlicher Erwerb i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 3 EStG liegt vor, wenn ein Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wird und dem Übergeber zwar ein (dingliches) Wohnrecht eingeräumt wird, die durch Grundschulden auf dem Grundstück abgesicherten Darlehen des Rechtsvorgängers aber nicht übernommen werden. Des Weiteren hat der BFH noch klargestellt, dass die unentgeltliche Nutzung durch Verwandte in gerader Linie keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken darstellt und für die Anwendung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG nicht ausreicht. |

     

    Sachverhalt

    Die Tochter erwarb am 27.10.04 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter unter Übernahme der im Grundbuch eingetragenen Grundschulden ein Grundstück. Die den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehen wurden aber weiterhin von der Mutter bedient. Zugleich bestellte die Tochter ihrer Mutter ein lebenslanges dingliches Wohnrecht. Die Mutter hatte das Grundstück am 8.12.98 erworben und das Hauptgebäude seitdem zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Das Nebengebäude bewohnte die Tochter an den Wochenenden. Am 14.9.07 veräußerte die Tochter das Grundstück lastenfrei und löste vom Kaufpreis die Darlehen der Mutter ab.

     

    Das FA unterwarf den auf die Veräußerung des Hauptgebäudes entfallenden Veräußerungsgewinn der Besteuerung nach § 23 EStG. Die Steuerbefreiung nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG greife nicht, da die Tochter das Hauptgebäude nicht im Jahr der Veräußerung und in den beiden Vorjahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Die spätere Tilgung der Darlehen der Mutter führe bei der Tochter auch nicht zu den Veräußerungsgewinn mindernden nachträglichen Anschaffungskosten. Es handele sich um eine bloße Verwendung des Kaufpreises. Das FG Berlin-Brandenburg bestätigte diese Auffassung.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Revision ist unbegründet. Die Tochter hat das Grundstück unentgeltlich erworben. Zwar stellt die Übernahme von Schulden grds. eine Gegenleistung dar (BFH 5.7.90, GrS 4-6/89). Übernimmt der Erwerber aber nur eine Grundschuld und nicht auch die Verbindlichkeiten, verbleibt es bei der Unentgeltlichkeit des Erwerbs (BFH 3.9.19, IX R 8/18, Abruf-Nr. 213482).

     

    Die Übernahme der Grundschuld führt lediglich zu einer Wertminderung des Grundstücks (BFH 17.11.04, I R 96/02). Das der Mutter eingeräumte Wohnrecht ändert nichts an der Unentgeltlichkeit des Erwerbs. Der Kapitalwert dieses Nutzungsrechts gehört nicht zu den Anschaffungskosten i. S. d. § 255 Abs. 1 HGB. Er mindert lediglich den Wert des übertragenen Vermögens (ständige Rechtsprechung, BFH 31.5.00, IX R 50-51/97).

     

    Die Veräußerung des Grundstücks durch die Tochter erfolgte innerhalb der zehnjährigen Frist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Beim unentgeltlichen Erwerb ist dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung des Wirtschaftsguts durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 S. 3 EStG). Veräußerungsgewinn ist dabei der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis sowie den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten. Anschaffungskosten können auch noch Jahre nach der Anschaffung entstehen ‒ vorausgesetzt, die Aufwendungen fallen zwangsläufig im Gefolge der Anschaffung an (BFH 17.10.01, BFH/NV 02, 700).

     

    Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen allerdings nicht, wenn der Erwerber eines Grundstücks zwecks Löschung eines Grundpfandrechts Schulden tilgt, die er zunächst nicht übernommen hat. Denn die Belastung mit einer Grundschuld beruht weder auf einem entgeltlichen Anschaffungsgeschäft noch verändert sie die Nutzbarkeit des Grundstücks oder dient der Herstellung eines betriebsbereiten Zustands. Die Belastung sichert auch nicht den Übergang in die Verfügungsmacht des Erwerbers, da sie nur den Darlehensanspruch des Gläubigers, nicht aber den Verschaffungsanspruch des Erwerbers absichert.

     

    Auch die Löschung der Grundschuld führt nicht zu einer (weitergehenden) Verschaffung der Verfügungsmacht über das Grundstück. Der Grundstückseigentümer kann das Grundstück, wie in der Praxis üblich, lastenfrei auf den Erwerber übertragen und die den Grundschulden zugrunde liegenden Verbindlichkeiten tilgen. Alternativ kann er die Grundschuld auch bestehen lassen und mit dem Erwerber eine Übernahme der besicherten Darlehen vereinbaren.

     

    Die Tilgung der Darlehen führt auch nicht zu abziehbaren Veräußerungskosten nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 3 EStG. Die Tochter hat hier nur private Verbindlichkeiten der Mutter getilgt. Diese Mittelverwendung steht mit der Veräußerung weder unmittelbar noch mittelbar im Zusammenhang.

     

    Relevanz für die Praxis

    Erwirbt ein Steuerpflichtiger einen mit einem dinglichen Nutzungsrecht belasteten Gegenstand, erhält er zunächst um das Nutzungsrecht gemindertes Eigentum. Löst er das Nutzungsrecht ab, verschafft er sich die vollständige Eigentümerbefugnis an dem Gegenstand. Daher sind Aufwendungen zur Befreiung von einem Nießbrauch als nachträgliche Anschaffungskosten einzustufen (BFH 15.12.92, IX R 323/87, BStBl II 93, 488).

     

    Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne es zugleich selbst zu bewohnen (BFH 27.6.17, IX R 37/16, BStBl II 17, 1192).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zu einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit: BFH 7.6.18, IV R 37/15, BFH/NV 18, 1082
    Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 83 | ID 46342491