01.10.2007 | Ehegattenunterhalt
BGH: Haftungsfalle Unterhaltsbegrenzung
1. Bemisst sich der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gegen einen wiederverheirateten Ehegatten nach seinem fiktiv ohne Splittingvorteil der neuen Ehe errechneten Einkommen, ist auch ein eventueller Realsplittingvorteil auf der Grundlage dieses fiktiv nach der Grundtabelle bemessenen Einkommens zu bestimmen. |
2. Schuldet der wiederverheiratete Unterhaltspflichtige neben dem ohne Berücksichtigung eines Karrieresprungs bemessenen nachehelichen Unterhalt auch Kindesunterhalt nach seinen – höheren – tatsächlichen Einkünften, ist der Kindesunterhalt bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nur insofern abzusetzen, als er sich nicht aus dem höheren Einkommen ergibt. |
3. Zur Befristung des Anspruchs auf Nachscheidungsunterhalt nach § 1573 Abs. 5 BGB und zur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB. |
(BGH 23.5.07, XII ZR 245/04, FamRZ 07, 1232, Abruf-Nr. 072157) |
Sachverhalt
Die rechtskräftig geschiedenen Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Die Parteien hatten einen Vergleich zum Kindes- und nachehelichen Unterhalt geschlossen und diesen befristet. Etwaige danach noch bestehende Unterhaltsansprüche sollten nach den dann gegebenen Verhältnissen unter Berücksichtigung der Position des Beklagten als leitender Oberarzt und ständiger Chefarztvertreter berechnet werden. Der Beklagte ist wieder verheiratet und bezieht Nettoeinkünfte auf der Grundlage des Ehegattensplittings aus seiner neuen Ehe. Inzwischen ist er als Chefarzt tätig. Die Klägerin erzielt aus einer Halbtagstätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.200 EUR. Im Übrigen ist sie aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht erwerbsfähig. Sie verlangt laufenden Unterhalt für die Zeit ab September 01. Das AG hat den Beklagten entsprechend verurteilt. Das OLG hat den Unterhalt etwas herabgesetzt. Die dagegen gerichtete Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe und Praxishinweis
Für die Unterhaltsberechnung gilt nach Ansicht des BGH Folgendes:
Checkliste: Wichtige Grundsätze des BGH zur Unterhaltsberechnung |
Die Aufteilung in verschiedene Anspruchsgrundlagen ist insbesondere bedeutsam für die Unterhaltsbegrenzung nach geltendem Recht, die nach § 1573 Abs. 5 BGB nur für Unterhaltstatbestände möglich ist, die sich aus § 1573 Abs. 1 oder 2 BGB ergeben. Für den Unterhalt wegen Krankheit oder Kinderbetreuung kommt demgegenüber die Begrenzungsvorschrift des § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht, nach der nur eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf möglich ist.
Die Differenzierung ist auch wichtig bei Eheverträgen. In den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts gehören nur der Betreuungsunterhalt und der Unterhalt wegen Krankheit. Der Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB kann ohne Begründung vertraglich ausgeschlossen werden, da er nicht schutzwürdig ist. In der Praxis kommt es bezüglich der Wirksamkeit eines Ehevertrags gerade auf diese Besonderheit an: Im Ehevertrag wurde der Betreuungsunterhalt auf den Betrag begrenzt, den die unterhaltsberechtigte Ehefrau zu verdienen imstande war. Es wurde geltend gemacht, dass darin eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung des Betreuungsunterhalts liege, zumal der Unterhaltspflichtige wesentlich höhere Einkünfte hatte. Der 7. Familiensenat des OLG Düsseldorf (zur Veröffentlichung vorgesehen)hat die Vereinbarung jedoch als wirksam angesehen, weil die Einschränkung nicht den Betreuungsunterhalt, sondern den Aufstockungsunterhalt betrifft. Da der Betreuungsunterhalt auf den Betrag festgelegt ist, den die Unterhaltsberechtigte zu verdienen in der Lage ist, konnte es sich bei dem darüber hinausgehenden Unterhalt nur um Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB handeln, der nicht schutzwürdig ist und deswegen ohne besondere Begründung ausgeschlossen werden kann.
Kindesunterhalt ist ein Abzugsposten vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen zur Berechnung der ehelichen Lebensverhältnisse. Der BGH hat den Kindesunterhalt aber nicht aus dem tatsächlichen Einkommen nach dem Karrieresprung, sondern aus dem eheprägenden Einkommen hergeleitet. Insoweit hat der BGH zu Recht darauf abgestellt, dass die ehelichen Lebensverhältnisse auch nur von einem Bedarf der Kinder bestimmt sein können, der sich aus den Einkünften ergibt, die die ehelichen Lebensverhältnisse ebenfalls bestimmt haben. Alles andere würde nur zu einer unangemessenen Benachteiligung des unterhaltsberechtigten Ehegatten führen.
