· Fachbeitrag · Testamentsauslegung
Unklares Testament: Ehegatte Alleinerbe oder bezüglich des Hausgrundstücks nur Vorerbe?
von RA und Notar, StB, FA ErbR, Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn
| Das OLG Brandenburg hatte sich in seinem Beschluss vom 2.11.23 (3 W 117/22) mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit die gegenständliche „Vererbung eines Hauses“ eine beschränkte Vor- und Nacherbfolge darstellen kann. Dabei war der wirkliche Wille der Erblasserin aufgrund der unklaren Formulierungen im Testament nicht leicht zu ermitteln. Doch unabhängig davon, zu welchem Ergebnis man im Streitfall kommt, lehrt die Praxis jedenfalls eines: Die rechtlichen Konsequenzen einer angeordneten Vor- und Nacherbfolge sind dem Erblasser oft nicht bewusst und der Vorerbe hat dann mit den negativen Konsequenzen zu kämpfen. |
Sachverhalt
Die spätere Erblasserin E errichtete ein handschriftliches Testament. Darin heißt es: „Ich, E, hinterlasse mein Haus meinem Enkelsohn R und Mutter B zum freien Bewohnen. [...]. Nach meinem Tode vererbe ich das Haus meinem Enkel R. Später wurde das Testament um folgende Passage ergänzt: „Ich möchte noch hinzufügen, dass kein Dritter an mein Haus Anspruch hat. Sollte mein Enkel das Haus nicht bewohnen oder wegziehen, ist das Geschriebene hinfällig. Bitte wenden.“ Auf der Rückseite heißt es weiter: „Sollte ich vor meinem Mann sterben, ist mein Mann der alleinige Erbe meines Vermögens und das Haus. Ich möchte aber, dass mein Mann das Haus unserem Enkel R nach seinem Tode vererbt.“
Tatsächlich ist hier die E vor ihrem Ehemann verstorben. Fraglich war nun, ob der Ehemann Alleinerbe geworden ist oder ob der Ehemann als Vorerbe und R als Nacherbe eingesetzt worden ist.
Entscheidungsgründe
Das OLG ist der Auffassung, dass der Ehemann Vorerbe nach der E geworden ist, wobei sich die Vorerbschaft nach dem Willen der E allerdings nur auf das unbewegliche Vermögen, das heißt auf das Hausgrundstück, beziehen sollte (OLG Brandenburg 2.11.23, 3 W 117/22, Abruf-Nr. 239293).
Die E hat in ihrem Testament die Zuwendung an den Enkel R gegenständlich auf das dort genannte Grundstück beschränkt. Dafür, dass sie damit den gesamten Nachlass erfassen wollte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Hier ergibt die Auslegung, dass die E in ihrer Verfügung von Todes wegen nicht nur einen (moralischen) Appell an ihren Ehemann gerichtet hat, er möge das Grundstück in ihrem Sinne an den R vererben, sondern dass sie dies verbindlich festlegen wollte. Der E kam es darauf an, dass R das Hausgrundstück spätestens nach dem Tod ihres Ehemannes erhält. Allerdings scheidet eine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge in das Grundstück grundsätzlich wegen des das Erbrecht beherrschenden Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) aus. Mit dem Erbfall geht das Vermögen kraft Gesetzes (§ 1922 BGB) rechtlich zwingend insgesamt und ungeteilt „als Ganzes“ auf den/die Erben über. Die Erbfolge in einzelne Nachlassgegenstände ist mit dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich unvereinbar.
Damit stellt sich für die Auslegung der Verfügung die Frage, wie die von ihr gegenständlich gedachte Zuwendung im Rahmen der möglichen erbrechtlichen Gestaltungsformen zu erfassen ist, damit die von der Erblasserin gewünschte Wirkung eintreten kann (§ 2084 BGB). Um dem Willen der E Rechnung zu tragen, sind nach Auffassung des OLG unterschiedliche rechtlich wirksame Wege denkbar.
In Betracht käme ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis. Dies würde dem R einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben des Ehemannes der E auf Übertragung des Grundstückes gewähren. Allerdings würde dieses Konstrukt nicht zu Verfügungsbeschränkungen zulasten des Erben (hier des Ehemannes) führen.
Eine gegenständlich beschränkte Nacherbfolge kann vielmehr dadurch erreicht werden, dass der Person, die zum Vorerben berufen wird (also hier dem Ehemann der E), alle Nachlassgegenstände mit Ausnahme derjenigen, für die die Vor- und Nacherbschaft gewollt ist, als Vorausvermächtnis zugewendet werden. Das Vorausvermächtnis unterliegt als solches nicht der Nacherbfolge (§ 2110 Abs. 2 BGB).
Relevanz für die Praxis
Die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge sollte immer wohlüberlegt sein, da hiermit erhebliche Nachteile für den Vorerben verbunden sein können ‒ nicht zuletzt Verfügungsbeschränkungen und u. U. die Auskunftspflichten gegenüber dem Nacherben.
Vielfach schießt daher die reine Vor- und Nacherbfolge über das Regelungsziel des Erblassers hinaus. Setzen sich beispielsweise Ehegatten ‒ z. B. aus Gründen der Minimierung der Pflichtteile einseitiger Abkömmlinge ‒ gegenseitig als Vorerben und die gemeinsamen Abkömmlinge als Nacherben ein, so sollte zumindest der gemeinsame Hausrat nicht den Beschränkungen der Nacherbschaft unterliegen. Hier empfiehlt sich die Anordnung eines Hausratsvorausvermächtnisses.
Soll allein der Grundbesitz „geschützt“ werden, kann die Vor- und Nacherbfolge mit einem universellen Vorausvermächtnis kombiniert werden. Danach erhält der Vorerbe den gesamten Nachlass mit Ausnahme sämtlicher Grundstücke und grundstücksgleicher Rechte im Wege eines Vorausvermächtnisses.
Auf diese Weise kann im Ergebnis eine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge erreicht werden.