Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 26.03.2009 | FamFG

    Das Unterhaltsverfahren nach dem FamFG

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle

    Am 1.9.09 tritt das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in Kraft. Dieser Beitrag stellt im Anschluss an die Ausführungen (FK 08, 157; 08, 156; 09, 143) den Gang eines Verfahrens in Unterhaltssachen nach dem FamFG dar.  

     

    Gerichtliches Verfahren

    Im gerichtlichen Verfahren gilt für Unterhaltssachen Folgendes:  

     

    Übersicht: Das gerichtliche Verfahren in Unterhaltssachen nach dem FamFG
    • Familienstreitsache (§ 112 Nr. 1, § 231 Abs. 1 FamFG): Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 1 FamFG gehören - neben den Güterrechtssachen nach § 261 Abs. 1 FamFG und den sonstigen Familiensachen nach § 266 Abs. 1 FamFG - zu den sog. Familienstreitsachen i.S. des § 112 FamFG. Für das Verfahren sind unverändert die ZPO-Vorschriften anwendbar. Nach § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG sind in Familienstreitsachen die §§ 2-37, 40-48 sowie 76-96 FamFG nicht anzuwenden. Nach S. 2 gelten die allgemeinen Vorschriften der ZPO und die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend.

     

    • Örtliche Zuständigkeit (§ 232 FamFG): Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 232 FamFG. Bei Anhängigkeit einer Ehesache ist das Gericht der Ehesache zuständig. In allen anderen Fällen bestimmt sich die Zuständigkeit für Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder nach dem Gerichtsbezirk, in dem das Kind - während der Trennungszeit der Elternteil, der auf Seiten des minderjährigen Kindes zu handeln befugt ist - seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Vorschrift gilt auch für volljährige privilegierte Kinder. (Zu den weiteren Zuständigkeitsregelungen des FamFG: Büte FK 09, 43).

     

    • Anwaltszwang (§ 114 Abs. 1 FamFG): In Erweiterung des § 78 ZPO regelt § 114 Abs. 1 S. 1 FamFG den Anwaltszwang in Familiensachen, die in § 111 FamFG geregelt sind. Danach muss sich in einem Verfahren vor dem FamG und vor dem OLG ein Ehegatte in selbstständigen Familienstreitsachen, also auch in Unterhaltssachen, durch einen Anwalt vertreten lassen. Dies soll dem Schutz der Parteien dienen.

     

    • Antragsschrift (§ 113 Abs. 5 FamFG): Nach § 113 Abs. 5 Nr. 2 FamFG wird ein Verfahren nicht mehr mit einer Klageschrift, sondern mit einem Antrag eingeleitet.

     

    • Allgemeine Vorschriften für Verfahren vor dem LG: Der Inhalt der Antragsschrift richtet sich nach § 253 ZPO, die Rechtshängigkeit nach § 261 ZPO. Die Regelungen über die mündliche Verhandlung (§ 279 ZPO) und das Beweisverfahren (§§ 284 ff. ZPO) gelten weiter. Da nach § 113 Abs. 1 S. 1, § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG die Entscheidung nicht mehr durch Urteil, sondern durch Beschluss ergeht, ist auch ein Versäumnisbeschluss (§ 330 ZPO) möglich.

     

    • Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht (§ 235 FamFG): Eine wesentliche Änderung stellen die verfahrensrechtlichen Auskunftspflichten der Beteiligten nach § 235, § 236 FamFG dar. Während § 643 ZPO es in das Ermessen des Gerichts stellt, Auskünfte einzuholen, besteht künftig unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht des Gerichts, die Auskünfte vom Gegner oder von Dritten einzuholen. Voraussetzung für eine derartige Verpflichtung nach Abs. 2 ist es, dass ein Beteiligter einen entsprechenden Antrag stellt und der andere Beteiligte vor Beginn des Verfahrens nach der Regel des § 1636 BGB bestehenden Auskunftspflicht trotz Aufforderung innerhalb angemessener Frist nicht nachgekommen ist. Neu ist, dass nach § 235 Abs. 1 S. 2 FamFG angeordnet werden kann, dass der Antragsteller oder der Antragsgegner schriftlich versichern, dass die Auskunft wahrheitsgemäß und vollständig ist. Die Versicherung kann nicht durch einen Vertreter erfolgen. Daher kann ein Anwalt die schriftliche Versicherung nicht abgeben. Erreicht werden soll, dass die zeitintensiven Stufenklagen - jetzt Stufenanträge - weitgehend entbehrlich werden. Für die Erfüllung der Auflagen soll eine Frist gesetzt werden (Abs. 1 S. 3). Nach S. 4 ist auf die Folgen nach § 235 Abs. 3 FamFG (Pflicht zur ungefragten Information bei wesentlicher Veränderung der Umstände), nach § 236 FamFG (Auskunftseinholung bei Dritten durch das Gericht) und § 243 S. 2 Nr. 3 FamFG (nachteilige Kostenentscheidung) hinzuweisen. Abs. 3 verpflichtet Antragsteller und Antragsgegner, dem Gericht ohne Aufforderung mitzuteilen, wenn sich während des Verfahrens Umstände, die Gegenstand der Anordnungen nach Abs. 1 gewesen sind, wesentlich verändert haben. Damit ist der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der Verpflichtung zur ungefragten Information (BGH FamRZ 88, 270; 97, 483) ins Gesetz übernommen worden.

