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  • · Fachbeitrag · Grundbuchamt

    Grundbuchamt verlangt Erbschein - trotz Vorlage eines Erbvertrags

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    Ein Grundbuchamt hat einen Erbvertrag auszulegen. Die Vorlage eines Erbscheins kann nur verlangt werden, wenn entscheidungserheblicher Sachverhalt aufzuklären ist. Zur Auslegung eines Testaments, in dem eine Nacherbfolge und eine Schlusserbfolge angeordnet sind (OLG Hamm 26.7.13, 15 W 248/13, Abruf-Nr. 133013).

     

    Sachverhalt

    Die verstorbenen Ehegatten sind im Grundbuch zu je ½ Anteil als Miteigentümer eingetragen. Die Ehegatten hatten einen notariellen Erbvertrag errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten, die beiden Kinder sollten Nacherben zu je ½ werden. Nachdem beide Elternteile verstorben waren, beantragten die Kinder, sie aufgrund des Erbvertrags als Eigentümer im Grundbuch einzutragen. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung beanstandet, dass die Erbenstellung der Beteiligten wegen des in sich nicht widerspruchsfreien Wortlauts der notariellen Urkunde nicht hinreichend nachgewiesen sei, und verlangt die Vorlage eines Erbscheins.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach § 35 Abs. 1 S. 2 HS. 1 GBO kann eine in einer öffentlichen Urkunde enthaltene letztwillige Verfügung Grundlage einer Grundbuchberichtigung nach Eintritt der Erbfolge sein. Nur wenn das Grundbuchamt die Erbfolge durch die vorgelegte Urkunde nicht für nachgewiesen erachtet, kann es die Vorlage eines Erbscheins verlangen. Das Grundbuchamt ist dabei verpflichtet, die in einer öffentlichen Urkunde errichtete letztwillige Verfügung in eigener Verantwortung auszulegen, wobei die gesetzlichen Auslegungsregeln zu berücksichtigen sind. Nur Zweifel tatsächlicher Art, die die Erforderlichkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung begründen, berechtigen das Grundbuchamt, die Berichtigung von der Vorlage eines Erbscheins abhängig zu machen.

     

    Nach diesen Grundsätzen lässt sich aus der notariellen Urkunde nicht mit einer die Erforderlichkeit weiterer tatsächlicher Ermittlungen ausschließenden Gewissheit ableiten, dass die Ehegatten sich i.S. des § 2269 BGB gegenseitig zu (Voll-)Erben und die Kinder zu Schlusserben nach dem Letztversterbenden einsetzen wollten. Der Wortlaut der notariellen Urkunde ist in diesem Zusammenhang nicht widerspruchsfrei. Einerseits setzten sich die Ehegatten als Vollerben des Erstversterbenden ein (Einheitslösung). Andererseits werden die Kinder in der notariellen Urkunde zu Nacherben eingesetzt. Mit dem Tod des Vorerben treten zwei rechtlich gesonderte Erbfälle ein, nämlich der Nacherbfall in das von dem erstverstorbenen Ehegatten hinterlassene Vermögen und der (Schluss-)Erbfall in das eigene Vermögen des überlebenden Ehegatten (Trennungslösung). Grundsätzlich wäre in einem solchen Fall tatsächlich die Vorlage eines Erbscheins erforderlich, da der notarielle Erbvertrag in sich widersprüchliche Anordnungen enthält.

     

    Das Gericht gelangt hier gleichwohl zu einer abweichenden Sachentscheidung, weil die weitere Auslegung des Erbvertrags zu dem Ergebnis führt, dass auch bei Annahme einer Vor- und Nacherbfolge nach dem erstverstorbenen Ehegatten daneben eine Schlusserbeinsetzung der Kinder nach dem letztverstorbenen Ehegatten angeordnet ist.

     

    Die gesetzliche Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB ist hier - auch vom Grundbuchamt - zu beachten. Danach ist im Zweifel anzunehmen, dass der Nacherbe für den Fall des Wegfalls des Vorerben zugleich als Ersatzerbe berufen ist. Eine solche Situation ist hier im Hinblick auf die letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten gegeben. Seine Einsetzung des erstverstorbenen Ehegatten als Vorerben ist gegenstandslos, sodass insoweit auch eine Nacherbfolge nicht eintreten kann. Es kommt nur eine Ersatzerbfolge in Betracht. Das Nebeneinander von Nacherbfolge nach dem erstverstorbenen Ehegatten und Schlusserbfolge nach dem Letztversterbenden führt dann zu demselben im Grundbuch zu verlautbarenden Ergebnis, nämlich einer Eigentümerstellung der beiden Kinder am Gesamtgrundstück in Erbengemeinschaft.

     

    Praxishinweis

    Bei der Errichtung von letztwilligen Verfügungen wird regelmäßig übersehen, dass hier über zwei Vermögensmassen verfügt wird, das Vermögen des Ehemanns und das Vermögen der Ehefrau.

     

    • Im Falle der Einheitslösung (§ 2269 BGB) setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen für den Tod des Zweitversterbenden der Ehegatten einen oder mehrere Schlusserben. Die Schlusserbfolge bezieht sich dann auf das Gesamtvermögen des letztversterbenden Ehegatten, bestehend aus dem Eigenvermögen des Zweitversterbenden und ererbtem Vermögen vom Erstversterbenden, welches sich mit dem ersten Erbfall zu einer Einheit vermischt hat.

     

    • Bei der Trennungslösung hingegen setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Vorerben ein und bestimmen einen oder mehrere Abkömmlinge als Nacherben. Hier bestehen zwei Vermögensmassen: Das im Wege der Vorerbschaft erworbene Vermögen vom erstverstorbenen Ehegatten geht mit dem Tod des Vorerben automatisch an den oder die bestimmten Nacherben über. Daneben existiert - getrennt davon - das Eigenvermögen des zweitversterbenden Ehegatten. In der letztwilligen Verfügungen muss somit auch geregelt werden, wer dieses Eigenvermögen erhalten, wer also Schlusserbe nach dem Letztversterbenden der Ehegatten werden soll.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Slabon, Einheits- oder Trennungslösung, Nacherbe oder Schlusserbe?, ErbBstg 12, 210 f.
    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 252 | ID 42317794