01.06.2007 | Ehegattenunterhalt
BGH: Neue Tendenzen beim Unterhalt
1. Ein nachehelicher Karrieresprung ist auch nach der neuen Rechtsprechung des Senats zu den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen nicht als eheprägend zu berücksichtigen. |
2. Anderes gilt für eine Verringerung des Nettoeinkommens, wenn der Unterhaltspflichtige nach Rechtskraft der Ehescheidung in eine Religionsgemeinschaft eintritt. |
3 Die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Beiträgen für eine zusätzliche Altersversorgung setzt voraus, dass solche Beträge tatsächlich auf die Altersvorsorge für die betreffende Person verwendet werden; ein fiktiver Abzug kommt nicht in Betracht. |
4. Auf eine geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung (hier: zum Splittingvorteil in zweiter Ehe und zum Familienzuschlag für einen in den Haushalt aufgenommenen Stiefsohn) kann sich auch der Abänderungsbeklagte erst ab Verkündung des entsprechenden höchstrichterlichen Urteils stützen. |
5. Den Unterhaltsschuldner trifft eine Obliegenheit zur Geltendmachung des Realsplittings nur insoweit, als er den Unterhaltsanspruch anerkannt hat, dieser rechtskräftig feststeht oder soweit er den Unterhaltsanspruch freiwillig erfüllt. |
6. Wenn der Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 BBesG sowohl wegen des Unterhaltsanspruchs aus einer geschiedenen Ehe als auch wegen einer bestehenden (zweiten) Ehe gezahlt wird, ist er bei der Bemessung des vorrangigen Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau nur zur Hälfte zu berücksichtigen. |
7. Der Unterhaltsschuldner ist mit den für eine Befristung des Aufstockungsunterhalts relevanten Tatsachen nicht nach § 322 Abs. 2 ZPO präkludiert, wenn die abzuändernde Entscheidung aus einer Zeit vor der Abänderung der Senatsrechtsprechung zur eheprägenden Haushaltstätigkeit und Kindererziehung stammt und die für die notwendige Gesamtwürdigung maßgebenden Umstände seinerzeit noch nicht sicher abgeschätzt werden konnten. |
8. Zur Befristung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt. |
(BGH 28.2.07, XII ZR 37/05, n.v., Abruf-Nr. 071343) |
Sachverhalt
Aus der Ehe der Parteien sind zwei Kinder hervorgegangen. Nach der Scheidung verpflichtete sich der Beklagte zum Nachscheidungsunterhalt. Die Klägerin erhielt auch das Alleineigentum an der Immobilie. Der Beklagte ging eine zweite Ehe ein. Die Parteien reduzierten die Unterhaltspflicht als die Klägerin halbschichtig, und als sie vollschichtig berufstätig wurde. Sie verlangt wegen der geänderten Rechtsprechung zur Bewertung der Haushaltstätigkeit und Kindererziehung höheren Unterhalt, der Beklagte dagegen die weitere Reduzierung und Befristung des Unterhalts. Das OLG hat den Unterhalt erhöht, aber befristet. Der BGH hat die Entscheidung über die Höhe des Unterhaltsanspruchs aufgehoben und zurückverwiesen.
Praxishinweis
Der BGH hat wichtige Grundätze für die Ermittlung des Ehegattenunterhalts aufgestellt, zum Teil unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung.
