01.12.2007 | Elterliche Sorge
Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil
Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Sie erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und hat sich am Kindeswohl auszurichten. Es ist nach der Verfassung nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen einen Vorrang einzuräumen (OLG Frankfurt 22.3.07, 3 UF 54/07, n.v., Abruf-Nr. 073438). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Das OLG hat die vom AG angeordnete Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter bestätigt. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG (FamRZ 04, 354) und des BGH (FamRZ 99, 1646) wonach es keinen Vorrang für eine gemeinsame elterliche Sorge gibt, verlangt das OLG für die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung eine tragfähige, soziale Beziehung zwischen den Eltern (so auch BVerfG, a.a.O.). Dies erfordert – ausgerichtet am Kindeswohl – ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern. Daran fehle es, denn der Kindesvater beschuldige die Kindesmutter in ehrverletzender und ausufernder Weise, berufe sich jedoch seinerseits auf eine Verletzung seiner Grundrechte, setze sich aber selbst andererseits in Form und Inhalt der Schriftsätze über das Persönlichkeitsrecht der Kindesmutter hinweg. Unter Berücksichtigung des Kontinuitätsgrundsatzes und der Bindungen des Kindes, das seit der Trennung im Juli 03 von der Kindesmutter versorgt worden war und dem Umstand, dass der Kindesvater seit Ende 04 keinen Kontakt mehr zum Kind gehabt hat, wurde die elterliche Sorge auf die Kindesmutter übertragen.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Offensichtlich hat auch der Prozessbevollmächtigte des Kindesvaters seine Rolle als Verfahrensbevollmächtigter falsch interpretiert. Da es bei der Entscheidung zur elterlichen Sorge allein um das Kindeswohl geht, wäre eine Mäßigung durchaus angebracht gewesen. Zwar muss ein Anwalt nach der Berufsordnung als unabhängiger Berater und Vertreter seinen Mandanten vor Rechtsverlusten schützen, rechtsgestaltend und Konflikt vermeidend sowie Streit schlichtend begleiten. Gerade Sorgerechts- und Umgangsrechtsverfahren zeichnen sich oft durch besondere Emotionen aus. Dies führt häufig dazu, dass sich das Kindesinteresse und das Interesse des vertretenen Elternteils nicht miteinander vereinbaren lassen oder aber die nachhaltige Verfolgung des Mandanteninteresses sich nachteilig auf das Kind auswirken kann. Deshalb gilt es für den Anwalt vorrangig, Distanz zu wahren und jede Überidentifikation mit dem Begehren des Mandanten zu vermeiden (Schmidt, KindPrax 03, 127; Büte, Das Umgangsrecht bei Kindern geschiedener oder getrennt lebender Eltern, 2. Aufl. Rn. 5).
Problematisch erscheint die Verfahrensweise von AG und OLG. Zwar ergibt sich aus dem Inhalt des Beschlusses nichts zum Alter des Kindes. AG und OLG haben jedoch offensichtlich von einer Anhörung des Kindes abgesehen. Dies widerspricht dem Grundsatz des § 50b Abs. 1 FGG. Soweit es auf die Neigungen, Bindungen oder den Willen des Kindes für die Entscheidung ankommt, ist das Kind persönlich, d.h. mündlich, anzuhören. Da im Übrigen der Kindeswille ab drei Jahren familienrechtlich bedeutsam ist, ist i.d.R. eine Anhörung ab diesem Alter geboten (BVerfG FamRZ 07, 1078). Die vom OLG ins Feld geführten weiteren Belastungen des Kindes, vor denen es zu schützen sei, sind nicht verifizierbar. Mit dieser pauschalen Begründung lässt sich deshalb der Verstoß gegen § 50b FGG nicht rechtfertigen. Gerade für die Frage der Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil kommt es auf die Bindungen des Kindes und – mit zunehmendem Alter – auch auf dessen Willen an. Daher erscheint die weitere Feststellung des OLG bedenklich, ein Gespräch mit dem Kind könne nicht zur Aufklärung der Frage beitragen, ob die Kindeseltern gemeinsam die elterliche Sorge ausüben können.
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