28.09.2009 | PKH
Klageerhebung mit Prozesskostenhilfeantrag in der Praxis
von RA Thurid Neumann, FA Familienrecht, Konstanz
In der Praxis kommt es leider immer wieder vor, dass ein Gericht eine Klage, für die Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt wird, nicht zustellt, obwohl diese unbedingt erhoben ist. Dies führt nicht nur zu oft ungewünschten Verzögerungen, sondern auch zu einem Verlust von Gebührenansprüchen des Rechtsanwalts.
1. Wann ist eine Klage unbedingt erhoben?
Eine Klage ist unbedingt erhoben, wenn:
- sie nicht als Entwurf bezeichnet wird,
- sie nicht als beabsichtigte Klage bezeichnet wird,
- sie unterschrieben ist und
- nicht erklärt wird, dass die Klage erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe erhoben wird
(Zöller, ZPO-Kommentar, 25. Auflage, § 117 ZPO, Rn. 7).
2. Wann muss das Gericht die Klage zustellen?
Gemäß § 271 Abs. 1 ZPO muss das Gericht die Klage unverzüglich zustellen. Das Gericht darf, wenn der Kläger gemäß § 14 Nr. 3 GKG durch Einreichung der PKH-Formulare nicht glaubhaft gemacht hat, dass er nicht in der Lage ist, den Gerichtskostenvorschuss zu bezahlen, die Zustellung der Klage von der Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses abhängig machen. Ein Gerichtskostenvorschuss ist nur einzubezahlen, wenn keine Ausnahme von der Vorschusspflicht besteht (Zöller, a.a.O., § 271 Rn. 2).
Stellt das Gericht die Klage nicht zu, muss es den Prozesskostenhilfeantrag zurückweisen. Die Zurückweisung der Prozesskostenhilfe kann gemäß §127 Abs. 2 ZPO mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.
3. Wann muss das Gericht über den PKH-Antrag entscheiden?
Das Gericht muss alsbald und vor dem Verhandlungstermin über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden (BVerfG FamRZ 92, 1151). Eine
Zustellung der Klage vor Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ist zwar prozessordnungswidrig, aber nicht anfechtbar (OLG Karlsruhe FamRZ 89, 767).
Fehlen noch Angaben des Klägers, so muss das Gericht ihm gemäß § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO unverzüglich eine Frist zur Vervollständigung setzen (OLG München FamRZ 98, 630). Das Gericht ist darauf beschränkt, die Voraussetzungen der §§ 114, 115 ZPO zu prüfen. Das heißt, der Kläger darf aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage sein, für die Kosten des Verfahrens aufzukommen. Zudem muss die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und darf nicht mutwillig erscheinen.
Das Gericht soll das Verfahren beschleunigen (Beschleunigungsgebot, Zöller, a.a.O., § 118 Rn. 13). Bearbeitet ein Richter ohne Grund einen Prozesskostenhilfeantrag nicht, so kann sich hieraus die Besorgnis der Befangenheit ergeben (OLG Brandenburg FamRZ 01, 552). Es ist zudem nur eine summarische Prüfung der Voraussetzungen zulässig (BVerfG FamRZ 93, 664; OLG München FamRZ 94, 1126). Das Gericht darf nicht erst nach der mündlichen Verhandlung und Beweiserhebung in der Hauptsache entscheiden (Zöller, a.a.O., § 118 Rn. 114).
4. PKH-Prüfungsverfahren
Gemäß § 127 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet das Gericht über den Prozesskostenhilfeantrag grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung. Gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO kann das Gericht nur dann zu einem Erörterungstermin
laden, wenn eine Einigung zwischen den Parteien zu erwarten ist. § 141 ZPO (Anordnung des persönlichen Erscheinens) ist nicht anwendbar. Deshalb darf das Erscheinen nicht erzwungen werden z.B. durch Androhung von Zwangsgeld (Zöller, a.a.O., § 118 Rn. 6). Das Gericht darf den Streitstoff nicht nur mit dem Ziel erörtern, den sich anbahnenden Rechtsstreit entscheidungsreif zu machen (OLG Karlsruhe FamRZ 92, 1198).
5. Gebühren des Anwalts im PKH-Prüfungsverfahren
Für ein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren gibt es grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe (BGHZ 91, 311; Zöller, a.a.O., § 114 ZPO Rn. 3). Wird im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren allerdings ein Vergleich geschlossen, kann von dem Grundsatz abgewichen werden, dass für das Bewilligungsverfahren selbst keine Prozesskostenhilfe gewährt wird. Umstritten ist aber, ob für das gesamte Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist oder nur für den Vergleich (zu den verschiedenen hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen siehe Zöller, a.a.O., § 118 ZPO Rn. 8).
Praxishinweis: Da also für den Rechtsanwalt nicht klar ist, ob er bei einem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren Prozesskostenhilfe bekommen wird, ist es ratsam, nicht zu einem vom Gericht im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren anberaumten Termin zu erscheinen. Ist seine Partei nämlich mittellos, wird er auch von dieser kein Geld bekommen.
Hinzu kommt, dass der Rechtsanwalt im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nur eine 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG erhält anstatt der 1,3 Verfahrensgebühr gem. VV RVG 3100.