Checkliste: Wichtige Grundsätze des BGH zur Ermittlung des Ehegattenunterhalts |
Anmerkung: Trotz der Entscheidung, dass nach der Scheidung eintretende Umstände bedarfsprägend zu berücksichtigen sind (FK 06, 91, Abruf-Nr. 061201), hat der BGH an der Rechtsprechung zum Karrieresprung festgehalten. Dies führt aber zu unangemessenen Ergebnissen. Der BGH entzieht den ehelichen Lebensverhältnissen Einkünfte, die an sich dazu dienen, nach der Scheidung eingetretene Einkommenseinbußen aufzufangen. Einkommen aus einem Karrieresprung ist bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Bis dahin waren auch nach der Scheidung entstandene Unterhaltspflichten oder Verbindlichkeiten bei der Leistungsfähigkeit allenfalls zu berücksichtigen und führten ggf. zum Billigkeitsunterhalt (§ 1581 BGB). Dieser führte zur Beteiligung des Unterhaltsberechtigten an diesem an sich nicht eheprägenden Umstand. Folge: Auch der Unterhaltsberechtigte musste sich mit seinem eheangemessenen Bedarf an der Befriedigung dieser Unterhaltspflichten beteiligen. Stand dem Unterhaltspflichtigen jedoch nicht prägendes Einkommen, z.B. durch einen Karrieresprung, zur Verfügung, musste er dieses Einkommen für die nach der Scheidung entstandenen Unterhaltspflichten einsetzen, sodass der eheangemessene Bedarf sowohl des Verpflichteten als auch des Berechtigten unangetastet blieb. Der Billigkeitsunterhalt (§ 1581 BGB) musste nicht ausgeworfen werden. Nun berücksichtigt der BGH als prägend nur die Einkommenssenkungen, das Einkommen, mit dem diese an sich auszugleichen waren, enthält er jedoch den ehelichen Lebensverhältnissen vor. Dies ist ein unangemessener Eingriff in die Systematik der Unterhaltsberechnung und in die Lastenverteilung, der nicht mit der Eigenverantwortung des Berechtigten nach § 1569 BGB zu begründen ist.
Anmerkung: Einen derartigen Abzug hat der BGH hier unterlassen, weil es sich nicht um die Altersvorsorge des Beklagten handelte. Denn dieser hatte eine Rentenversicherung auf das Leben seiner zweiten Ehefrau abgeschlossen und zu ihren Gunsten ein widerrufliches Bezugsrecht für den Überlebensfall verfügt. Der BGH knüpft hier an seine Rechtsprechung an (FamRZ 05, 1817 = FK 06, 1, Abruf-Nr. 052903). Nicht nachvollziehbar ist, warum die zusätzliche Altersversorgung grundsätzlich berücksichtigt wird, wenn der Unterhaltspflichtige über nicht eheprägende Einkünfte verfügt, die den ehelichen Lebensverhältnissen vorenthalten sind. Es liegt doch nahe, die zusätzliche Altersversorgung aus dem nicht eheprägenden Einkommen zu bestreiten.
Anmerkung: Da der Splittingvorteil aber bis dahin auch der geschiedenenEhefrau zugute kam, hat der BGH den Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG als Abänderungsgrund angesehen, sodass bis Oktober 03 der Splittingvorteil aus der neuen Ehe auch der geschiedenen Ehefrau zugute kam.
Anmerkung: Diese Entscheidung betrifft Fälle, in denen Gerichte auch in Erstverfahren noch mit dem begrenzten Realsplitting rechnen, obwohl der Beklagte den Unterhalt voll bestreitet und bei Abschluss des Verfahrens noch gar nicht feststeht, ob die Entscheidung rechtskräftig wird oder in dem jeweiligen Steuerjahr tatsächlich Unterhalt gezahlt wird. Es wird regelmäßig von der Pflicht zur Eintragung eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte Gebrauch gemacht, obwohl der Unterhaltspflichtige auch die Steuervorteile im Jahresausgleich geltend machen kann, sodass sie ohnehin erst im folgenden Jahr relevant werden. Dies führt oft zu der misslichen Lage, dass in späteren Abänderungsverfahren Steuerbescheide, in denen das begrenzte Realsplitting erstmals geltend gemacht worden ist, fiktiv ohne dessen Berücksichtigung umgerechnet werden müssen, weil in dem Ausgangsverfahren die Steuervorteile durch die Unterhaltsleistungen im Wege eines fiktiven Freibetrags von den Gerichten berücksichtigt wurden und sich damit der Steuervorteil wegen der Unterhaltszahlung bereits im letzten Kalenderjahr realisiert hat und sich so unzulässigerweise verdoppeln würde.
