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  • 26.10.2010 | Versorgungsausgleich

    Erste Rechtsprechung zum Übergangsrecht und zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle

    Gut ein Jahr nach Inkrafttreten der Reform des Versorgungsausgleichs liegen die ersten Entscheidungen dazu vor:  

     

    Übersicht: Erste Rechtsprechung zum Übergangsrecht beim neuen Versorgungsausgleich
    • Grundsatz: Nach § 48 Abs. 3 VersAusglG ist seit dem 1.9.10 in nahezu allen beim AG laufenden Verfahren über den Versorgungsausgleich (VA) das neue materielle Recht des VersAusglG anzuwenden (dazu Büte, FK 10, 140).

     

    Ausnahme: Bei Verfahren, in denen das AG über einen Teil des Verfahrensgegenstands bereits eine Endentscheidung erlassen hat. In diesem Fall greift § 48 Abs. 3 VersAusglG nicht ein, sodass auch auf den noch verbliebenen Rest des Verfahrensgegenstands grundsätzlich altes Recht anzuwenden ist.

     

    Auch insoweit gilt jedoch das neue Recht, wenn das VA-Verfahren aus dem Verbund abgetrennt worden ist oder wenn es nach einer Aussetzung oder Ruhensanordnung wieder aufgenommen wird, § 48 Abs. 2 VersAusglG.

     

    • Beschwerdeinstanz: Auf diese ist § 48 Abs. 3 VersAusglG nicht anzuwenden. Hier ist auch nach dem 31.8.10 nur nach neuem Recht zu entscheiden, wenn das VA-Verfahren abgetrennt, ausgesetzt oder zum Ruhen gekommen war, § 48 Abs. 2 VersAusglG. Nach überwiegender Auffassung gilt dies auch, wenn das AG noch vor dem 1.9.09 (zutreffend) nach altem Recht entschieden hat (OLG Karlsruhe FamRZ 10, 325; OLG Hamburg FamRZ 10, 1440; Borth, FamRZ 10, 1210, 1211; a.A. OLG Oldenburg FamRZ 10, 983).

     

    • Abtrennung einer VA-Folgesache aus dem Verbund: Nach Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG sind alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen als selbstständige Verfahren fortzuführen. Fraglich ist daher, ob für die abgetrennten VA-Sachen kein Anwaltszwang mehr gilt, ein neues Mandat erforderlich ist, die Gebühren neu entstehen und ggf. neu um VKH nachgesucht werden muss.

     

    • Pro: Zum Teil wird dies bejaht, weil die „Selbstständigkeit“ der abgetrennten Sache ebenso wie in § 137 Abs. 5 S. 2 FamFG verstanden wird (OLG Naumburg 4.3.10, 8 WF 33/10, n.v., Abruf-Nr. 102901; Götsche, FamRZ 09, 2047, 2051; Kemper, FPR 10, 69, 71).

     

    • Kontra: Dagegen spricht aber, dass der Zweck des Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG nur darin besteht, den an sich bestehenden Restverbund zwischen mehreren Folgesachen (§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG) aufzulösen (BT-Drucksache 16/11903, 62). Er kann nicht bestehen bleiben, weil sich nur der VA infolge der Abtrennung nach neuem Recht richtet (§ 48 Abs. 2 VersAusglG), während auf die anderen Folgesachen das frühere Recht anwendbar bleibt.

     

     

    • Gebührenrecht: Die „Selbstständigkeit“ des abgetrennten Verfahrens hat jedoch Konsequenzen. Denn die Erstreckung des neuen Verfahrensrechts auf den VA bewirkt insoweit auch die Anwendbarkeit des FamGKG, d.h., dass der Verfahrenswert nun nach § 50 FamGKG zu berechnen ist. Die abgetrennte VA-Folgesache ist daher gesondert abzurechnen, wobei das Verfahren bis zur Abtrennung und das nach Abtrennung fortgeführte Verfahren als dieselbe Angelegenheit gelten, § 6 Abs. 2 FamGKG, § 21 Abs. 3 RVG. Folge: Bereits erstattete PKH-Gebühren sind auf die nach neuem Recht entstehenden Gebühren anzurechnen (Grabow, Der Familien-Rechts-Berater [FamRB] 10, 93, 95; Schneider, Familienrecht und Familienverfahrensrecht [FamFR] 10, 303).
     

    Übersicht: Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen kurzer Ehedauer
    • Antragserfordernis: Gemäß § 3 Abs. 3 VersAusglG findet bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren ein VA nur statt, wenn ein Ehegatte dies (ausdrücklich) beantragt.

