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  • · Fachbeitrag · Annahme als Kind

    Adoption eines Volljährigen zur Vorbereitung der Unternehmensnachfolge

    von RA und Notar, StB, FA ErbR Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn

    | Das OLG Schleswig hatte sich in seinem Beschluss vom 1.8.19 mit der Frage der sittlichen Rechtfertigung einer Annahme als Kind zu beschäftigen. Es ging um die Adoption eines Volljährigen, der schon lange im Familienunternehmen tätig war und insbesondere um die Frage, ob die Belange des leiblichen Kindes dabei nicht unangemessen beeinträchtigt werden. |

     

    Sachverhalt

    Der verwitwete 93-jährige A beantragte, den 43-jährigen B als Kind anzunehmen. Das Vorliegen eines Eltern-Kind-Verhältnisses wurde mit häufigen Kontakten und gegenseitigem Beistand begründet. Zudem hatte der A den B in einer umfassenden General- und Vorsorgevollmacht als Bevollmächtigten eingesetzt, und B war bereits lange Jahre als Geschäftsführer im Unternehmen des A beschäftigt.

     

    Dagegen wandte sich der leibliche Sohn S des A. Er ist der Auffassung, bereits der große Altersunterschied spreche gegen die sittliche Rechtfertigung. Zudem handele es sich um eine rein geschäftliche Beziehung. Weiter hatte er argumentiert, dass er anstatt des gesamten Nachlasses im Fall der Annahme des B bei gesetzlicher Erbfolge nur noch die Hälfte bekomme. Selbst wenn dieser nur den Pflichtteil verlangen könne, handele es sich um einen beträchtlichen Teil des Nachlasses. Und zu allem Überfluss diene die Adoption lediglich der Steuerersparnis.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG Schleswig (1.8.19, 8 UF 102/19, Abruf-Nr. 217569) gab dem Antrag auf Annahme als Kind statt. Nach § 1767 Abs. 1 BGB kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Dies hält das Gericht hier für gegeben. Maßgeblich waren dabei die folgenden Erwägungen:

     

    • Die Beteiligten hatten seit langer Zeit vielfache persönliche private Kontakte ‒ sowohl im Alltag als auch auf zahlreichen Urlaubsreisen und Familienfeiern.

     

    • Mit der Vorsorgevollmacht habe der A dem B gegenüber ein umfassendes persönliches Vertrauen entgegengebracht.

     

    • B hatte dem A in besonderem Maß Beistand und Rücksicht zukommen lassen. Dies schloss das Gericht aus der Unterstützung des A bei der Bewältigung der Folgen eines in Schweden erlittenen Herzinfarkts, der für den B Anlass zu einer sofortigen Anreise nach Schweden war.

     

    • Weiter verfolge der A mit seinem Wunsch, einen Erben zur Fortführung seines unternehmerischen Lebenswerkes zu haben, ein familienbezogenes Motiv. Ihm gehe es darum, „das selbst geschaffene oder ausgebaute Unternehmen dauerhaft zu erhalten und im Ruhestand oder nach dem Ableben in guten Händen zu wissen“.

     

    Nach Auffassung des Gerichts sei es unter diesen Voraussetzungen unschädlich, dass die Beteiligten mit der Annahme möglicherweise Nebenzwecke wie etwa eine Steuerersparnis oder eine Verringerung des Pflichtteils des Beteiligten S erreichen wollen. Dabei hält es auch den Altersunterschied für akzeptabel. Der Altersabstand von fünfzig Jahren entspreche noch in etwa dem zwischen Eltern und leiblichen Kindern. Tatsächlich war und ist es nicht unüblich, dass Männer im Alter von 50 Jahren und älter Vater werden.

     

    Die Voraussetzungen des Verbots der Annahme nach § 1769 BGB liegen nicht vor. Danach darf die Annahme eines Volljährigen nicht ausgesprochen werden, wenn ihr überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen. Das Gericht sieht hier zwar, dass die Interessen des S betroffen sind, erachtet diese jedoch nicht als überwiegend.

     

    Relevanz für die Praxis

    Bei der Annahme eines Volljährigen sind auch die Vermögensinteressen der Beteiligten zu beachten. Etwa wenn die Annahme das Erbrecht oder sonstige Vermögensinteressen vorhandener Kinder unangemessen beeinträchtigt. Allerdings führt nicht schon jede Beeinträchtigung erbrechtlicher Ansprüche dazu, dass dies die Annahme ausschließt. Wäre es anders, wäre eine Volljährigenadoption praktisch nur bei Kinderlosigkeit des Annehmenden möglich. Kinderlosigkeit ist jedoch keine Voraussetzung der Annahme als Kind.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2020 | Seite 220 | ID 46717157