Anmerkung: Folge der neuen Rechtsprechung ist, dass nur das halbe darauf beruhende Einkommen bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts berücksichtigt wird.
Anmerkung: Hat der Abänderungsbeklagte seinerseits gegenläufige Abänderungsgründe, muss er diese in demselben Abänderungsverfahren im Wege einer Abänderungswiderklage geltend machen. In der Berufungsinstanz muss er Anschlussberufung einlegen, für die die Berufungserwiderungsfrist gemäß § 524 Abs. 2 ZPObei Abänderungsgründen nicht gilt. Bewahrt sich der Abänderungsbeklagte seine Abänderungsgründe für eine spätere eigene Abänderungsklage auf, wird er damit keinen Erfolg haben, weil sich die Verhältnisse seit der Ausgangsentscheidung nicht geändert haben. Ob eine Präklusion dieser Abänderungstatsachen i.S. des § 323 Abs. 2 ZPO gegeben ist, hängt vom Erfolg der Abänderungsklage ab. Hat der Abänderungsbeklagte in dem gegen ihn gerichteten Abänderungsverfahren voll obsiegt, kommt eine Präklusion deswegen nicht in Betracht, weil es auf die nun im eigenen Abänderungsverfahren geltend gemachten Abänderungsgründe gar nicht ankam. Beispiel: Ehefrau F erhebt Abänderungsklage, weil ihr Mann M ein um 300 EUR höheres Nettoeinkommen als im Ausgangsverfahren erzielt. F war seinerzeit ein eigenes Einkommen aus halbschichtiger Tätigkeit wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit zugerechnet worden. M bestreitet die Einkommenserhöhung nicht, macht aber geltend, dass sich der gesundheitliche Zustand der F positiv verändert hat, sie vollschichtig erwerbstätig sein und 600 EUR netto mehr monatlich verdienen könnte. Das Gericht kommt nach Beweiserhebung zum Ergebnis, dass F vollschichtig arbeiten kann. Es weist die Abänderungsklage der F mit der Begründung ab, dass F die Einkommenserhöhung des M durch die deswegen erforderliche Ausweitung der eigenen Erwerbstätigkeit ausgleichen könnte. M erhebt eine eigene Abänderungsklage auf Herabsetzung des Unterhalts, weil F durch die gebotene vollschichtige Tätigkeit 600 EUR, also weitere 300 EUR über den Betrag verdienen könnte, der zur Abweisung der Abänderungsklage der F geführt hat. Dafür reicht ein höheres Einkommen von 300 EUR aus, weil aufseiten des M nur ein höheres Einkommen von 300 EUR auszugleichen war. Die Abänderungsklage des M ist aber abzuweisen, weil keine Änderung der Verhältnisse gegeben ist. M könnte das höhere Einkommen der F in einem späteren Abänderungsverfahren aber noch geltend machen, wenn der Einstieg durch eine Veränderung der übrigen Verhältnisse gegeben ist.
Wäre der Abänderungsklage der F jedoch teilweise stattgegeben worden, wäre M mit der Geltendmachung des höheren Einkommens der F präkludiert, weil dieses für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens bedeutsam gewesen wäre. Grund: Obsiegt der Abänderungsbeklagte im Ausgangsverfahren, können weitere ihm zustehende Abänderungsgründe nicht entscheidungserheblich gewesen sein. Mit nicht entscheidungserheblichen Alttatsachen kann man nicht präkludiert sein.
