28.09.2009 | FamFG
Das müssen Sie zu den Neuregelungen in Kindschaftssachen nach dem FamFG wissen
von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle
Vom neuen Begriff der Kindschaftssachen werden nun auch Verfahren erfasst, die die Verantwortung für die Person oder das Vermögen oder die Vertretung des Minderjährigen betreffen. Insoweit hat das Familiengericht auch die Aufgaben übernommen, die bislang das Vormundschaftsgericht für Minderjährige wahrgenommen hat. Dem FamG sind nun folgende Verfahren zugewiesen: Elterliche Sorge, Umgangsrecht, Kindesherausgabe, Vormundschaft, Pflegschaft für Minderjährige oder die Leibesfrucht, Unterbringungssachen für Minderjährige (§§ 1631b, 1800, 1915 BGB) sowie Aufgaben nach dem JGG (§ 9, § 53, § 67 Abs. 4 S. 3, § 104 Abs. 4 JGG).
Checkliste: Kindschaftssachen nach dem FamFG |
Es wird also nicht mehr auf den Wohnsitz des Kindes abgestellt. Gewöhnlicher Aufenthalt ist der Ort des tatsächlichen Mittelpunkts der Lebensführung des Kindes, des Schwerpunkts seiner sozialen Beziehungen, insbesondere in familiärer und schulischer bzw. beruflicher Hinsicht (BGH FamRZ 75, 272; 81, 135; OLG Karlsruhe FamRZ 03, 956). Eine einheitliche Zuständigkeit für Geschwisterkinder mit unterschiedlichem gewöhnlichem Aufenthalt ermöglicht eine Abgabe aus wichtigem Grund nach § 4 FamFG.
Neu ist die Verweisungsmöglichkeit bei einseitiger Änderung des Aufenthalts des Kindes ohne vorherige Zustimmung des Mitsorgeberechtigten, um zu verhindern, dass der betreuende Elternteil sich den Vorteil des ortsnahen Gerichts verschafft. Hat sich der Aufenthalt in der neuen Umgebung aber noch nicht zu einem gewöhnlichen Aufenthalt verfestigt - dazu gehört die Einbindung des Kindes in die Lebensverhältnisse am neuen Aufenthaltsort (BGH FamRZ 81, 135; 05, 1540) - greift § 154 FamFG nicht ein. Die Abgabe erfolgt dann wegen örtlicher Unzuständigkeit.
Das Gericht ist verpflichtet, spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens die Sache mit den Beteiligten in einem Termin zu erörtern. In diesem Termin ist das Jugendamt anzuhören. Die Regelung gilt auch in Verfahren der einstweiligen Anordnung. Eine Verlegung des Termins ist nur aus glaubhaft zu machenden zwingenden Gründen zulässig. Zwingende Gründe sind nach der Gesetzesbegründung nur solche, die eine Teilnahme am Termin tatsächlich unmöglich machen, wie z.B. eine Erkrankung. Nicht ausreichend als Grund ist das Vorliegen einer Terminskollision für einen Beteiligtenvertreter in einem anderen Verfahren, sofern es sich nicht ebenfalls um eine der in § 155 Abs. 1 FamFG aufgeführten Angelegenheiten handelt. Daher muss vielmehr in der anderen Sache ein Verlegungsantrag gestellt werden, dem das Gericht wegen des Vorrangs der Kindschaftssache stattzugeben hat.
Nach § 155 Abs. 3 FamFG soll das Gericht das persönliche Erscheinen der Verfahrensbeteiligten zu dem Termin anordnen. Verfahrensfähig sind Kinder ab dem 14. Lebensjahr, allerdings nur hinsichtlich der Ausübung des Beschwerderechts. Es steht im Ermessen des Gerichts, ob die nach § 159 FamFG erforderliche Kindesanhörung zugleich oder zu einem späteren oder früheren Termin erfolgt. Dem Beschleunigungsgebot unterliegt auch die Erstattung eines Sachverständigengutachtens. Nach § 163 FamFG ist einem beauftragten Sachverständigen eine Frist zu setzen, innerhalb derer das Gutachten vorgelegt werden muss. Die Monatsfrist des § 155 FamFG kann überschritten werden, sofern es sich lediglich um die Erweiterung einer bereits funktionierenden Umgangsregelung handelt sowie dann, wenn das Kindeswohl dem frühen Termin entgegensteht.
