28.05.2009 | Umgangsrecht
Feststellung eines Grundrechtsverstoßes nach Erledigung des Verfahrens
von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle
1. Erledigt sich im Verlaufe des verfassungsgerichtlichen Verfahrens das eigentliche Rechtsschutzanliegen des Beschwerdeführers in der Hauptsache, so besteht das Rechtsschutzbedürfnis u.a. dann fort, wenn der gerügte Grundrechtseingriff besonders schwer wiegt, die gegenstandslos gewordene Maßnahme den Beschwerdeführer weiter beeinträchtigt oder wenn eine relevante Gefahr der Wiederholung des Eingriffs besteht (hier: Umgangsausschluss für die Dauer eines Jahres verbunden mit der Gefahr der Erhöhung der Entfremdung). |
2. Der materiell-rechtliche Gehalt von Art. 6 Abs. 2 GG i.V. mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, vor Ausschluss des Umgangs eine Einschränkung eines Umgangs (begleiteter Umgang oder Einrichtung einer Umgangspflegschaft) zu prüfen. |
3. Der verfahrensrechtliche Gehalt von Art. 6 Abs. 2 GG erfordert u.a., dass die Gerichte sich eine zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung über das Umgangsrecht verschaffen (hier: fehlende Einholung eines Sachverständigengutachtens, Unterlassen einer erneuten richterlichen Kindesanhörung, fehlende Anhörung der Eltern zur Möglichkeit eines - ggf. begleiteten - Umgangs in der Beschwerdeinstanz). |
4. Es verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip, dass bei der Entscheidung über die Gewährung von PKH keine Beurteilung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels zu Beginn des Verfahrens erfolgt, sondern nur eine Bewertung im nachhinein vorgenommen wird. |
(BVerfG 5.12.08, BvR 746/08, FamRZ 09, 399, Abruf-Nr. 091566) |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen den Ausschluss des Umgangs mit seiner im September 1999 geborenen Tochter bis zum 30.6.08. Nach Ablauf des Umgangsausschlusses begehrt er die Feststellung einer schweren Grundrechtsverletzung. Er wendet sich zudem gegen die Zurückweisung von PKH für das Beschwerdeverfahren. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht trotz Ablaufs der Frist für den angeordneten Umgangsausschluss.
Praxishinweis
Das BVerfG setzt konsequent seine bisherige Rechtsprechung zur Durchsetzung des Umgangsrechts fort. Erstmals hat es (außerhalb des Bereichs des Eingriffs in Freiheitsrechte) ein Rechtsschutzbedürfnis trotz prozessualer Überholung bejaht. Dieses besteht in den in Leitsatz 1 genannten Fällen. Als eine schwerwiegende Verletzung des auf Art. 6 Abs. 2 GG gestützten Elternrechts sieht das BVerfG eine Umgangsrechtsverletzung an. Bei Ausschluss des Umgangs eines Elternteils mit seinen minderjährigen Kindern besteht die Gefahr der Entfremdung.