Nicht klar sind jedoch die Auswirkungen der neuen Rechtsprechung des BGH zu den wandelbaren Verhältnissen. Danach wird Kindesunterhalt bei den ehelichen Lebensverhältnissen berücksichtigt, der die realen ehelichen Lebensverhältnisse während des Zusammenlebens der Eheleute gar nicht geprägt hat. Dies ist der Fall, wenn nach der Scheidung geborene Kinder beim Bedarf berücksichtigt werden. Treffen derartige Unterhaltsansprüche mit einem Einkommen aus dem Karrieresprung zusammen, stellt sich beim Vorwegabzug die Frage, ob auch in diesem Fall die nach der Scheidung entstandenen Unterhaltspflichten gegenüber den Kindern aus dem damaligen eheprägenden Einkommen hergeleitet werden, oder ob nun das Einkommen aus dem Karrieresprung anzusetzen ist. Der Gedanke des BGH, dass als eheprägend nur Aufwendungen für die Kinder berücksichtigt werden dürfen, die sich dem eheprägenden Einkommen entnehmen lassen, greift in diesem Fall nicht, da die Unterhaltspflichten ebenso wenig die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben wie das Einkommen aus dem Karrieresprung. Dieser Fall zeigt, dass es an sich angemessen wäre, das Einkommen aus dem Karrieresprung bedarfserhaltend bei der Ermittlung der ehelichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass daraus die Unterhaltspflichten bestritten werden müssen, die nach der Scheidung entstanden sind, sodass die an sich damit verbundene Bedarfssenkung in Folge des dafür einzusetzenden Einkommens aus dem Karrieresprung unterbleibt. Lediglich der über die Aufwendungen für die Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern hinausgehende Anteil des Einkommens aus dem Karrieresprung wäre nicht eheprägend und demgemäß bei der Berechnung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht in Ansatz zu bringen.
Die Erwägungen des BGH zur Unterhaltsbegrenzung sind bedenklich. Leider entfernt sich der BGH hier immer weiter von seiner ersten Entscheidung vom 12.4.06 (FK 06, 135, Abruf-Nr. 061797; FamRZ 06, 1006). An sich hätte der BGH zunächst prüfen müssen, ob aufseiten der Klägerin ehebedingte Nachteile eingetreten sind. In diesem Zusammenhang hätte insbesondere geklärt werden müssen, wann die krankheitsbedingte Teilerwerbsunfähigkeit eingetreten ist. Dazu fehlen Ausführungen in dem Urteil. Diese dürften sich auch nicht ohne Weiteres aus der OLG-Entscheidung ergeben, da das OLG einfach nur auf die Ehedauer abgestellt hat, was der BGH zutreffend beanstandet hat.
Sind ehebedingte Nachteile eingetreten, kommt eine Unterhaltsbegrenzung insoweit nicht in Betracht. Liegen keine ehebedingten Nachteile vor, ist im Hinblick auf Alter und Ehedauer zu prüfen, ob es dem Unterhaltsberechtigen zumutbar ist, sich auf das Unterhaltsniveau einzustellen, das er mit seinem eigenen Einkommen erzielen kann. In diesem Zusammenhang hätte der BGH nach seinen eigenen Vorgaben prüfen müssen, ob das Einkommen von 1.200 EUR der Ehefrau dafür ausreicht.
Es ist zutreffend, dass eine Unterhaltsbegrenzung noch nicht durchgeführt werden kann, wenn sich die ehebedingten Nachteile noch nicht abschließend beurteilen lassen. Insoweit stellt der BGH auf die Erkrankung der Klägerin ab. Allerdings führt der Senat nichts dazu aus, ob die Erkrankung nicht zur dauernden teilweisen Erwerbsunfähigkeit geführt hat.
Allein der Umstand, dass ohnehin seit wenigen Jahren eine Obliegenheit zur vollschichtigen Tätigkeit nach Beendigung der Kinderbetreuung besteht, dürfte unerheblich sein. Es bleibt auch unklar, wie der BGH diesen Gedanken selbst bewertet.
Gleiches gilt für die guten Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen aufgrund des Karrieresprungs. Auch hier ist unklar, warum dieser Gesichtspunkt bei der Urteilsbegründung relevant sein soll. |
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