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  • 24.01.2008 | Ehegattenunterhalt

    Wichtiges zum neuen Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 2 BGB n.F.

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    § 1579 Nr. 2 BGB n.F. regelt die Verwirkung des Ehegattenunterhalts aufgrund einer verfestigten Lebensgemeinschaft. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der BGH-Rechtsprechung Rechnung tragen wollte, sodass diese unter die neue Nr. 2 zu subsumieren ist. Der Beitrag erläutert, worauf Sie dabei in der Praxis achten müssen.  

     

    Checkliste: Unterhaltsverwirkung wegen verfestigter Lebensgemeinschaft, § 1579 Nr. 2 BGB n.F.

    Anforderungen an eine verfestigte Lebenspartnerschaft: Grundsätzlich stellt allein der Umstand, dass der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung eine intime Beziehung oder eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft mit einem anderen eingeht, keinen Härtegrund i.S. des § 1579 BGB dar (BGH FamRZ 89, 487). Auch die Tatsache, dass er mit den Zahlungen einen Dritten unterhält, ist unerheblich, weil er über seinen Unterhalt grundsätzlich frei verfügen kann. Der Verpflichtete ist nicht berechtigt, mit Mitteln des Unterhaltsrechts auf die Entscheidung der Berechtigten für einen neuen Partner Einfluss zu nehmen (BGH FamRZ 88, 930). Vielmehr müssen besondere Umstände die Leistungen für den Unterhaltspflichtigen unzumutbar machen (BGH FamRZ 94, 558). Ein Härtegrund kann erfüllt sein, wenn  

    • die eheähnliche Beziehung des Unterhaltsberechtigten wegen kränkender oder sonst anstößiger Begleitumstände geeignet ist, den Verpflichteten in außergewöhnlicher Weise zu treffen, in der Öffentlichkeit bloßzustellen oder sonst in seinem Ansehen zu schädigen (BGH FamRZ 89, 487),
    • der Berechtigte von einer Eheschließung mit seinem neuen Partner nur deshalb absieht, weil er seinen Unterhaltsanspruch nicht verlieren will (BGH FamRZ 95, 540) oder
    • das nicht eheliche Zusammenleben des Unterhaltsberechtigten mit seinem neuen Partner gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten ist (BGH FamRZ 02, 23 und 810).

     

    Praxishinweis: Die ersten beiden Fälle sind selten. Im zweiten Fall hat man es mit nahezu unüberwindlichen Beweisschwierigkeiten zu tun, da ein Absehen von der Eheschließung wegen des Unterhaltsverlusts eine subjektive innere Tatsache des Unterhaltsberechtigten darstellt, die kaum einem Beweis zugänglich ist und die nicht über den Anscheinsbeweis geklärt werden darf. Demgegenüber tritt die dritte Fallgestaltung oft auf. Ein eheähnliches Zusammenlegen hat folgende drei Voraussetzungen:  

     

    • Verfestigung: Ein auf Dauer angelegtes Verhältnis setzt einen gewissen Zeitablauf voraus. I.d.R. lässt sich eine Verfestigung erst nach zwei bis drei Jahren des Zusammenlebens annehmen (BGH FamRZ 97, 671; 95, 726). Teilweise wird angenommen, dass bei besonderen Umständen auch ein kürzerer Zeitablauf ausreichend sein kann, z.B. bei der Geburt eines gemeinsamen Kindes (OLG Köln FF 99, 154) oder Anschaffung einer gemeinsamen Immobilie (OLG Hamburg FamRZ 02, 1038). Ob dies jedoch geeignete Kriterien dafür sind, dürfte zweifelhaft sein, da darin ebenso wie im Entschluss zusammenzuleben, nur der Wunsch einer dauerhaften Beziehung zum Ausdruck kommt, der noch nichts mit einer Verfestigung zu tun haben muss. Daher dürfte es auch abzulehnen sein, als Ausgangspunkt für die Berechnung der Mindestdauer die Aufnahme einer Beziehung und nicht das Zusammenleben anzusehen, zumal hier der Wunsch des Eingehens einer neuen Lebensgemeinschaft erst durch das Zusammenleben manifestiert wird. Trotz dieser Kritik hält der BGH an einem Zusammenleben von zwei bis drei Jahren fest (BGH FamRZ 07, 1303, Abruf-Nr. 072312).

