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  • 30.11.2010 | FamFG

    Der neue Verbund - Stolpersteine bei der Anwendung des § 137 FamFG

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle

    Durch das am 1.9.09 in Kraft getretene FGG‑RG, das in Art. 1 das sog. FamFG beinhaltet, ist das Scheidungsverbundverfahren geändert worden. Dies bereitet in der Praxis Probleme. Dazu folgende Übersicht:  

     

    Übersicht: Stolpersteine bei Anwendung des § 137 FamFG
    • Anwendbares Verfahrensrecht: Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes beantragt worden ist, sind die vor Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Vorschriften anwendbar. Gesetzlich nicht geregelt ist die Frage des anwendbaren Rechts bei Verbundverfahren, die vor dem 1.9.09 eingeleitet worden sind. Nach nahezu einhelliger Meinung (vgl. nur Musielak/Borth, FamFG, Einleitung Rn. 94; Johannsen/Henrich/Büte, Familienrecht, 5. Aufl., Art. 111 FGG‑RG Rn. 6) gilt altes Recht. Nach Art. 111 Abs. 5 FGG‑RG ist, sofern bis zum 31.8.10 im ersten Rechtszug das Verfahren über den Versorgungsausgleich (VA) noch nicht durch eine Endentscheidung abgeschlossen worden ist, ab 1.9.10 das neue Verfahrensrecht anzuwenden. Die Regelung erstreckt sich aber auch auf alle Scheidungs‑ und Folgesachen, soweit sie mit dem Verfahren über den VA im Verbund stehen, sodass nicht nur die Scheidungssache selbst, sondern auch weitere Folgesachen verfahrensrechtlich nach den Bestimmungen des FamFG weitergeführt werden (vgl. dazu eingehend Büte, FK 10, 140).

     

    • Verbund von Scheidungs‑ und Folgesachen: §137 Abs. 1 FamFG normiert - wie § 623 ZPO a.F. - das Institut des Verbunds von Scheidungs‑ und Folgesachen (Verhandlungs‑ und Entscheidungsverbund). Zweck des Verbunds ist, einheitlich und gleichzeitig über die Scheidung und ihre Folgen zu entscheiden (Warn‑ und Schutzfunktion). Voraussetzung für das Entstehen des Verbunds ist ein rechtshängiges Scheidungsverfahren, § 137 Abs. 2 FamFG. Wird die Scheidung auf den Härtefall des § 1565 Abs. 2 BGB gestützt, gelten keine Besonderheiten.

     

    • Folgesachen i.S. des § 137 Abs. 2 FamFG: Folgesachen sind:

     

    • Nr. 1: VA-Sachen gem. § 111 Nr. 7, § 217 ff. FamFG in den Fällen des § 3 Abs. 3 VersAusglG bei einer Ehezeit unter drei Jahren, die Regelung des VA in Fällen des Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB. In diesen Fällen ist gem. § 223 FamFG ein Antrag notwendig. Gleiches gilt für VA-Ansprüche nach der Scheidung nach den §§ 20 bis 26 VersAusglG, die ebenfalls nur auf Antrag eines Ehegatten (§ 223 FamFG) und bei Entscheidungsreife des Ausgleichsanspruchs in den Verbund einbezogen werden können (Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O., § 223 FamFG Rn. 1).

     

    • Nr. 2: Unterhaltssachen nach den § 111 Nr. 8, § 231 ff. FamFG. Dazu zählen Verfahren auf Kindesunterhalt, soweit es um den Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung geht. Sofern der Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung und für die Zeit davor gemeinsam in einem Antrag geltend gemacht wird, ist das Verfahren über den Unterhalt für die Zeit vor der Scheidung gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 145 ZPO abzutrennen (Thomas/Putzo/Hüßtege, FamFG, 30. Aufl., Rn. 9). Der Unterhalt für ein volljähriges Kind kann nicht im Verbund geltend gemacht werden. Wird aber ein Kind während des Verbundverfahrens volljährig, ist die Unterhaltsfolgenstreitsache Kindesunterhalt nach § 140 Abs. 1 FamFG abzutrennen (Musielak/Borth, a.a.O., § 137 Rn. 14; Thomas Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 137 Rn. 9). Nicht im Verbund geltend gemacht werden kann auch das sog. vereinfachte Verfahren nach den §§ 249 ff. FamFG.

