Unterhalt
(Unterhalts-)Ansprüche der nichtehelichen Mutter
von RiOLG Detlef Burhoff, Ascheberg/Hamm
§ 1615l BGB gewährt als einzige Anspruchsgrundlage der mit dem Kindesvater nicht verheirateten Mutter gesetzliche (Unterhalts-) Ansprüche (dazu auch: Burhoff, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, 2. Aufl., Rn. 1089). Der folgende Beitrag zeigt, dass diese Vorschrift neben dem Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt des Kindes weitere Ansprüche regelt, die in der Praxis häufig übersehen werden.
1. Unterhalt aus Anlass der Geburt des Kindes
Die nichteheliche Mutter kann vom Kindesvater gemäß § 1615l Abs. 1 S. 1 BGB aus Anlass der Geburt des Kindes für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt unter folgenden Voraussetzungen fordern:
- Die Vaterschaft muss gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anerkannt oder gemäß § 1600d Abs. 1 und 2 BGB rechtskräftig festgestellt sein. Nach Ansicht des OLG Zweibrücken reicht es auch aus, wenn der Vater die Vaterschaft nicht bestreitet (NJW 98, 318).
- Die Mutter muss bedürftig sein (BGH NJW 98, 1309). Unerheblich ist, ob die Bedürftigkeit durch die Schwangerschaft oder durch die Entbindung entstanden ist. Der Anspruch besteht auch unabhängig davon, ob die Mutter das Kind betreut (Schwolow, FuR 01, 145; a.A. OLG Hamm NJW-RR 97, 1500: Die Bedürftigkeit muss auf die Betreuung des Kindes zurückzuführen sein).
Praxishinweis: Die Bedürftigkeit kann (teilweise) aufgehoben sein, wenn die Mutter inzwischen mit einem anderen Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebt (LG Oldenburg FamRZ 90, 1034). Der Anspruch entfällt auch bei Lohnfortzahlung an die Mutter (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 1615l Rn. 14). Erziehungsgeld ist allerdings wegen § 9 S. 1 BErzGG nicht anrechenbar (AG Mannheim FamRZ 98, 117).
- Der Vater muss leistungsfähig sein (§ 1603 BGB). Denn es handelt sich um einen echten Unterhaltsanspruch. Die Vorschriften über den Verwandtenunterhalt (§§ 1602 – 1615 BGB) sind entsprechend anwendbar (§ 1615l Abs. 3 S. 1 BGB).
Praxishinweis: Die Unterhaltspflicht des nichtehelichen Vaters gegenüber der Kindesmutter ist vorrangig vor derjenigen ihres geschiedenen Ehemannes (BGH NJW 98, 1309 – selbst für den Fall, dass die Mutter wegen Betreuung ehelicher Kinder keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann; OLG Düsseldorf FamRZ 95, 690). Das gilt gemäß § 1615l Abs. 3 S. 2 BGB auch im Verhältnis zum so genannten Verwandtenunterhalt. Die Mutter muss wegen des Unterhalts aus Anlass der Geburt daher zunächst den Vater und kann erst danach z.B. ihre Eltern in Anspruch nehmen. Gegenüber dem Anspruch der ehemaligen Ehefrau des Kindesvaters auf nachehelichen Unterhalt ist der Anspruch aus § 1615l BGB nachrangig (Palandt, BGB, a.a.O., § 1615l Rn. 24).
2. Ersatz von Schwangerschafts- und Entbindungskosten
§ 1615l Abs. 1 S. 2 BGB regelt den Ersatz von Schwangerschafts- und Entbindungskosten auch außerhalb des 14-Wochen-Zeitraums. Zu diesen Kosten zählen u.a. Aufwendungen für den Arzt (Palandt, BGB, a.a.O., § 1615l Rn. 5). Voraussetzung ist, dass
- die Vaterschaft anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sowie die Mutter bedürftig und der Vater leistungsfähig ist (siehe oben Nr. 1). Darüber hinaus müssen
- die Kosten durch die Schwangerschaft oder Entbindung verursacht worden sein.
