Gericht/Fundstelle/Sachverhalt | Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) bei Vertragsschluss | Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) beim Scheitern der Ehe | Besonderheiten der Entscheidungen/der Verfahren |
OLG Celle (FamRZ 04, 1202, Abruf-Nr. 051563) Notarielle Scheidungsvereinbarung: - Zahlung von 20.000 DM an die Ehefrau als Zugewinnausgleich
- wechselseitiger Verzicht auf Ehegattenunterhalt
- wechselseitiger Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs (VA)
Hintergrund: Die Ehegatten hatten etwa gleich hohe Einkünfte und etwa gleich hohe Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung. | Sittenwidrigkeit (–): Nach Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse keine einseitige Benachteiligung der Ehefrau, weder beim Unterhalt noch beim Ausschluss des VA und damit keine Beeinträchtigung des Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts | Die Berufung auf die vereinbarte Gütertrennung ist nicht rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB: Der Zugewinnausgleich ist ehevertraglicher Disposition am weitesten zugänglich. | Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen gilt grundsätzlich auch für Scheidungsvereinbarungen (so die überwiegende Ansicht, vgl. Bergschneider, FamRZ 05, 451 [Fußnote, S. 453]). |
OLG Celle (FamRZ 04, 1489, Abruf-Nr. 051564) Ehevertrag auf Wunsch des zukünftigen Ehemanns 4 Tage vor der Eheschließung mit seiner schwangeren Verlobten: - wechselseitiger Verzicht auf die Durchführung des VA
- wechselseitiger Verzicht auf nachehelichen Unterhalt
- bei Geburt von Kindern: Kinderbetreuungsunterhalt durch den Ehemann nur bis zum 6. Lebensjahr oder Erreichen des schulpflichtigen Alters des jüngsten Kindes
- Zahlung einer Abfindung von 3.000 EUR des Ehemanns für jedes angefangene Ehejahr bis zur Rechtskraft der Scheidung
Hintergrund: Das Paar lebte im Haus der Schwiegereltern der Verlobten. | Sittenwidrigkeit (+): - Verletzung vorrangiger Kindesinteressen wegen Missachtung des Kindesbetreuungsunterhalts
- erhebliche, einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau durch
- Verzicht auf Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB) und Krankheit (§ 1573 BGB)
- Vereinbarung der Gütertrennung (obwohl dies nicht zum Kernbereich gehört)
- Erschwerte voreheliche Lebens- und Verhandlungsposition der Verlobten wegen des Lebens im Haus der Schwiegereltern
- Keine Kompensation der Nachteile durch das Eheversprechen und die vereinbarte Abfindung
| | Hier wurden nicht nur die Interessen der Ehefrau, sondern auch die etwaiger gemeinschaftlicher Kinder verletzt. |
AG Rheine (FamRZ 05, 451, Abruf-Nr. 051565): Notarielle Scheidungsvereinbarung während der Ehe - wechselseitiger Verzicht auf Unterhalt einschließlich des Notbedarfs
- wechselseitiger Verzicht auf die Durchführung des VA
- Vereinbarung der Gütertrennung
- wechselseitiger Ausschluss des Zugewinnausgleichs
Hintergrund: Die Ehefrau war u.a. alkoholkrank und nach dem PsychKG untergebracht. Der Ehemann hatte Angst vor der Verschleuderung des Vermögens | Sittenwidrigkeit (ist möglich): Ausnutzung der sozialen Unterlegenheit der mit Alkoholproblemen belasteten Ehefrau | | Das Gericht wendet die neue BGH-Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen auch bei Alkoholproblemen an. Prüfung der Wirksamkeit der notariellen Scheidungsvereinbarung in der Auskunftsstufe bei Stufenklagen betreffend Zugewinn und Einkommen des Ehemanns im Scheidungsverbund. Das Gericht hält die Auskunftsansprüche für begründet. Es hat aber offen gehalten, ob der Vertrag nichtig ist. |
OLG Düsseldorf (OLGR 04, 505, Abruf-Nr. 051566): Etwa 14 Tage vor der Eheschließung notarieller Ehevertrag mit einer Schwangeren: - wechselseitiger Verzicht auf Unterhalt einschließlich des Notbedarfs
- Rollenverteilung in der Ehe: Zuständigkeit der Ehefrau für die Kindesbetreuung und Haushaltsführung
Hintergrund: Die Schwangere verzichtete auf ihre Berufstätigkeit. Der Ehemann hatte ein höheres Einkommen und damit Vorsorgemöglichkeiten. | Sittenwidrigkeit (+): Die spätere Ehefrau hätte die erkennbaren Einkommensunterschiede wegen der Kindesbetreuung und der hierdurch zwangsläufig entstehenden Lücken niemals schließen können. Gerade hierin liegt der Eingriff in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts. | | Das OLG hält die Feststellungsklage, mit der die Wirksamkeit des Ehevertrags geklärt werden sollte, für zulässig. Der Senat bejaht das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) unter Hinweis auf die Prozessökonomie. Denn das Ergebnis der Prüfung der Wirksamkeit des Ehevertrags in der Folgesache Unterhalt oder Zugewinnausgleich beschränke sich nur auf die jeweilige Folgesache. |
OLG Frankfurt (FamRZ 05, 457, Abruf-Nr. 051567): Notarieller Ehevertrag kurz vor Eheschließung: - wechselseitiger Ausschluss des Zugewinnausgleichs
- Beschränkung des nachehelichen Unterhalts als Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB auf 730 EUR monatlich
- Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils ab Vollendung des 8. Lebensjahres, halbschichtige Erwerbstätigkeit ab dem 11. und vollschichtige Erwerbstätigkeit ab Vollendung des 14. Lebensjahres des Kindes
| Sittenwidrigkeit: Ob der angegriffene Ehevertrag wirksam ist oder nicht, konnte das Gericht offen lassen. Denn es fehlte schon das Feststellungsinteresse für die Feststellungsklage. | | Der Trennungsunterhalt für die Ehefrau war tituliert. Die Ehescheidung war noch nicht anhängig. Der Senat hält die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Ehevertrags mangels Feststellungsinteresses für unzulässig. Denn es drohe keine Gefahr der Unsicherheit dadurch, dass der Ehemann unter Berufung auf den Ehevertrag seiner Ehefrau weitergehende Rechte bestreiten könnte. |
OLG Frankfurt (FamRZ 05, 457, Abruf-Nr. 051567): Notarieller Ehevertrag kurz vor Eheschließung: - wechselseitiger Ausschluss des Zugewinnausgleichs
- Beschränkung des nachehelichen Unterhalts als Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB auf 730 EUR monatlich
- Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils ab Vollendung des 8. Lebensjahres, halbschichtige Erwerbstätigkeit ab dem 11. und vollschichtige Erwerbstätigkeit ab Vollendung des 14. Lebensjahres des Kindes
| Sittenwidrigkeit: Ob der angegriffene Ehevertrag wirksam ist oder nicht, konnte das Gericht offen lassen. Denn es fehlte schon das Feststellungsinteresse für die Feststellungsklage. | | Der Trennungsunterhalt für die Ehefrau war tituliert. Die Ehescheidung war noch nicht anhängig. Der Senat hält die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Ehevertrags mangels Feststellungsinteresses für unzulässig. Denn es drohe keine Gefahr der Unsicherheit dadurch, dass der Ehemann unter Berufung auf den Ehevertrag seiner Ehefrau weitergehende Rechte bestreiten könnte. |