Nach § 156 Abs. 2 FamFG ist ausdrücklich - im Fall des Einvernehmens aller Beteiligten über den Umgang - die Möglichkeit eines Vergleichs geregelt, der nach Billigung durch das Gericht vollstreckbar ist. Die Vorschrift lehnt an den bisherigen § 52a Abs. 4 S. 3 FGG an. Erforderlich ist, dass alle Beteiligten, also auch das Kind, das Jugendamt und gegebenenfalls der Verfahrensbeistand (§ 158 FamFG) einverstanden sind. Die Umgangsregelung kann vom Gericht nur gebilligt werden, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Nach § 156 Abs. 3 FamFG hat das Gericht - wenn es nicht zu einem Einvernehmen kommt - mit den Beteiligten und dem Jugendamt den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erörtern. In Amtsverfahren ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung vom Amts wegen möglich (z.B. zum Umgang gemäß § 1684 Abs. 3 S. 1 BGB, § 1685 Abs. 3 BGB). In Antragsverfahren kann eine einstweilige Anordnung nur auf Antrag erlassen werden (z.B. Herausgabe nach § 1632 Abs. 3 BGB oder Übertragung des Sorgerechts nach § 1671 BGB). Sofern die Teilnahme an einer Beratung oder eine schriftliche Begutachtung angeordnet wird, soll das Gericht den Umgang durch einstweilige Anordnung regeln und das Kind vor Erlass einer einstweiligen Anordnung persönlich anhören (§ 156 Abs. 3 S. 3 FamFG).
Der Verfahrensbeistand wird mit der Bestellung Beteiligter. Er muss einem gerichtlich gebilligten Vergleich zustimmen. Sofern das Gericht von der Bestellung absieht, ist dies nach § 158 Abs. 3 S. 3 FamFG (bisher § 50 Abs. 2 S. 2 FGG) in der Endentscheidung zu begründen. Die Maßnahmen zur Bestellung eines Verfahrensbeistandes sind nicht selbstständig anfechtbar. Das entspricht der BGH-Rechtsprechung (FamRZ 03, 1275) zum Verfahrenspfleger in Betreuungsverfahren.
Anders als bisher wird die Aufgaben- und Rechtsstellung des Verfahrenspflegers nicht mehr ausschließlich durch die Rechtsprechung (kostenrechtlich orientiert) bestimmt, sondern ist gesetzlich geregelt (§ 158 Abs. 4 FamFG). Danach hat er folgende Aufgaben:
Das Gericht hat jedoch nach § 158 Abs. 4 S. 4 FamFG Art und Umfang der Beauftragung konkret festzulegen und die Beauftragung zu begründen. Der Verfahrensbeistand kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen, er ist nicht gesetzlicher Vertreter. Nach § 158 Abs. 5 FamFG (bisher § 50 Abs. 3 FGG) soll die Bestellung unterbleiben, wenn das Kind von einem Rechtsanwalt vertreten wird.
Die Bestimmung über das Ende der Verfahrenspflegschaft in § 158 Abs. 6 FamFG entspricht § 50 Abs. 4 FGG. § 158 Abs. 7 FamFG regelt die Vergütung. Sofern die Verfahrensbeistandschaft nicht berufsmäßig geführt wird, gilt § 277 Abs. 1 FamFG entsprechend. Diese Regelung entspricht dem bisherigen § 50 Abs. 5 FGG, der auf § 67a FGG verweist, wonach Aufwendungsersatz gemäß § 835 Abs. 1, 2 BGB verlangt werden kann. Für den berufsmäßig handelnden Verfahrensbeistand ist für jeden Rechtszug eine einmalige Vergütung in Höhe von 350 EUR vorgesehen. Im Fall der Übertragung von Aufgaben nach § 277 Abs. 4 S. 3 FamFG (zusätzliche Aufgaben) erhöht sich die Vergütung auf 550 EUR. Die Vergütung gilt auch für weitere Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Verfahrensbeistandschaft entstandener Aufwendungen sowie die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer. Diese kann nicht gesondert in Rechnung gestellt werden. Gemäß § 158 Abs. 7 S. 5 FamFG sind Aufwendungsersatz und Vergütung stets aus der Staatskasse zu zahlen. In § 158 Abs. 7 S. 6 FamFG wird auf § 168 Abs. 1 FamFG (Beschluss über Zahlungen des Mündels) verwiesen. Nach § 158 Abs. 8 FamFG sind dem Verfahrensbeistand keine Kosten aufzuerlegen.
Die Mitwirkung des Jugendamts (bisher § 49a Abs. 1 FGG) befindet sich nunmehr in § 162 FamFG und ist erweitert worden. Eine Anhörungspflicht besteht in Verfahren nach § 1618 S. 4 BGB, § 1628 BGB, § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB, § 1672 Abs. 2 BGB, § 1696 BGB, im Bereich der Vollstreckung nach den §§ 88 ff. FamFG und bei personenrechtlichem Bezug in den Kindschaftssachen nach § 151 Nrn. 4 - 7 FamFG. Auf Antrag ist das Jugendamt am Verfahren zu beteiligen (Muss-Beteiligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). Nach § 162 Abs. 3 FamFG sind dem Jugendamt die Entscheidungen bekannt zu machen. Ihm steht gegen den jeweiligen Beschluss die Beschwerde zu; und zwar auch, wenn es sich nicht am Verfahren beteiligt.
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Quelle: Ausgabe 10 / 2009 | Seite 175 | ID 130386