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  • 30.06.2011 | Eherecht

    PKH für Klage auf Aufhebung einer Scheinehe

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    1. Der Antrag auf Gewährung von PKH für eine Klage auf Aufhebung der mit einem Ausländer zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels eingegangenen Scheinehe ist nicht rechtsmissbräuchlich.  
    2. Eine Partei, die rechtsmissbräuchlich die Ehe geschlossen und hierfür ein Entgelt erhalten hat, trifft grundsätzlich die Pflicht, hiervon Rücklagen zu bilden, um die Kosten eines Eheaufhebungsverfahrens finanzieren zu können (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 22.6.05, XII ZB 247/03, FamRZ 05, 1477).  
    3. Die Behauptung der Partei, das für die Eingehung der Scheinehe versprochene Entgelt nicht erhalten zu haben, ist dem Gericht auf Verlangen glaubhaft zu machen.  
    (BGH 30.3.11, XII ZB 212/09, FamRZ 11, 872, Abruf-Nr. 111604)

     

    Sachverhalt

    Die Antragstellerin begehrt PKH für ein Verfahren auf Aufhebung ihrer Ehe. Sie schloss am 7.3.08 vor dem Standesamt in der Türkei eine Scheinehe mit dem Antragsgegner, einem türkischen Staatsangehörigen. Hierfür versprach er ihr einen Geldbetrag, den sie nach ihrer Darstellung jedoch nicht erhalten hat. Eine eheliche Lebensgemeinschaft wurde nicht begründet. Das AG hat ihr PKH versagt. Ihre sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung der Sache und zur Zurückverweisung an das OLG.  

     

    Entscheidungsgründe

    Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, § 114 S. 1 ZPO. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen nach dieser Bestimmung PKH für ein auf Aufhebung einer Scheinehe gerichtetes Verfahren zu gewähren ist, wird nicht einheitlich beantwortet (vgl. die Darstellung in BGH FamRZ 05, 1477).  

     

    Das BVerfG hat offengelassen, welche Auswirkungen die Rechtsmissbräuchlichkeit des Eingehens einer Scheinehe auf das PKH-Begehren für die Scheidung hat (BVerfG FamRZ 84, 1206, 1207). Nach Ansicht der Richter ist PKH zu bewilligen, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind. Das PKH-Gesuch dürfe nicht mit der Begründung abgelehnt werden, wegen des Missbrauchs des Rechtsinstituts der Ehe dürfe der Steuerzahler nicht mit den Kosten des Scheidungsverfahrens belastet werden. Sonst würde die bedürftige Partei unter Verletzung des Grundsatzes der Rechtsanwendungsgleichheit schlechter gestellt als die nicht bedürftige. Da rechtsmissbräuchlich zwar die Eingehung der Scheinehe sei, nicht aber deren Aufhebung, könnte die reiche Partei die Aufhebung erreichen. Die arme Partei werde hingegen an der Scheinehe festgehalten (BVerfG, a.a.O.).