     

    • Verfahrensrechtliche Auskunftspflicht Dritter (§ 236 FamFG): In § 236 Abs. 1 FamFG ist vorgesehen, dass das Gericht bei den dort aufgeführten Personen oder Stellen über die Höhe der Einkünfte Auskunft und bestimmte Belege anfordern kann, wenn der Antragsteller oder der Antragsgegner einer Verpflichtung nach § 235 Abs. 1 FamFG nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen ist. Ausreichend ist, dass der Auflage nur teilweise nicht entsprochen worden ist. Die Befugnis erstreckt sich nicht - wie in § 235 Abs. 1 S. 1 FamFG - auf das Vermögen und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Nach Abs. 1 Nr. 5 besteht in allen Unterhaltsverfahren die Möglichkeit, eine Auskunft vom Finanzamt einzuholen, das insoweit zur Auskunft verpflichtet ist. Die Anordnungen sind nicht isoliert anfechtbar (Abs. 5).

     

    • Abänderungsantrag (§ 238 FamFG): Die Vorschrift regelt in Anlehnung an § 323 Abs. 1-3 ZPO die Abänderbarkeit von Endentscheidungen eines Gerichts zur Verpflichtung über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen. Sie betrifft also Unterhaltsansprüche nach den §§ 1360, 1361, 1570 ff., 1601 ff. BGB. Eine Abänderung von Entscheidungen im Wege der einstweiligen Anordnung richtet sich ausschließlich nach § 54 FamFG. § 238 Abs. 1 und 3 FamFG regeln die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags, § 238 Abs. 2 FamFG die Präklusion und § 238 Abs. 4 FamFG die Begründetheit. Die Wesentlichkeitsgrenze in § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG wurde beibehalten (in der Regel 10 Prozent).

     

    Die Zeitgrenze des § 238 Abs. 3 FamFG knüpft an § 323 Abs. 3 ZPO an. Eine Abänderung ist grundsätzlich nur zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags (S. 1). Weder die Einreichung des Abänderungsantrags noch eines entsprechenden Verfahrenskostenhilfeantrags ist ausreichend. Ist der Antrag auf Erhöhung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit, für die nach den Vorschriften des BGB Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Ist der Antrag auf Herabsetzung gerichtet - das ist neu, ist er zulässig ab Zugang des dem Auskunfts- oder Verzichtsverlangen folgenden Monats. Für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann keine Herabsetzung verlangt werden. Somit ist jetzt eine Gleichbehandlung von Gläubiger und Schuldner im Unterhaltsrechtsverfahren erreicht. Soweit in S. 3 ein Verzichtsverlangen angesprochen wird, bezieht sich das auf eine negative Mahnung, also die Aufforderung, auf Unterhalt ganz oder teilweise zu verzichten.

     

    • Abänderung von Vergleichen und Urkunden (§ 239 FamFG): Die Vorschrift greift § 323 Abs. 4 ZPO auf. Aufgeführt ist in Abs. 1 als Titel der Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Statt Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO spricht § 239 FamFG von der vollstreckbaren Urkunde, also von notariellen Urkunden nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, Jugendamtsurkunden nach den § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 1 S. 3 SGB VIII und einem für vollstreckbar erklärten Anwaltsvergleich gemäß den § 794 Abs. 1 Nr. 4b, §§ 796a, 796c ZPO. Entgegen der bisherigen Regelung des § 323 Abs. 4 ZPO gelten nicht mehr die Vorschriften des § 323 Abs. 1-3 ZPO. Nach Abs. 2 bestimmen sich - dies entspricht der herrschenden Meinung (BGH FamRZ 02, 306) - die Voraussetzungen für die Abänderbarkeit allein nach materiellem Recht. Anwendbar sind die Grundsätze über die Störung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB.