     

    • Lebensgemeinschaft: Das nicht eheliche Zusammenleben muss zudem eine Form angenommen haben, die es mit einer Ehe vergleichbar macht. Maßgeblich dafür ist das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit. Eine eheähnliche Gemeinschaft ist gegeben, wenn ein gemeinsamer Haushalt besteht. Bei getrennten Wohnungen müssen besondere Umstände hinzutreten, um die Eheähnlichkeit anzunehmen. Dazu reicht die gemeinsame Gestaltung des Urlaubs ebenso wenig aus wie gemeinsame Besuche von Familienfesten und Feierlichkeiten sowie das gemeinsame Verbringen einiger Wochenenden im Monat (BGH FamRZ 02, 23). Vielmehr müssen die Partner auch sonst ihr Leben gemeinsam gestalten. Dies ist nichtgegeben, wenn die Partner dauerhaft eine gewisse Distanz aufrechterhalten, um persönliche Freiräume zu verwirklichen, ihre Beziehung also bewusst auf Distanz angelegt ist. Bei dieser Fallgestaltung sind die übrigen Umstände – wie das gemeinsame Verbringen der Freizeit, Urlaubsgestaltung und die Integration des Partners in das Familienleben des anderen – unerheblich (BGH FamRZ 02, 23). Zur Distanzierung reicht allein die Beibehaltung getrennter Wohnungen nicht aus, da es auch vergleichbare Situationen in der Ehe gibt, z.B. wenn aus beruflichen Gründen zwei Haushalte geführt werden müssen und die Ehegatten im Wesentlichen nur an den Wochenenden zusammenleben (BGH FamRZ 97, 671; OLG Koblenz FamRZ 91, 1314).

     

    Die Unterhaltspflichtigen müssen den Verwirkungstatbestand beweisen und daher den Vortrag des Unterhaltsberechtigten widerlegen, dass er sich mit dem neuen Partner dafür entschieden hat, dauerhaft eine gewisse Distanz aufrecht zu erhalten, um persönliche Freiräume zu verwirklichen. Die einzige Hilfe, die der BGH ihm bietet, ist die Objektivierbarkeit dieses Vorbringens. Denn eine nur subjektiv in Anspruch genommene Distanz zum neuen Partner ist unbeachtlich, wenn sie nicht in der tatsächlichen Lebensgestaltung zum Ausdruck kommt (BGH, a.a.O.). Dem Unterhaltspflichtigen bleibt also nichts anderes übrig, als die Lebensgestaltung des Unterhaltsberechtigten zu durchforsten, um Umstände darzulegen, die dieser Objektivierbarkeit entgegenstehen. Das kann z.B. der Fall sein, wenn die Parteien im gemeinsamen Haushalt bereits vorher zusammen lebten, der neue Partner auf Traueranzeigen aufgeführt ist, die den Unterhaltsberechtigten betreffen, oder jener ständig mit dem Unterhaltsberechtigten in der Öffentlichkeit gesehen wird. Auch Indizien, wie z.B. die Initialen der Unterhaltsberechtigten auf dem Kennzeichen des Fahrzeugs des neuen Lebenspartners, können hilfreich sein. Letztlich kann der Pflichtige nur hoffen, dass auch die Gerichte bei der Beurteilung dieser Kriterien einen strengen Maßstab für die Objektivierbarkeit des Distanzierwillens anlegen.

     

    • Eheähnliches Verhältnis: Nach früherer Ansicht war ein eheähnliches Verhältnis gegeben, wenn der Unterhaltsberechtigte keine Gründe hatte, die ihn daran hinderten, mit seinem Lebenspartner eine neue Ehe einzugehen (BGH FamRZ 95, 344). Allein wegen eines dauerhaften verfestigten Zusammenlebens kam daher ein Härtegrund gemäß § 1579 Nr. 7 BGB a.F. grundsätzlich nicht in Betracht
    • bei wichtigen Gründen, die gegen eine neue Eheschließung vorgetragen wurden (BGH FamRZ 95, 540; 89, 487) und
    • bei verheiratetem Lebenspartner.

     

    In diesen Fällen konnte der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB a.F. allerdings bei Hinzutreten weiterer Umstände erfüllt sein. Folgende Besonderheiten kamen dafür in Betracht:

     

    • Bestehen einer Unterhaltsgemeinschaft: Dies setzt voraus, dass der Unterhaltsberechtigte mit seinem neuen Lebenspartner gemeinsam wirtschaftete, wobei der haushaltsführende Ehegatte wie in einer Ehe von dem anderen unterhalten wird (BGH FamRZ 95, 540; 89, 490). Eine derartige Unterhaltsgemeinschaft war nur gegeben, wenn der Unterhaltsberechtigte in der neuen Gemeinschaft wirtschaftlich sein Auskommen finden konnte, dem neuen Partner also die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung standen (BGH FamRZ 95, 540).

     

    • Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit: Voraussetzung war, dass die Lebensgemeinschaft nach dem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit wie eine Ehe geführt wurde (BGH FamRZ 84, 986). Dafür kam es dabei nur auf die Erkennbarkeit der Partnerschaft aufgrund der nach außen dringenden Gegebenheiten an; nicht maßgebend war, dass sie von anderen als nicht eheliche Lebensgemeinschaft bewertet wurde (BGH FamRZ 97, 671).