     

    Verbundfähig sind auch Verfahren über den Ehegattenunterhalt, ebenso Verfahren gem. den § 231 Abs. 2, § 111 Nr. 8 FamFG, d.h. Verfahren über die Bestimmung des Kindergeldbezugsberechtigten nach § 3 Abs. 3 S. 2 BKKG sowie § 64 Abs. 2 S. 3 EStG.

     

    • Nr. 3: Ehewohnungs‑ und Haushaltssachen, § 111 Nr. 5, § 200 ff. FamFG.

     

    • Nr. 4: Güterrechtssachen nach den § 111 Nr. 9, § 261 ff. FamFG

     

    Erfasst werden insoweit Familienstreitsachen gem. den § 261 Abs. 1, § 112 Nr. 2 FamFG und auch Güterrechtssachen nach § 261 Abs. 2 FamFG: Verfahren zur Übertragung von Vermögensgegenständen gem. § 1383 BGB, Stundungsverfahren nach § 1382 BGB, nicht jedoch Verfahren gem. § 1365 Abs. 2, § 1369 Abs. 2 BGB (Keidel/Weber, FamFG 16. Aufl., § 137 Rn. 10).

     

    • Sonderfall Kindschaftssachen, § 137 Abs. 3 FamFG: Die Verfahren zur elterlichen Sorge nach § 151 Nr. 1, zum Umgangsrecht nach § 151 Nr. 2 sowie zur Herausgabe eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 151 Nr. 3 FamFG werden nur in den Verbund einbezogen, wenn mindestens ein Ehegatte dies vor Schluss vor der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz beantragt und Kindeswohlgründe nicht entgegenstehen. Für diese Verfahren gilt die in § 137 Abs. 2 FamFG normierte 2-Wochen-Frist nicht. Nicht im Verbund geltend gemacht werden können Umgangsrechtsansprüche Dritter nach § 1685 BGB sowie Herausgabeverfahren nach § 1632 Abs. 2 BGB.

     

    • Die 2-Wochen-Frist des § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG: Diese Frist soll verhindern, dass Folgesachen zum spätest möglichen Zeitpunkt, d.h. durch Übergabe eines Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung anhängig gemacht werden. Umstritten ist, ob „vor der mündlichen Verhandlung“ die erste oder - bei mehreren mündlichen Verhandlungen - die letzte mündliche Verhandlung gemeint ist (so OLG Hamm FamFR 10, 395; Johannsen/Henrich/Marquardt, a.a.O., § 137 Rn. 14; Keidel/Weber, a.a.O., § 137 Rn. 14. Nach Prütting/Helms (FamFG, § 137 Rn. 47) ist dagegen der erste Termin maßgeblich. Die Berechnung der Frist erfolgt nach § 222 ZPO, aber rückwärts (ausführlich Büte, FK 10, 140).

     

    • Rechtsfolgen einer verspäteten Einleitung: Scheidungsfolgesachen, die verspätet eingeleitet werden, fallen nicht in den Verbund (MüKo/Heiter, FamFG, § 137 Rn. 50, 52). Nachehelicher Unterhalt kann erst nach Rechtskraft der Scheidung begehrt werden. Gleiches gilt für den Zugewinnausgleich (ZGA). Hier ist aber gem. §§ 1385, 1386 BGB - außerhalb des Verbunds - ein vorzeitiger ZGA möglich, seit der Reform zum 1.9.09 auch schon als Zahlungsanspruch.

     

    • Eintritt des Verbunds: Der Verbund der Scheidungssache und der eingeleiteten Folgesache tritt Kraft Gesetzes ein (BGH FamRZ 91, 687).

