· Fachbeitrag · Vor-/Nacherbschaft
Veräußerung eines Grundstücks durch befreiten Vorerben
von RA StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Der befreite Vorerbe kann analog § 2120 BGB von den Nacherben die Zustimmung zur Veräußerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks verlangen, wenn der Vertragsgegner der Vorerben dies fordert (OLG Frankfurt a.M. 20.4.11, 4 U 78/10, Abruf-Nr. 113194). |
Sachverhalt
Die Klägerin, befreite Vorerbin nach ihrem vorverstorbenen Ehemann, nimmt den Beklagten, Nacherbe des Erblassers, auf Zustimmung zur Veräußerung einer zum Nachlass gehörenden Eigentumswohnung sowie Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch in Anspruch. Die Eigentumswohnung soll verkauft werden. In dem notariell beurkundeten Verkaufsangebot wurde die Annahme des Angebots davon abhängig gemacht, dass der Notar den Eingang der Löschungsdokumente der Nacherben bestätigt hat, und damit die Löschung des Nacherbenvermerks sichergestellt ist.
Entscheidungsgründe
Der Anspruch der Kllägerin gegen den Beklagten auf Erteilung der Zustimmung zur Veräußerung erfolgt aus § 2120 BGB analog. Eine direkte Anwendung des § 2120 BGB kommt nicht in Betracht. Die Vorschrift wendet sich in erster Linie an den nichtbefreiten Vorerben. Hier ist eine befreite Vorerbschaft gegeben. Im Falle der befreiten Vorerbschaft hat der Vorerbe gegenüber dem Nacherben keinen Anspruch auf Einwilligung zu solchen Verfügungen, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind, die er aber ohne Einwilligung des Nacherben nicht vornehmen kann. § 2120 BGB gibt dem Vorerben vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, die durch die §§ 2113 bis 2115 BGB eingeschränkte Verfügungsbefugnis zu erweitern und sich Dritten gegenüber entsprechend zu legitimieren.
Für den befreiten Vorerben ist die Zustimmung dagegen regelmäßig nicht nötig, weil der befreite Vorerbe auch über Nachlassgrundstücke ohne Zustimmung des Nacherben wirksam entgeltlich verfügen kann. Fordert der Vertragsgegner des Vorerben die Zustimmung des Nacherben zur Verfügung des befreiten Vorerben über ein Nachlassgrundstück zur eigenen Absicherung, so ließe sich ein solcher Vertrag letztlich ohne die Zustimmung des Nacherben nicht durchführen. Aus praktischen Erwägungen heraus besteht dann ein Anspruch des Vorerben auf Zustimmung durch den Nacherben.
Praxishinweis
Im Falle einer befreiten Vorerbschaft können bei Grundbesitzveräußerungen weitere Schwierigkeiten auftreten, die eine analoge Anwendung des § 2120 BGB rechtfertigen - z.B., wenn der befreite Vorerbe gegenüber dem Grundbuchamt den Nachweis der vollen Entgeltlichkeit der Veräußerung oder der Zustimmung des Nacherben durch Vorlage öffentlicher Urkunden erbringen muss.