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  • 01.08.2007 | Der praktische Fall

    Der Minderjährige und der Fitnessstudiovertrag

    von RA Thurid Neumann, FA Familienrecht, Konstanz

    Oft schließen Minderjährige heimlich oder nur mit Zustimmung eines Elternteils einen Vertrag ab. Danach kommt die Reue oder der Ärger mit den Eltern. Der folgende Beitrag erläutert anhand eines praktischen Falls, welche rechtlichen Konsequenzen der Vertragsschluss hat.  

     

    Beispiel

    Tochter T, 16 Jahre alt, hat entgegen dem ausdrücklichen Verbot ihres Vaters V einen Fitness- und Sportstudiovertrag abgeschlossen, den die Mutter M allein unterschrieben hat. Die Kosten hierfür belaufen sich auf monatlich 50 EUR. Die Laufzeit beträgt zwei Jahre. V möchte Folgendes wissen:  

    1. Ist der Vertrag wirksam zustande gekommen?
    2. Haftet die T?
    3. Haftet die M?
    4. Kommt eine Streitverkündung gegen V in Betracht?
    5. Hat T die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung?
     

    Zustandekommen des Vertrags

    Ein Fitness- und Sportstudiovertrag ist i.d.R. ein gemischter Vertrag mit überwiegend mietrechtlichem Einschlag (Palandt, BGB, 65. Aufl., Vor § 611 Rn. 16, Vor § 535 Rn. 36). Der Vertrag wird daher grundsätzlich nach Mietrecht behandelt, wenn die wesentliche Leistung in entgeltlicher Gebrauchsüberlassung besteht.  

     

    Gemäß § 106 BGB sind Minderjährige, die das siebente Lebensjahr vollendet haben, beschränkt geschäftsfähig. Nach § 107 BGB bedarf ein Minderjähriger zur Abgabe einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Leben die verheirateten Eltern nicht getrennt, müssen beide ihre Einwilligung zu einem solchen Vertrag erteilen, da bei nicht getrennt lebenden oder nicht geschiedenen Eltern keine Alleinentscheidungsbefugnis selbst bei solchen Angelegenheiten existiert, die nicht von erheblicher Bedeutung für das Kind sind. Stimmt nur ein Elternteil dem Vertragsschluss zu, muss der andere den Vertrag genehmigen, § 108 Abs. 1 BGB. Der ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter geschlossene Vertrag, der nicht lediglich vorteilhaft ist, ist zunächst schwebend unwirksam. Die Parteien können aus ihm keine Rechte und Pflichten herleiten, sind aber an ihn gebunden (Palandt, a.a.O., § 108 Rn. 1).  

     

    Lösung

    Zu 1 (wirksamer Vertragsschluss?): T ist beschränkt geschäftsfähig, § 106 BGB. Sie bedarf zur Abgabe der Willenserklärung, die auf den Abschluss des Fitness- und Sportstudiovertrags gerichtet ist, der Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter M und V, da der Abschluss des Vertrags nicht lediglich rechtlich vorteilhaft für sie ist. Denn sie verpflichtet sich zur Zahlung des monatlichen Entgelts. Da nur M dem Vertragsschluss zugestimmt hat, muss V ihn genehmigen, damit er gemäß § 184 Abs. 1 BGB von Anfang an wirksam ist. Verweigert V jedoch die Genehmigung, wird der Vertrag endgültig unwirksam (Palandt, a.a.O., § 108 Rn. 3).  

     

    Zu 2 – Haftung der T: Für den Fall, dass V den Vertrag nicht genehmigt, gilt Folgendes:  

     

    • § 812 BGB: Die Rückabwicklung der beiderseitigen Leistungen erfolgt nach § 812 BGB. Streitig ist, ob T abweichend von § 818 Abs. 2 BGB nur unter den Voraussetzungen des § 819 BGB auch Ersatz für die von ihr erhaltenen Gebrauchsvorteile und empfangenen Dienste zu leisten braucht.

     

    • Überwiegend wird ein Bereicherungsanspruch mit der Begründung abgelehnt, eine Verpflichtung des Minderjährigen zum Ersatz des Werts der Gebrauchsvorteile widerspreche dem in §§ 106 ff. BGB enthaltenen Minderjährigenschutz (Palandt, a.a.O., § 812 Rn. 30). Eine Haftung der T kommt daher nur nach § 819 BGB in Betracht.

     

    • Teilweise wird in der Literatur im Rahmen des § 819 BGB nur auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abgestellt (KG NJW 98, 2911). Danach würde T nur verschärft haften, wenn ihre Mutter Kenntnis von der Unwirksamkeit des Vertrags gehabt hätte.

     

    • Zum Teil wird zwischen Leistungs- und Eingriffskondiktion unterschieden. Während bei der Leistungskondiktion der vorrangige Gesichtspunkt des Schutzes Minderjähriger bei dessen alleiniger Kenntnis die Anwendung der verschärften Haftung verbiete, müsse bei der Eingriffskondiktion als Zurechnungsmaßstab auf die Grundsätze der §§ 827, 828 BGB abgestellt werden (KG a.a.O). Eine Leistung ist jede Zuwendung, die bewusst und zweckgerichtet fremdes Vermögen vermehrt (Palandt/Sprau, a.a.O., § 812 Rn. 3). Vorliegend hat T eine Leistung i.S. des Bereicherungsrechts erhalten, da sie aufgrund des (nichtigen) Vertrags ein Nutzungsrecht an den Geräten erlangt hat. T würde daher auch nach dieser Meinung nur verschärft haften, wenn ihre Mutter Kenntnis von der Unwirksamkeit des Vertrages gehabt hätte.