     

    • Anzuwendende Verfahrensvorschriften: Für Verbundverfahren gilt einheitliches Verfahrensrecht, d.h. es ist über alle Folgesachen mündlich zu verhandeln, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 128 ZPO. Die Verhandlung ist nach § 170 Abs. 1 S. 1 GVG nicht öffentlich. Die Öffentlichkeit kann zugelassen werden, aber nicht gegen den Willen eines Beteiligten, § 170 Abs. 1 S. 2 GVG. Für das Verfahren gilt gem. § 114 Abs. 1 und 2 FamFG Anwaltszwang. Nach § 114 Abs. 5 S. 2 FamFG erstreckt sich die Vollmacht in der Scheidungssache auch auf die Folgesachen. Die Entscheidung ergeht einheitlich durch Beschluss, § 38 FamFG. Auch in Folgesachen können Versäumnisbeschlüsse ergehen (§ 142 Abs. 1 S. 2 FamFG), allerdings nur in einem einheitlichen Beschluss, § 142 Abs. 1 FamFG. Bei im Verbund geführten Stufenverfahren - isolierte Auskunftsansprüche sind nicht verbundfähig (BGH FamRZ 97, 811) - enthält der Beschluss nur die Entscheidung über die abschließende Stufe, d.h. die Leistungsstufe. Über die Kosten ist gem. § 150 FamFG zu entscheiden.

     

    • Beendigung des Verbunds: Wird der Scheidungsantrag zurückgenommen (§ 141 Abs. 1 S. 1 FamFG), rechtskräftig abgewiesen (§ 142 FamFG) oder erledigt sich das Scheidungsverfahren auf andere Weise (z.B. durch Tod, § 131 FamFG), endet der Verbund. Bei Abweisung des Scheidungsantrags werden die Folgesachen gem. § 142 Abs. 2 S. 1 kraft Gesetzes gegenstandslos. Ausnahmen: Kindschaftssachen i.S.v. § 137 Abs. 3 FamFG werden fortgeführt. Gleiches gilt, wenn ein Beteiligter in einer Folgesache rechtzeitig erklärt, das betreffende Verfahren fortführen zu wollen, § 141 Abs. 2 S. 2, 2. HS. FamFG. Für den Fortführungsantrag besteht Anwaltszwang gem. § 114 Abs. 1 FamFG. Das Gericht muss die Ehegatten rechtzeitig auf eine beabsichtigte Abweisung des Scheidungsantrags hinweisen (Löhning, FamRZ 09, 737, 740).

     

    • Abtrennung einer Folgesache aus dem Verbund: Nach § 140 Abs. 2 S. 1 FamFG kann eine Folgesache vom Verbund abgetrennt werden, sodass die Scheidungssache durch Beschluss abgeschlossen werden kann. § 140 Abs. 2 FamFG normiert im Einzelnen in den Nrn. 1 bis 5 die Voraussetzungen für eine Abtrennung. Dabei ist die Nr. 5 die wichtigste. Die Vorschrift gilt für alle Folgesachen. Die Entscheidung über die Abtrennung oder Nichtabtrennung ist nicht selbstständig anfechtbar, § 140 Abs. 6 FamFG.

     