     

    • Abänderungsantrag entspricht Rückforderungsklage (§ 241 FamFG): Nach bisheriger Rechtsprechung (BGH FamRZ 98, 952) hat ein auf Herabsetzung gerichteter Abänderungsantrag für die Rückforderung überzahlter Unterhaltsbeträge nicht zu einer verschärften Haftung nach § 818 Abs. 4 BGB geführt. Es war eine Leistungsklage auf Herausgabe des Erlangten oder auf Leistung von Wertersatz oder eine Abänderungsklage verbunden mit einem Hilfsantrag auf Rückzahlung notwendig, um die Bösgläubigkeit des Empfängers der Unterhaltsleistung zu begründen. Jetzt genügt die Rechtshängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrags.

     

    Ergänzend stellt § 242 FamFG klar, dass bei Anhängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrags oder Einreichung eines solchen Antrags auf Bewilligung von Verfahrens-kostenhilfe § 769 ZPO entsprechend gilt. Der Einstellungsbeschluss ist nicht anfechtbar.

     

    • Entscheidung durch Beschluss: Endet das Verfahren nicht durch Klagerücknahme, übereinstimmende Erledigungserklärung oder Vergleich, entscheidet das Gericht gemäß § 38 Abs. 1 FamFG durch Beschluss. § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG schließt in Familienstreitsachen und Ehesachen die Anwendung von § 38 FamFG nicht aus. § 116 Abs. 1 FamFG bekräftigt dies und schreibt vor, dass das Gericht in Familiensachen durch Beschluss entscheidet, also durch eine Endentscheidung, die den Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt.

     

    • Kostenentscheidung nach billigem Ermessen (§ 81, § 243 FamFG): Die Vorschrift enthält Sonderregelungen für die Kosten in Unterhaltsverfahren. Das Gericht entscheidet nach billigem Ermessen, wobei das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung maßgeblich ist. Darüber hinaus ist der Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, zu berücksichtigen, es sei denn, dass keine Verpflichtung dazu bestanden hat, sowie der Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 FamFG innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist. Von Bedeutung ist auch ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO.

     

    • Rechtsbehelfsbelehrung (§ 39 FamFG): Die - neu eingeführte - Rechtsbehelfsbelehrung hat in jedem Beschluss über das statthafte Rechtsmittel zu erfolgen und darüber, bei welchem Gericht die Rechtsbehelfe einzulegen sind. Auf außerordentliche Rechtsbehelfe, wie z.B. nach § 44 FamFG (Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör), zur Wiedereinsetzung, zur Urteilsberichtigung und zur Urteilsergänzung muss nicht hingewiesen werden. Die Rechtsbehelfsbelehrung muss den Gerichtssitz und die Einzelheiten der Form und Frist enthalten. Ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht kann nach § 17 Abs. 2 FamFG die Wiedereinsetzung rechtfertigen.

     

    • Wirksamwerden mit Rechtskraft (§ 116 Abs. 3 FamFG): Endentscheidungen in Familienstreitsachen werden nach § 116 Abs. 3 S. 1 FamFG mit Rechtskraft wirksam. Das Gericht kann aber nach § 116 Abs. 3 S. 2 FamFG die sofortige Wirksamkeit anordnen, sodass die Entscheidung nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG sofort vollstreckbar ist. In einer Unterhaltssache soll das Gericht nach § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG die sofortige Wirksamkeit anordnen, weil die Bedeutung in der Sicherung des Lebensbedarfs liegt. Nicht notwendig ist die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit, wenn es sich um übergeleitete Ansprüche handelt, z.B. durch das Jugendamt nach § 33 Abs. 2 S. 4 SGB II, § 94 Abs. 4 S. 2 SGB XII oder nach § 7 Abs. 4 S. 1 UVG. Familienstreitsachen und damit Unterhaltssachen sind künftig nicht mehr für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2009 | Seite 66 | ID 125604