     

    Hätte M daher Kenntnis von der Unwirksamkeit des Vertrags gehabt, müsste T nach beiden Meinungen dem Fitnessstudiobesitzer Ersatz für die von ihr erlangten Leistungen leisten. Zu ersetzen wäre der gemeine Wert, d.h. der objektive Verkehrswert, den die Leistung nach ihrer tatsächlichen Beschaffenheit für jedermann hat, also die übliche Vergütung (Palandt/Sprau, a.a.O., § 818 Rn. 23). Geschuldet ist somit anteilig der Beitrag, für dessen Zeitraum T das Fitnessstudio benutzt hat bzw. hätte benutzen können, bevor die Unwirksamkeit des Vertrags feststand. Da sie verschärft haften würde, könnte sie sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Sie würde jedoch nicht einen darüber hinausgehenden Betrag schulden, weil der Vertrag unwirksam ist. Denn gemäß § 818 Abs. 2 BGB wäre kein etwaiger Gewinn, den der Vertragspartner hätte erzielen können, zu ersetzen (Palandt/Sprau, a.a.O., § 818 Rn. 18).

     

    • Stellungnahme: Die Meinung, wonach der vorrangige Gesichtspunkt des Schutzes des Minderjährigen bei der Bereicherung in sonstiger Weise i.d.R. nicht gelten soll (Palandt/Sprau, a.a.O., § 819 Rn. 4), findet ihre Unterstützung auch im Gesetz. Denn liegt z.B. auch eine unerlaubte Handlung des Minderjährigen vor, besteht kein Anlass, die dort anwendbaren §§ 827bis 829 BGB nicht auch zur Begründung der verschärften Haftung des den Rechtsmangel kennenden Minderjährigen nach § 819 BGB heranzuziehen (BGHZ 55,128).

     

    Praxishinweis: Kannte der Vertragspartner jedoch den Mangel des Rechtsgrunds, ist gemäß § 814 BGB der Bereicherungsanspruch i.d.R. ausgeschlossen (Palandt, a.a.O., § 819 Rn. 5). Weiß der Minderjährige oder hat er irrtümlich angenommen, der Leistende habe selbst den Mangel des Rechtsgrunds gekannt, haftet er ebenfalls nicht nach § 819 BGB verschärft, weil ihm die positive Kenntnis der Rechtsfolgen fehlt (Palandt, a.a.O. § 819 Rn. 5).

     

    Der Bereicherte muss darlegen und beweisen, dass er von der Vorstellung ausgegangen ist, auch der Leistende habe den Mangel des Rechtsgrunds gekannt, weshalb eine verschärfte Haftung nicht eintreten könne (Palandt, a.a.O. § 119 Rn. 10).

     

    • Weitere Anspruchsgrundlagen gegen T: Gegen Minderjährige kann kein Anspruch auf cic gestützt werden, aber auf unerlaubte Handlung (Palandt, a.a.O., § 108 Rn. 3). Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB in Form eines Eingehungsbetrugs kommt hier aber nicht in Betracht. Als Eingehungsbetrug wird der Eintritt eines Gefährdungsschadens durch betrügerische Begründung einer Verbindlichkeit bezeichnet (StGB-Kommentar Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 263 Rn. 103). Bei der Schadenfeststellung kommt es auf den Gesamtvermögensstand des Opfers vor und nach dem Vertragsabschluss an. Nach der früher weiten Auffassung der Rechtsprechung blieb die schwebende Unwirksamkeit des Vertrags außer Betracht (Tröndle/Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 103). Die neuere Rechtsprechung stellt auf die Konkretheit der Gefahr des Vermögensverlusts ab. Ein drohender Vermögensverlust wird hier anzunehmen sein, weil die T zwar zum Wertersatz verpflichtet ist, aber fraglich ist, ob sie diesen überhaupt bezahlen kann.

     

    T handelte jedoch ohne Vorsatz. Sie wusste zwar, dass V gegen den Vertrag ist, es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass sie davon ausging, dass ein schwebend unwirksamer Vertrag zustande kommt, wenn nur M zustimmt. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass T davon ausging, dass M den Fitnessstudiobesuch nicht bezahlen will. Schließlich ist sie, mangels Garantenstellung gegenüber dem Verkäufer, nicht verpflichtet gewesen, diesen darauf hinzuweisen, dass V gegen den Vertrag ist (wenn man unterstellt, dass sie gewusst hätte, dass sowohl M als auch V zum Vertrag zustimmen müssen). Daher liegt auch kein Eingehungsbetrug vor. Eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2i.V. mit § 263 StGB scheidet aus.

     

    Zu 3 – Haftung der M: Eine Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 BGB scheidet aus (Palandt, a.a.O. § 179 Rn. 1 a). Voraussetzung für die Haftung ist, dass der Vertretene die Genehmigung verweigert hat oder sie gemäß § 177 Abs. 2 BGB als verweigert gilt. Vorliegend ist M jedoch nicht als vollmachtslose Vertreterin der T aufgetreten. M ist die gesetzliche Vertreterin der T.  

     

    Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB scheidet wie bei T aus.  

     

    Zu 4 – Streitverkündung gegen den Vater: Gemäß § 72 ZPO kann eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt, diesem gerichtlich den Streit verkünden. Da V jedoch nicht haftet, kommt keine Streitverkündung gegen ihn in Betracht.  

     

    Zu 5 – Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung: Die Haftung von T beschränkt sich gemäß § 1629a Abs. 1 BGB auf den Bestand ihres bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens. T muss sich auf die Beschränkung der Haftung berufen, sobald sie volljährig wird. Gemäß § 1629a Abs. 1 S. 2 BGB finden in diesem Fall die für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften der §§ 1990, 1991 BGB entsprechende Anwendung.  

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2007 | Seite 142 | ID 109721