     

    Diese Rechtsprechung hat der BGH geändert. Nach neuer BGH-Rechtsprechung reicht eine dauerhaft verfestigte Lebensgemeinschaft auch aus, wenn beachtliche Gründe einer Eheschließung der neuen Lebenspartner entgegenstehen. Aus diesem Grund spielen auch die Gesichtspunkte des Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit und der Unterhaltsgemeinschaft keine Rolle mehr. Maßgebend ist allein, dass die Lebenspartner ihre Lebensverhältnisse so aufeinander abgestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander einstehen wollen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren und damit ihr Zusammenleben ähnlich gestalten, wie es sich aufgrund der nach außen dringenden Gegebenheiten in einer Ehe darstellt (BGH FamRZ 02, 810). Daraus folgt, dass ein Verwirkungsgrund nicht daran scheitern kann, dass der neue Partner noch verheiratet ist, es sich um Trennungsunterhalt handelt oder eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft vorliegt.

     

    Grobe Unbilligkeit: Eine Herabsetzung oder ein Entfallen des Unterhalts kommt erst in Betracht, wenn neben dem Vorliegen eines Härtegrundes außerdem grobe Unbilligkeit bejaht wird (BGH FamRZ 89, 483). Grobe Unbilligkeit ist gegeben, wenn die Zuerkennung des uneingeschränkten Unterhalts dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH FamRZ 82, 582). Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung (BGH FamRZ 84, 986). Dabei sind neben den Interessen des Verpflichteten an einer unterhaltsrechtlichen Entlastung, den Interessen des Berechtigten an Unterhaltsleistungen und den sonstigen Umständen des konkreten Einzelfalls, insbesondere dem Gewicht des Härtegrundes und den persönlichen Verhältnissen der Beteiligten vor allem auch die vorrangigen Belange eines gemeinschaftlichen Kindes in die Waagschale zu werfen.

     

    Wenn der Berechtigte ein gemeinschaftliches Kind betreut, sind die Kindeswohlinteressen vorrangig zu berücksichtigen. Denn der Unterhaltsberechtigte darf nicht wegen der Einschränkung oder des Wegfalls des Unterhalts zur Erwerbstätigkeit gezwungen werden, die sich mit der Kindesbetreuung nicht vereinbaren lässt (BGH FamRZ 84, 986). Sind die Belange des Kindeswohls gewahrt, besteht Freiraum, den Unterhalt herabzusetzen oder zu versagen. Es ist möglich, den Unterhalt auf einen Betrag herabzusetzen, der dem Existenzminimum entspricht, da die Belange des Kindes i.d.R. ausreichend gewahrt werden, wenn dem Unterhaltsberechtigten der notdürftige Unterhalt gesichert wird (BGH FamRZ 98, 541; 97, 671). Folge: Der Unterhalt kann auf den Mindestbedarf von zurzeit 770 EUR (vgl. B V der Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.08) begrenzt werden. Darauf sind sämtliche Einkünfte des Unterhaltsberechtigten anzurechnen, und zwar auch ein Versorgungsentgelt oder das Erziehungsgeld. Grund: Es geht nicht um eine Bedarfsrechnung, sondern um die Sicherstellung des Existenzminimums. Ferner kann erzieltes Einkommen des Unterhaltsberechtigten voll bedarfsprägend berücksichtigt werden, auch wenn es an sich aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit stammt.

     

    Zu prüfen ist auch, ob angemessene Betreuungsmöglichkeiten für das Kind bestehen, z.B. durch den Besuch eines Kindergartens, durch die Betreuung seitens naher Angehöriger (z.B. Großeltern oder neuer Partner). Aber Vorsicht: Über die Verwirkung darf nicht etwa das Umgangsrecht bestimmt werden. Das Umgangsrecht richtet sich nur nach dem Kindeswohl. Wenn unter dessen Berücksichtigung eine Betreuung durch Großeltern nicht in Betracht kommt, darf diese auch nicht über die Verwirkung erzwungen werden. Gleiches gilt bei der Betreuung durch den neuen Lebenspartner. Wenn der Unterhaltsberechtigte ernst zu nehmende Gründe vorträgt, nach denen die Kinderbetreuung durch diesen nicht in Betracht kommt, z.B. weil er diesen für erziehungsungeeignet hält, muss dem Rechnung getragen werden. Es geht nicht an, dass der Unterhaltsberechtigte gezwungen wird, eine Fremdbetreuung unter allen Umständen sicherzustellen. Der Verweis auf den neuen Lebenspartner dürfte insbesondere in Betracht kommen, wenn dieser auch schon in der Vergangenheit das Kind betreut hat und einer Fortsetzung entgegenstehende Gesichtspunkte nicht bekannt sind.

     

    Ändert sich die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes und damit auch die Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten, ist es möglich, die Verwirkung im Hinblick auf die nun reduzierten Kindesinteressen erneut zu prüfen und im Rahmen eines Abänderungsverfahrens den Verwirkungsgesichtspunkt im Hinblick darauf stärker durchschlagen zu lassen.
     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2008 | Seite 19 | ID 117100