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  • 29.06.2009 | Kindesunterhalt

    Zahlung von Kindesunterhalt: Mögliche Ersatzhaftung der Großeltern überprüfen

    von RA Thurid Neumann, FA Familienrecht, Konstanz

    In der Praxis wird, wenn Eltern zur Zahlung von Kindesunterhalt mangels Leistungsfähigkeit nicht in der Lage sind, oft eine etwaige Ersatzhaftung übersehen. Unter welchen Voraussetzungen eine Ersatzhaftung der Großeltern in Frage kommt, wird im Folgenden gezeigt.  

     

    Checkliste: Ersatzhaftung der Großeltern für Kindesunterhalt
    1. Keine Leistungsfähigkeit der Eltern
    Sind Eltern gemäß § 1603 Abs. 1 BGB nicht leistungsfähig, kommt gemäß § 1607 Abs. 1 BGB eine Ersatzhaftung der Großeltern in Betracht.

     

    Bei zusammenlebenden Eltern beträgt der notwendige Selbstbehalt gegenüber minderjährigen oder privilegiert volljährigen Kindern bei Erwerbstätigkeit bei einem Elternteil derzeit 900 EUR monatlich (Düsseldorfer Tabelle, Stand 1.1.09) und bei Nichterwerbstätigen 770 EUR. Beim anderen Elternteil ist wegen der Ersparnis durch das Zusammenleben ein niedriger Eigenbedarf anzusetzen (z.B. bei Erwerbstätigkeit ein Betrag in Höhe von monatlich 650 EUR und bei Nichterwerbstätigkeit ein Betrag in Höhe von 560 EUR entsprechend B VI der Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1.7.07, so Scholz in Wendl-Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 7. Auflage, § 2 Rn. 546).

     

    Bei getrenntlebenden Eltern beträgt der notwendige Selbstbehalt gegenüber einem minderjährigen oder privilegiert volljährigen Kind monatlich 900 EUR bei Erwerbstätigkeit oder 770 EUR bei Nichterwerbstätigkeit (Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1.1.09).

     

    Gegenüber nicht privilegiert volljährigen Kindern ist den Eltern der angemessene Selbstbehalt zu belassen. Dieser beträgt derzeit 1.100 EUR (Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1.1.09). Bei zusammenlebenden Eltern ist bei einem Elternteil wegen der Ersparnis durch das Zusammenleben lediglich ein Betrag in Höhe von monatlich 800 EUR anzusetzen (Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1.1.09).

     

    Achtung: Eine Ersatzhaftung der Großeltern gegenüber minderjährigen oder privilegiert volljährigen Kindern kommt gemäß § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB auch in Betracht, wenn die Eltern ohne Gefährdung ihres angemessenen Bedarfs nicht in der Lage sind, den Unterhalt für die Kinder zu bezahlen (Wendl-Staudigl, a.a.O., § 2 Rn. 273 und Rn. 546). In diesem Fall entfällt die in § 1603 Abs. 2 S.1 BGB normierte gesteigerte Erwerbsobliegenheit der Eltern (Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 5. Auflage, 6. Kapitel, Rn. 177).

     

    2. Bedarf des Kindes
    Bei der Berechnung des Bedarfs des Kindes ist danach zu differenzieren, ob es bei den Eltern oder bei den Großeltern lebt.

     

    • Kind lebt bei seinen Eltern oder einem Elternteil: Da das Kind noch keine eigene Lebensstellung hat, leitet sich seine Lebensstellung nach der Lebensstellung der Eltern ab (LG Regensburg FamRZ 86, 93). Sind die Eltern nicht leistungsfähig, berechnet sich der Bedarf des Kindes stets nach dem Mindestunterhalt nach § 1612a Abs. 1 BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EGZPO.

     

    • Kind lebt bei seinen Großeltern: Lebt das Kind bei seinen Großeltern, sind deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse maßgebend (Wendl-Staudigl, a.a.O., § 2 R.n. 547).

