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  • 28.04.2011 | Elterliche Sorge

    KG ordnet gemeinsame Sorge nicht ehelicher Eltern schon vor gesetzlicher Neuregelung an

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    1. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 21.7.10 (FamRZ 10, 1403 = FK 10, 178, Abruf-Nr. 102487), verletzt es das Elternrecht des Vaters (Art. 6 Abs. 2 GG) eines nicht ehelichen Kindes, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. Bis zur gesetzlichen Neuregelung der verfassungswidrigen Vorschriften ist aufgrund der vorläufigen Anordnung des BVerfG auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam zu übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.  
    2. Soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt, überträgt das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder Teile der elterlichen Sorge allein, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.  
    3. Der vorgegebene Prüfungsmaßstab zur gemeinsamen elterlichen Sorge („dem Wohl des Kindes entspricht“) soll sicherstellen, dass die Belange des Kindes maßgeblich Berücksichtigung finden, jedoch die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden.  
    (KG 7.2.11, 16 UF 86/10, n.v., Abruf-Nr. 111027)

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des im Jahr 07 geborenen Kindes. Der Vater hat die Vaterschaft anerkannt. Die Mutter verweigert die Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung. Zum Zeitpunkt der Geburt arbeiteten beide Parteien. Sie lebten in benachbarten Wohnungen. Das Kind wurde von einer Tagesmutter, aber auch an jeweils einem Tag der Woche von je einem Elternteil allein betreut. Nach Beendigung ihres befristeten Arbeitsvertrags verzog die Mutter mit dem Kind. Der Vater hatte diesem Umzug zugestimmt, nachdem die Mutter ihm zugesagt hatte, dass er das Kind sehen und auch betreuen könne, so oft es ihm möglich sei. Die Eltern gingen damals davon aus, den Kindesunterhalt einvernehmlich regeln zu können. Wann die Paarbeziehung der Eltern endete, ist streitig. Nach dem Umzug der Mutter kam es zu Streitigkeiten hinsichtlich des Kindesunterhalts und des Umgangsrechts. Das Umgangsrechtsverfahren endete mit einem Vergleich. Der Vater möchte an der elterlichen Sorge des Kindes teilhaben, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein ausüben. Das FamG hat die Anträge zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Vater mit seiner beim FamG eingegangenen Beschwerde, die zum Teil erfolgreich ist.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der Vater und das Kind haben seit der Geburt eine vertrauensvolle Beziehung. Am Willen (und der Fähigkeit) des Vaters, das Kind zu behüten und zu beschützen und es bestmöglich zu fördern, bestehen keine Zweifel. Der Vater zeigt ein erhebliches Interesse an dem Kind. Er nimmt berufliche und zeitliche Einschränkungen sowie erhebliche Wegzeiten in Kauf, um das Umgangsrecht in dem vereinbarten Umfang auszuüben. Beide Eltern verhalten sich dem Kind gegenüber loyal. Sie würdigen einander nicht herab und lassen es zu, dass das Kind auch den anderen Elternteil liebt und dass es das zeigen und aussprechen darf. Es entspricht dem Kindeswohl, seine Eltern in wichtigen Entscheidungen für sein Leben als gleichberechtigt zu erleben. Diese Erfahrung ist aufgrund der Vorbildfunktion der Eltern wichtig und für das Kind und seine Entwicklung zur eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit prägend. Auch werden in Diskussionen regelmäßig mehr Argumente erwogen als bei Alleinentscheidungen.  

     

    Der Wunsch der Mutter, berechtigt zu bleiben, Entscheidungen für das Kind auch künftig allein zu treffen, überwiegt das vom BVerfG in der Entscheidung vom 21.7.10 gestärkte Elternrecht des Vaters eines nicht ehelich geborenen Kindes grundsätzlich nicht (FamRZ 10, 1403 = FK 10, 178, Abruf-Nr. 102487). Der Senat hält nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls dafür, dass die überwiegende gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes entspricht. Von beiden Eltern ist zum Wohl des Kindes eine Konsensbereitschaft zu verlangen. Dies ist in dem hierfür erforderlichen Umfang der Mutter auch zumutbar.