     

    • Tätigkeit des Gerichts: Solange kein Antrag gestellt worden ist, braucht das Gericht keine Ermittlungen über von den Ehegatten erworbene Anrechte anzustellen, also auch keine Fragebögen zu versenden.

     

    • Anwaltszwang: Der Antrag unterliegt (auch im Scheidungsverbund) nicht dem Anwaltszwang (§ 114 Abs. 4 Nr. 7 FamFG), kann also auch von einem nicht anwaltlich vertretenen Antragsgegner gestellt werden.

     

    • Form- und Frist: Der Antrag ist auch weder form- noch fristgebunden.

     

    Achtung: § 137 Abs. 2 S. 1 FamFG bestimmt allerdings, dass Folgesachen bis spätestens zwei Wochen vor der (letzten) mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in den Scheidungsverbund eingeführt werden müssen. Fraglich ist daher, ob der Antrag nach § 3 Abs. 3 VersAusglG innerhalb dieser Frist gestellt werden muss, damit der VA zur Folgesache wird.

     

    Nach zutreffender Auffassung steht der Wertausgleich bei der Scheidung (i.S. der §§ 6 bis 19 und 28 VersAusglG) jedoch auch in Fällen kurzer Ehezeit von Anfang an mit der Scheidungssache im Verbund. Dies ergibt sich zum einen aus § 137 Abs. 2 S. 2 VersAusglG, wonach der VA auch ohne Antrag zur Folgesache wird. Bei Anhängigkeit der Scheidungssache steht noch gar nicht fest, wann der Scheidungsantrag zugestellt und die Ehezeit damit enden wird. Zum anderen bestimmt § 224 Abs. 3 FamFG, dass das Gericht in den Fällen des § 3 Abs. 3 VersAusglG eine feststellende Endentscheidung treffen muss. Dies setzt die Anhängigkeit eines VA-Verfahrens voraus (OLG Dresden 24.8.10, 20 UF 526/10, n.v., Abruf-Nr. 103293; Borth, Versorgungsausgleich, Rn. 1057; a.A. Ruland, Versorgungsausgleich, Rn. 90).

     

    • Verfahrenswert: Da über den VA eine negative Feststellungsentscheidung zu treffen ist, muss das Gericht für die VA-Folgesache einen Verfahrenswert festsetzen. Es entstehen insoweit Gerichts- und Anwaltsgebühren (OLG Karlsruhe FK 10, 155, Abruf-Nr. 102204; OLG Düsseldorf Anwaltsgebühren-Spezial [AGS] 10, 398; Borth, FamRZ 09, 562).

     

    • Die Festsetzung des Verfahrenswerts richtet sich nach § 50 Abs. 1 FamGKG. Danach wird der Wert einerseits durch die Zahl der auszugleichenden Anrechte und andererseits durch die Nettoeinkommen der Eheleute beeinflusst.

     

    • Der Mindestwert beträgt 1.000 EUR. Nach § 50 Abs. 3 FamGKG kann der sich nach Abs. 1 ergebende Wert herabgesetzt werden. Es stellt sich die Frage, ob der VA in den Fällen des § 3 Abs. 3 VersAusglG generell mit dem Mindestwert von 1.000 EUR anzusetzen ist oder der Wert gar noch weiter abgesenkt werden kann. M.E. ist der Wert zunächst nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG zu berechnen. Das Gericht muss daher die Ehegatten (nur) zum Zweck der Feststellung des Verfahrenswerts danach fragen, wie viele verschiedene Versorgungsanrechte sie in der Ehezeit erworben haben.

     

    • Ausnahme: Der Mindestwert ist nur anzusetzen, wenn sich nicht nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG ein höherer Wert ergibt. Die Tatsache, dass im Ergebnis kein VA stattfindet, rechtfertigt in der Regel auch keine Herabsetzung des Verfahrenswerts nach Abs. 3 (Thiel in: Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG, § 50 Rn. 17 f.), zumal die Anwälte stets prüfen müssen, ob für den von ihnen vertretenen Ehegatten eine Antragstellung nach § 3 Abs. 3 VersAusglG zweckmäßig ist (ebenso OLG Schleswig 30.8.10, 10 WF 156/10, n.v., Abruf-Nr. 103294 zum Ausschluss einzelner Anrechte nach § 18 VersAusglG).
     

    Quelle: Ausgabe 11 / 2010 | Seite 195 | ID 139595