    Eine zeitliche Verzögerung liegt ab einer Verfahrensdauer von ca. 2 Jahren ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vor (BGH FamRZ 86, 898). Dabei ist auch die Dauer des Rechtsmittelverfahrens mit zu berücksichtigen. Bei der unzumutbaren Härte sind alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Eine außergewöhnliche Verzögerung bedeutet isoliert keine Härte (OLG Düsseldorf FamRZ 08, 1266). Unzumutbar ist die Härte nur, wenn das Interesse des Antragstellers an einer baldigen Scheidung vorrangig vor dem Interesse ist, das der Gegner daran hat, dass gleichzeitig mit der Scheidung über die Folgesache entschieden wird (OLG Hamburg FamRZ 01, 1228). Berücksichtigt werden kann, dass aus einer neuen Verbindung die Geburt eines Kindes bevorsteht (OLG Hamm FamRZ 07, 651). Den Ansprüchen aus dem ehelichen Güterrecht kommt im Allgemeinen weniger Gewicht zu als etwa dem Anspruch auf Unterhalt. Bedeutsam ist auch, wenn eine Partei sich nicht entsprechend der prozessualen Förderungspflicht verhält (BGH FamRZ 86, 898). Die Zustimmung eines Ehegatten zur Abtrennung kann zwar ein Indiz dafür sein, dass sein Interesse an gleichzeitiger Entscheidung geringer ist als das Interesse des anderen an baldiger Scheidung (BGH FamRZ 91, 1043). Das Einverständnis der Parteien allein gestattet jedoch keine Abtrennung (BGH FamRZ 91, 687). Da ZGA oder VA oft Auswirkungen auf die Höhe des nachehelichen Unterhaltsanspruchs haben, so insbesondere bei der Berücksichtigung von Schulden und Abfindungen im Unterhalt und ZGA (BGH FamRZ 04, 1352), darf wegen der Wechselwirkung über die Folgesache Unterhalt nicht vorab entschieden werden. Vielmehr ist diese ebenfalls abzutrennen (OLG Hamburg FamRZ 01, 1228). Wer selbst ein Folgeverfahren verzögert, kann nach § 242 BGB nicht geltend machen, dass die dadurch verursachte Verzögerung der Scheidung ihn unzumutbar hart treffe (OLG Stuttgart FamRZ 05, 121).

     

    Aufseiten des Ehegatten, der der Scheidung widerspricht, ist zu berücksichtigen, ob er sich nach der Trennung einen eigenen Lebensmittelpunkt geschaffen hat (OLG Bamberg FamRZ 88, 531). Je wichtiger die Folgesache für die aktuelle Lebenssituation des Widersprechenden ist, desto strenger sind die Voraussetzungen für die Abtrennung (OLG Brandenburg FamRZ 96, 751). Sofern sich die Regelung der Folgesache nicht auf die Lebenssituation auswirkt, wie z.B. beim ZGA bei Ehegatten mit ausreichendem Einkommen (BGH FamRZ 86, 898) kann die Ehe eher vorab geschieden werden, als wenn die Unterhaltsfrage ungeregelt bleibt (OLG Schleswig MDR 04, 514). Zugunsten des der Abtrennung Widersprechenden ist insbesondere die wirtschaftliche Bedeutung der Folgesache zu berücksichtigen (OLG Hamm FamRZ 07, 651).

     

    • Behandlung abgetrennter Folgesachen, § 137 Abs. 5 FamFG: Folgesachen i.S. des § 137 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 FamFG bleiben auch nach der Abtrennung nach § 140 Abs. 2 FamFG Folgesachen (BGH FamRZ 81, 24), sodass das Verfahren (weiterhin) dem Anwaltszwang nach § 114 FamFG unterliegt (BGH FamRZ 98, 1505). Die Kostenentscheidung in der Folgesache richtet sich nach § 150 Abs. 5 S. 1 FamFG. Es gelten weiterhin § 44 FamGKG und § 16 Nr. 4 RVG. Für Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten die §§ 80 ff. FamFG, für Familienstreitsachen über § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die § 91 ff. § 269 Abs. 3 ZPO bzw. § 243 FamFG.

     

    Nach § 140 Abs. 3 FamFG abgetrennte Verfahren werden als selbstständige Verfahren fortgeführt. Es besteht kein Anwaltszwang in Kindschaftssachen. Über die Höhe der Kosten wird gesondert entschieden, § 150 Abs. 5 S. 2, § 137 Abs. 5 S. 2 FamFG. Es ist ein erneuter VKH-Antrag zu stellen.

     

    Bei Abtrennung mehrerer Folgesachen besteht unter diesen ein Restverbund, § 137 Abs. 5 S. 1, 2. HS. FamFG. Daraus können entsprechend § 140 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 bis 4 FamFG Folgesachen abgetrennt werden (OLG Zweibrücken FamRZ 97, 1231).

     

     

     

    Weiterführender Hinweis  

    • Ausführlich zum FamFG die Sonderausgabe von „Familienrecht kompakt“