     

    3. Leistungsfähigkeit der Großeltern
    Da es sich bei den Großeltern um andere unterhaltspflichtige Verwandte handelt, beträgt der angemessene Selbstbehalt derzeit 1.400 EUR zuzüglich der Hälfte des darüber hinaus gehenden Einkommens (BGH FK 06, 26, Abruf-Nr. 053322). Hierin enthalten ist ein Betrag bis zu 450 EUR monatlich als Warmmiete. Darüber hinaus gehende Mietkosten sind in der Regel anzuerkennen. Der angemessene Unterhalt des mit dem Unterhaltspflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (Halbteilungsgrundsatz), beträgt jedoch mindestens 1.050 EUR einschließlich 350 EUR Warmmiete (Düsseldorfer Tabelle, D I, Stand: 1.1.09). Dies wird damit begründet, dass die Großeltern keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber ihren minderjährigen oder privilegiert volljährigen Kindern trifft und dass sie als nachrangig haftende Verwandte in der Regel nicht damit rechnen müssen, Unterhalt für ihre Enkel bezahlen zu müssen. Aus diesem Grund hat der BGH entschieden, dass die Großeltern keine spürbare und dauerhafte Senkung ihres berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus hinzunehmen brauchen (BGH a.a.O.)

     

    4. Anteilige Haftung der Großeltern
    Großeltern haften gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Wird ein minderjähriges Kind von einem Großelternteil betreut und versorgt, kann sich dieser entsprechend § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB im Verhältnis zu den anderen Großeltern darauf berufen, seine Unterhaltsverpflichtung bereits durch Pflege und Erziehung des Kindes zu erfüllen (Wendl-Staudigl, a.a.O, § 2 Rn. 550).

     

    5. Ggf. Anrechnung der Einkünfte des Kindes
    Bei den Einkünften des Kindes ist nach der Art der Einkünfte zu differenzieren.
    • Eigene Einkünfte: Verfügt das Kind über eigene Einkünfte, sind diese auf seinen Bedarf anzurechnen.
    • Unterhaltsvorschuss: Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ist dagegen anzurechnendes Einkommen, da dieser nur im Verhältnis zum barunterhaltspflichtigen Elternteil subsidiär ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG) . Lebt das Enkelkind daher bei einem alleinerziehenden Elternteil, können die Großeltern dieses auf den Unterhaltsvorschuss als erzielbares Einkommen verweisen.

     

    6. Ggf. Einsatz von Vermögen durch die Großeltern
    Bei der Frage, ob Großeltern auch Vermögen einsetzen müssen, ist auf die Rechtsprechung des BGH zum Elternunterhalt zurückzugreifen (Wendl-Staudigl, a.a.O, § 2 Rn. 548; BGH FamRZ 06, 1511, Abruf-Nr. 062699).

     

    7. Kein Regress gegenüber Eltern
    Die Ersatzhaftung besteht solange, wie der Elternteil, der vorrangig haftet, leistungsunfähig ist. Sie ist endgültig, d.h. dem ersatzverpflichteten Großelternteil steht kein Regressanspruch zu. Ein Regressanspruch besteht selbst dann nicht, wenn der vorrangig haftende Elternteil später zu Vermögen kommt und jetzt auch den früheren Unterhalt bezahlen könnte (Palandt, BGB-Kommentar, 68. Auflage, § 1607 Rn. 9). Aus diesem Grund geht der Unterhaltsanspruch des Kindes auch nicht gemäß § 1607 Abs. 2 S.2 BGB auf die Großeltern über.

     

    8. Kein Forderungsübergang auf Sozialhilfeträger
    Gemäß § 94 Abs. 1 S. 3 BGB geht der Unterhaltsanspruch des Enkelkindes nicht auf den Sozialhilfeträger über.
     

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2009 | Seite 127 | ID 128017