- Die Ansprüche dürfen auch nicht durch Versicherungsleistungen oder Beihilfeansprüche abgedeckt sein.
3. Unterhalt bei mangelnder Erwerbstätigkeit infolge der Schwangerschaft
Die Mutter hat gemäß § 1615l Abs. 2 S. 1, 3 BGB auch einen Anspruch auf Unterhalt für die Dauer von vier Monaten vor der Geburt bis drei Jahre nach der Geburt des Kindes, soweit sie
- keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist.
- Grundvoraussetzungen sind aber auch hier die Leistungsfähigkeit des Vaters und die Bedürftigkeit der Mutter (Palandt, BGB, a.a.O., § 1615l Rn. 8).
4. Betreuungsunterhalt der Mutter
Ein Unterhaltsanspruch der Mutter besteht auch, wenn von ihr wegen der Pflege oder der Erziehung des Kindes keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann (§ 1615l Abs. 2 S. 2 BGB; zu den Einzelheiten Palandt, BGB, a.a.O., § 1615l Rn. 10 ff.). Voraussetzung ist
- die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes. Grundsätzlich besteht das Recht, die eigenen Kinder selbst zu betreuen und keine Verpflichtung, Pflege und Erziehung Dritten zu überlassen. Pflege und Erziehung müssen aber objektiv erforderlich sein. Der bloße Betreuungswille genügt nicht. Die Erforderlichkeit der Kindesbetreuung ist abhängig vom Kindesalter, wobei ein Kleinkind bis zum Kindergartenalter grundsätzlich durchgehend der elterlichen Betreuung bedarf (BGH NJW 89, 1084 m.w.N.; OLG Celle NJW-RR 92, 776; OLG Koblenz FamRZ 87, 1269).
Praxishinweis: Die Betreuung des Kindes muss nicht die alleinige Ursache für die Nichterwerbstätigkeit sein. Das ist von Bedeutung, wenn die Mutter bereits ein eheliches Kind betreut (vgl. dazu BGH NJW 98, 1309).
- Die Mutter muss bedürftig und der Vater muss leistungsfähig sein.
Für die Anspruchshöhe kommt es grundsätzlich auf die Lebensstellung der Mutter an, ausnahmsweise kann diese an der Lebensstellung des Vaters teilhaben (OLG Zweibrücken FamRZ 01, 444 (Ls.); Schwolow, FuR 01, 145, 147, Büttner/Niepmann, NJW 01, 2215). Einen Mindestbedarf gewährt das OLG Köln z.B. nicht (FamRZ 01, 1322). Der Unterhalt muss gezahlt werden, bis das Kind drei Jahre alt wird (§ 1615l Abs. 2 S. 3 BGB).
Praxishinweis: Die Voraussetzungen für den Betreuungsunterhalt im „Nichtehelichenrecht“ wurden denjenigen für geschiedene Ehegatten angeglichen. Der Wortlaut des § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB entspricht dem des § 1570 BGB. Für § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB sind daher die von der Rechtsprechung zu § 1570 BGB entwickelten Grundsätze entsprechend anwendbar (Büdenbender, FamRZ 98, 129, 135; Schwolow, FuR 01, 145, 146).
5. Verlängerter Betreuungsunterhalt der Mutter
Durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz von 1995 (BGBl. I 1050) ist der nachgeburtliche Zeitraum für die Gewährung von Betreuungsunterhalt auf drei Jahre erweitert worden. Das KindRG v. 16. 12. 97 (BGBl. I 2942) hat noch eine Verbesserung gebracht: § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB sieht zwar unverändert die Drei-Jahres-Frist nach der Geburt des Kindes vor. Diese Beschränkung gilt jedoch nicht, wenn es unter Berücksichtigung der Kindesbelange grob unbillig wäre, einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf dieser Frist zu versagen (zur Billigkeitsklausel Puls, FamRZ 98, 865, 872).
