· Fachbeitrag · Verfahrensrecht
An einen Miterben „als Rechtsnachfolger“ adressierter ESt-Bescheid nichtig
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
Ein ESt-Bescheid ist wegen inhaltlicher, auf einem Adressierungsmangel beruhender Unbestimmtheit nichtig, wenn der Bescheid allein einem der Miterben „als Rechtsnachfolger“ eines verstorbenen Steuerpflichtigen bekanntgegeben worden ist (FG Münster 19.4.13, 14 K 3020/10 E, Abruf-Nr. 140583, Rev. eingelegt, BFH VIII R 59/13). |
Sachverhalt
Der Kläger K war als Steuerberater (StB) vom Erblasser E mandatiert. E wurde von fünf Personen in Erbengemeinschaft, der auch K angehörte, beerbt. Das FA erließ für das Todesjahr einen ESt-Bescheid, den es an eine von einer Miterbin beauftragte Sozietät „als Empfangsbevollmächtigte für die Rechtsnachfolger des E“ und an K „als Rechtsnachfolger für E“ bekannt gab. In keinem der beiden Bescheide wurden die Mitglieder der Erbengemeinschaft einzeln benannt. Auch enthalten beide Versionen keinen Hinweis auf die Gesamtschuldnerschaft der Miterben sowie darauf, dass ein Bescheid gleichen Inhalts auch noch anderen Personen bzw. einer anderen Person zugesandt wurde. K vertrat die Ansicht, der gegen ihn erlassene Bescheid sei wegen inhaltlicher, auf einem Adressierungsmangel beruhender Unbestimmtheit nichtig (§ 125 Abs. 1 AO) und unwirksam (§ 124 Abs. 3 AO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Dies ist der Fall, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht so bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO), dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird (BFH 19.8.99, IV R 34/98, BFH/NV 01, 409). Steuerbescheide müssen nach § 157 Abs. 1 S. 2 AO angeben, wer die Steuer schuldet. Ein ESt-Bescheid, der sich an Erben richtet, ist nur wirksam, wenn diese namentlich als Inhaltsadressaten aufgeführt sind oder sich durch Auslegung des Bescheids ergibt, welche Personen als Erben (= Inhaltsadressaten und Steuerschuldner) angesprochen werden sollen (BFH 17.11.05, III R 8/03, BStBl II 06, 287). Die Erben müssen dabei nicht aus dem Bescheid oder den beigefügten Unterlagen für einen Dritten erkennbar sein. Eine derartige Auslegung kommt aber nur in Betracht, wenn deren Bezeichnung im Bescheid nicht eindeutig falsch, sondern mehrdeutig ist (BFH 15.4.10, IV R 67/07, BFH/NV 10, 1606).
Im Streitfall ist die Bezeichnung des K als Rechtsnachfolger für den verstorbenen E eindeutig falsch, da K weder Einzel- noch alleiniger Gesamtrechtsnachfolger des E war. Der Bescheid hätte sich unabhängig von der Person des Bekanntgabeempfängers an die fünf Miterben richten müssen, die gemeinsam Gesamtrechtsnachfolger des E waren.
Praxishinweis
Ein ESt-Bescheid ist wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit auch nichtig, wenn er ergeht, obgleich bereits ein wirksamer ESt-Bescheid gegenüber demselben Adressaten erlassen wurde, ohne das Verhältnis zu diesem Bescheid klarzustellen (BFH 23.8.00, X R 27/98, BStBl II 01, 662).
Ein infolge inhaltlicher Unbestimmtheit nichtiger Verwaltungsakt wird auch nicht mittels Einspruchsentscheidung wirksam (BFH 26.3.91, VIII R 210/85, BFH/NV 92, 73). Im Streitfall hatte der Kläger als Reaktion auf den nichtigen Bescheid eine ESt-Erklärung eingereicht. Das FA hatte die Einreichung der Erklärung zu Unrecht als Einspruch gewertet und denselben zurückgewiesen.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist für eine Auslegung, an wen der Steuerbescheid sich richtet, kein Raum, wenn in einem ESt-Bescheid ohne namentliche Anführung der Beteiligten eine Erbengemeinschaft als Inhaltsadressat benannt wird („Erbengemeinschaft nach Herrn Adam Meier“) und zugleich der Hinweis auf die Gesamtrechtsnachfolge unterbleibt. Die Angabe, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 S. 2 AO), fehlt hier, denn eine Erbengemeinschaft kann nicht Schuldnerin der ESt sein (AEAO zu § 122 AO in Tz. 2.12.3).