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  • 01.11.2007 | Versorgungsausgleich

    Regress wegen Hinnahme einer unzulässigen Aufrechnung gegen Versorgungsausgleich

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle
    1. Der anwaltliche Beklagtenvertreter im Zivilprozess ist schon in der Eingangsinstanz verpflichtet, zum Schutz seiner Partei auf Schlüssigkeitsbedenken gegen die Klage hinzuweisen, wenn er nicht ausschließen kann, dass das Gericht solche Gesichtspunkte übersieht.  
    2. Beruht das zu Lasten des Mandanten ergangene Urteil auf einem übersehenen Schlüssigkeitsmangel der Klage, so muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten über die hieraus folgenden Angriffsmöglichkeiten für ein Berufungsverfahren aufklären.  
    3. Gegen die Verpflichtung, im Wege des Versorgungsausgleichs für den Berechtigten Beiträge zur Begründung von Anrechten in einer gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen, kann nur in dem Umfang aufgerechnet werden, in dem die hierdurch erhöhte Altersrente pfändbar wäre.  
    4. Es ist für den Schädiger im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung nicht zumutbar, als Dritter durch Beitragsentrichtung im Wege des Schadensersatzes einen rechtskräftig angeordneten Anspruch auf Versorgungsausgleich nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG zu erfüllen, der gegen den Schuldner des Versorgungsausgleichs nicht mehr durchsetzbar ist. Der Schädiger schuldet nur Geldersatz für die geminderte Rente im Rentenbezugszeitraum.  
    (BGH 24.5.07, IX ZR 142/05, FamRZ 07, 1316, Abruf-Nr. 072145)  

     

    Sachverhalt

    Das Familiengericht hat dem Ehemann im Rahmen des Versorgungsausgleichs (VA) gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG aufgegeben, durch Beitragszahlung auf das Rentenversicherungskonto der Ehefrau für diese gesetzliche Rentenanwartschaften zu begründen. Als die Ehefrau deswegen die Zwangsvollstreckung einleitete, erhob der Ehemann Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) mit der Begründung, er habe mit einem höheren Anspruch gegen die Ehefrau aus einer notariellen Urkunde aufgerechnet. Das dieser Klage stattgebende Urteil des Familiengerichts wurde rechtskräftig. Die einkommens- und vermögenslose Ehefrau nahm den Anwalt, der sie in diesem Prozess vertreten hatte, auf Schadenersatz in Anspruch, weil er gegen das Urteil, das sachlich unrichtig sei, kein Rechtsmittel eingelegt habe. Das LG verurteilte den beklagten Anwalt antragsgemäß, den Betrag, den der Ehemann hätte leisten sollen, auf das Versicherungskonto der Ehefrau einzuzahlen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Revision des Beklagten blieb im Wesentlichen ohne Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der Ehemann hätte mit der Vollstreckungsabwehrklage nicht durchdringen dürfen, denn seine Aufrechnung gegenüber dem titulierten Anspruch der Ehefrau aus dem VA war unzulässig, § 394 S. 1 BGB. Eine Beitragszahlungsanordnung nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG richtet sich auf die Begründung von Rentenanwartschaften nach den Bestimmungen des SGB VI. Sie kann nur durch Zahlung an einen bestimmten Rentenversicherungsträger erfüllt werden. Eine Abtretung oder Pfändung des Anspruchs auf die Beitragszahlung würde eine Änderung seines Inhalts bewirken und ist daher nach § 399 1. Alt. BGB, § 851 Abs. 1 ZPO nichtig. Davon machte § 851 Abs. 2 ZPO hier keine Ausnahme, weil die grundsätzlich wie Arbeitseinkommen pfändbare Altersrente der Ehefrau (§ 54 Abs. 4 SGB I) einschließlich der Verbesserung durch den geschuldeten VA den Pfändungsfreibetrag des § 850c ZPO nicht überstieg. Die Vollstreckungsabwehrklage war daher unschlüssig.  

     

    Der beklagte Anwalt hätte diesen Fehler des familiengerichtlichen Urteils erkennen und die Ehefrau eingehend über die Möglichkeit und die Aussichten einer Berufung beraten müssen. Das gilt hier vor allem deshalb, weil der Anwalt das erstinstanzliche Mandat nicht sachgerecht wahrgenommen hatte. Bei verkehrsüblicher Sorgfalt hätte er bereits feststellen müssen, dass die Klage gar nicht schlüssig war. Diesen Einwand hätte er erstinstanzlich ausdrücklich geltend machen müssen. Zweifel an der Wirksamkeit der vom Ehemann erklärten Aufrechnung drängten sich schon im Hinblick auf die besondere Rechtsnatur des Anspruchs aus § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG sowie die Beteiligung eines öffentlich-rechtlichen Versorgungsträgers (§ 53b Abs. 2 S. 1 FGG) auf. Die Berechtigung des Einwands wurde zudem durch veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur bestätigt.