Der Wunsch nach persönlicher Kindesbetreuung und deren Bedeutung für die Kindesentwicklung reichen nicht aus, um einen verlängerten Betreuungsunterhaltsanspruch anzuerkennen. Dafür sind vielmehr besondere Umstände erforderlich, wie z.B., dass das Kind behindert und deshalb auf eine intensivere, längere Betreuung durch die Mutter angewiesen ist (BT-Dr. 13/4899, 90). Darüber hinaus wird man an schwere psychische Fehlentwicklungen des Kindes, an Entwicklungsstörungen oder an ständig wiederkehrende Erkrankungen (z.B. Allergien) mit der Notwendigkeit gleich bleibender Versorgung oder ähnliche Fallgestaltungen denken können (Büdenbender, FamRZ 98, 129, 136). Eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs könnte auch durch die Schaffung eines Vertrauenstatbestands des Vaters gegenüber der Mutter in Betracht kommen (Puls, a.a.O.).
Praxishinweis: Die Versagung des Unterhaltsanspruchs nach drei Jahren kann unbillig sein, wenn die Eltern die Fortsetzung des Studiums der Mutter geplant hatten. Der Vater setzt sich mit der Unterhaltseinstellung insoweit in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten (OLG Frankfurt FamRZ 00, 1522). Das wird auch gelten, wenn die Eltern nach der Geburt des Kindes längere Zeit zusammengelebt haben und eine längere Kinderversorgung durch die Mutter geplant war (Büttner/Niepmann, NJW 01, 2215, 2218).
6. Einstweiliger Rechtsschutz der Mutter
Die Mutter hat verschiedene Möglichkeiten, ihren Unterhaltsanspruch gegen den Vater im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchzusetzen:
- Nach § 1615o Abs. 2 BGB bezieht sich die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung zu beantragen, ausdrücklich auch auf Ansprüche aus § 1615l BGB.
Praxishinweis: Nach § 1615o Abs. 3 BGB muss die Gefährdung der Ansprüche aus § 1615l BGB nicht glaubhaft gemacht werden. Glaubhaft machen muss die Mutter aber die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs.
- Die Mutter kann ihren Unterhaltsanspruch auch nach § 641d ZPO im Wege der einstweiligen Anordnung geltend machen. Insoweit bezieht das KindRG inzwischen auch Unterhaltsansprüche der Mutter ein und beschränkt sich nicht mehr nur auf das Kind.
Praxishinweis: Die Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung ist eben so glaubhaft zu machen wie die Höhe des Unterhaltsbedarfs.
7. Erlöschen und Verjährung der Ansprüche
Gemäß § 1615l Abs. 3 S. 5 BGB erlöschen die Ansprüche der Mutter aus § 1615l BGB nicht mit dem Tod des Vaters, sondern sind von dessen Erben zu erfüllen (§ 1615n BGB). Die Ansprüche aus § 1615l Abs. 1 und 2 BGB verjähren gemäß § 197 Abs. 2, § 195 BGB in drei Jahren. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des auf die Entbindung folgenden Jahres, jedoch nicht vor Anerkenntnis oder rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft (§§ 1594 Abs. 1, 1600d Abs. 4 BGB).
Anmerkung: Nach § 1615l Abs. 5 BGB kann auch dem nichtehelichen Vater ein Unterhaltsanspruch wegen Betreuung des gemeinsamen Kindes gegen die Mutter zustehen. Dazu wird weitgehend auf § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB verwiesen. Wegen einiger „vaterspezifischer“ Fragen weicht der Anspruch jedoch von dem der Mutter ab (vgl. dazu Burhoff, a.a.O., Rn. 1109; siehe im Übrigen auch Büdenbender, FamRZ 98, 129).
Quelle: Familienrecht kompakt - Ausgabe 01/2003, Seite 8