Zu Recht hat der BGH darauf hingewiesen, dass § 323 Abs. 2 ZPO nur verhindert, dass präkludierte Alttatsachen zur Abänderung eines Alttitels führen können. Soweit die Alttatsachen jedoch zur Verteidigung einer gegnerischen Abänderungsklage genutzt werden, findet die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO keine Abwendung, weil die Alttatsachen hier lediglich zur Verteidigung des alten Titels und somit zur Verteidigung der Rechtskraft eingesetzt werden und nicht zu einem Eingriff in die Rechtskraft. Beispiel: M erhebt Abänderungsklage, weil F ein um 300 EUR höheres Einkommen als im Ausgangsverfahren erzielt. F beantragt Klageabweisung, weil M nach wie vor in der als Ehewohnung dienenden Immobilie wohnt und ihm ein Wohnvorteil von mindestens 300 EUR zuzurechnen ist, was im Ausgangsverfahren versehentlich nicht geltend gemacht wurde. Zwar handelt es sich um eine präkludierte Altsache, da F aber nur die Klageabweisung damit erstrebt, ist diese zu berücksichtigen. Eine eigene Abänderungsklage könnte sie darauf nicht stützen.
Anmerkung: Der BGH hatte folgendes Prüfungsschema aufgestellt (FamRZ 06, 1006 = FK 06, 35, Abruf-Nr. 061797):
In der zweiten Entscheidung hat der BGH seine erste Entscheidung relativiert (FamRZ 07, 200 = FK 07, 19, Abruf-Nr. 063561). Danach ist eine Unterhaltsbegrenzung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Unterhaltsberechtigte ehebedingte Nachteile erlitten hat. Vielmehr beschränkt sich die Fortentrichtung des Unterhalts in diesen Fällen auf den Ausgleich der ehebedingten Nachteile. Wird darüber hinausgehender Unterhalt geltend gemacht, ist insoweit wiederum nach Prüfung des zweiten Prüfungskomplexes eine Unterhaltsbegrenzung möglich.
Nach dieser Entscheidung finden sich im zweiten Prüfungskomplex mehr oder weniger pauschale Redewendungen zur Bedeutung der Ehedauer und der Haushaltsführung. Nicht erwähnt wird das Alter des Unterhaltsberechtigten, das tragende Grundlage für die Unterhaltsbegrenzung ist.
Anmerkung: Gleichwohl sollte der Anwalt die erste Entscheidung bei der Beurteilung einer Unterhaltsbegrenzung zugrunde legen, da die zweite Entscheidung der ersten nicht entgegensteht, sondern nur nicht an die klaren Strukturen anknüpft.
Die Unterhaltsbegrenzung ist nicht präkludiert, wenn diese erstmals durch die Anwendung der Surrogatsrechtsprechung des BGH eröffnet wird. Grund ist, dass bei früheren Entscheidungen, in denen die Anrechnungsmethode angewendet worden ist, im Regelfall ehebedingte Nachteile allein schon durch die angewendete Methode gegeben waren, sodass eine Unterhaltsbegrenzung gar nicht in Betracht kommen konnte. Durch die Surrogatsrechtsprechung und durch die Einbeziehung der Einkünfte des Unterhaltsberechtigten in die Bedarfsberechnung werden entsprechende ehebedingte Nachteile ausgeglichen, sodass die Prüfung der Unterhaltsbegrenzung nach Beseitigung der ehebedingten Nachteile damit erstmals vernünftigerweise in Betracht kommt. Damit ist die Entscheidung vom 9.6.04 (FamRZ 04, 1357) revidiert.
Eine Unterhaltsbegrenzung kann erstmals abschließend beurteilt werden, wenn der Unterhaltsberechtigte nachhaltige Einkünfte bezieht. Dies ist nicht gegeben, wenn er im Hinblick auf die Betreuung eines Kindes überobligatorisch erwerbstätig ist. In einem solchen Fall lassen sich die ehebedingten Nachteile noch gar nicht abschließend beurteilen, da der Unterhaltsberechtigte in diesem Fall seine Erwerbstätigkeit jederzeit aufgeben kann. Es steht also noch nicht fest, ob er später wieder eine entsprechende Arbeitsstelle mit gleichen Bezügen finden wird. Die ehebedingten Nachteile lassen sich abschließend klären, wenn aus den ungesicherten gesicherte Einkünfte durch die Veränderung der Erwerbsobliegenheit geworden sind.
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