- Anfangsvermögen: Zum Anfangsvermögen (AV) wurde Folgendes entschieden:
- Der BGH hat seine Rechtsprechung zu Rückforderungsansprüchen der Schwiegereltern nach Scheitern der Ehe des eigenen Kindes mit dem Schwiegerkind geändert (FK 10, 145, Abruf-Nr. Abruf-Nr. 102203 = FamRZ 10, 958 und 1626): Zuwendungen der Eltern, die wegen der Ehe ihres Kindes an das (künftige) Schwiegerkind erfolgen, sind nicht mehr als unbenannte Zuwendungen, sondern als Schenkungen zu qualifizieren (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung, vgl. FamRZ 06, 394; 95, 1060). Auch auf derartige Schenkungen sind die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzuwenden. Um einer Gefahr der doppelten Inanspruchnahme des Schwiegerkindes durch den Zugewinnausgleich (ZGA) und den Rückausgleich aufseiten der Schwiegereltern zu begegnen, sieht der BGH nun die schwiegerelterliche Schenkung als für den ZGA neutral an, indem er sie sowohl im AV als auch im Endvermögen (EV) berücksichtigt. Dies aber nur in einer um den Rückforderungsanspruch verminderten Höhe. Grund: Die Schenkung ist unter der Belastung erfolgt, dass sie im Fall des Scheiterns der Ehe schuldrechtlich rückausgeglichen werden muss. Dass die Höhe des Rückausgleichsanspruchs jedenfalls zu dem für die Ermittlung des AV maßgebenden Zeitpunkt der Heirat noch nicht feststeht, also eine ungewisse Forderung ist, steht nicht entgegen. Denn es bedarf einer Bewertung des Rückforderungsanspruchs erst, wenn die Ehe gescheitert ist. Zu diesem Zeitpunkt steht aber auch fest, dass und in welcher Höhe die Rückforderung entstanden ist, sodass sie mit diesem Wert auch in das AV des beschenkten Schwiegerkindes eingestellt werden kann. Dem EV ist entsprechend der Wert des geschenkten Gegenstands, vermindert um dessen Rückforderungsanspruch, als Aktiva einzustellen. Folge: Die schwiegerelterliche Schenkung bleibt im ZGA-Verfahren regelmäßig unberücksichtigt.
- Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen sind nicht als privilegierte Schenkungen i.S. des § 1374 Abs. 2 BGB anzusehen (BGH FamRZ 87, 791). Denn § 1374 Abs. 2 BGB erfasst nur Schenkungen von dritter Seite. Soweit es sich bei der Zuwendung des Ehegatten um eine unbenannte Zuwendung handelt, wird diese von § 1374 Abs. 2 BGB nicht erfasst. Die Vorschrift stellt eine abschließende Regelung dar. Eine Analogie ist nicht möglich (st. Rspr. des BGH seit FamRZ 77, 124 bis FK 07, 178, Abruf-Nr. 072368 = FamRZ 07, 1307). Diese Grundsätze wendet der BGH nun auch auf Zuwendungen unter Ehegatten an, wenn sie mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erfolgt sind (FK 11, 32, Abruf-Nr. 103754 = FamRZ 10, 2057).
- Endvermögen: Zum EV wurde Folgendes entschieden:
- Haben Eheleute während der Ehe bestimmte Vermögenswerte (Aufteilung von Geldanlagen zeitnah zur Scheidung) untereinander aufgeteilt, kann darin ein vorgezogener teilweiser ZGA liegen. Es ist davon auszugehen, dass die Eheleute sich insoweit endgültig auseinandergesetzt haben und die Gelder nicht mehr im ZGA zu berücksichtigen sind und zwar auch nicht über § 1380 BGB (OLG Koblenz FamRZ 10, 296).
- Mit der Bewertung einer Forderung gegen einen Schuldner, der die eidesstattliche Versicherung geleistet hatte, hat sich das OLG Köln befasst (FamFR 10, 119). Forderungen sind mit ihrem Nennwert in die ZGA-Bilanz einzustellen (BGH NJW 91, 1542). Ausnahme: Die Werthaltigkeit erscheint zweifelhaft. Solche Rechte und Verbindlichkeiten sind mit ihrem Schätzwert zu den jeweiligen Bewertungsstichtagen einzustellen, wobei der Abschlag bis zu 100 % gehen kann. Hauptanwendungsfall unsicherer Rechte/Forderungen ist ein Zweifel an der Bonität.
- Auskunft: Dazu wurde Folgendes entschieden:
- Inhalt: Im Rahmen der Auskunft gemäß § 1379 BGB sind die Gegenstände nach Anzahl, Art und Wert bildenden Faktoren einzeln aufzuführen. Wertangaben sind nicht geschuldet, wohl aber Angaben über Wert bildende Merkmale (OLG Stuttgart FamRZ 10, 1734).
- Kosten der Wertermittlung: Nach § 1379 Abs. 1 S. 3 BGB hat jeder Ehegatte das Recht, die Ermittlung der Werte der Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten zu verlangen. Soweit der Auskunftsberechtigte Ehegatte eine Wertermittlung durch einen Sachverständigen verlangen kann, muss er die diesbezüglichen Kosten selbst tragen (BGH FamRZ 09, 595). Nicht gesetzlich geregelt ist die Frage, welcher Ehegatte die Kosten tragen muss, die durch die Beauftragung eines Sachverständigen bei der Ermittlung des EV entstehen. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe sind die Kosten vom Auskunftsgläubiger zu tragen, weil diese Lösung der Interessenlage beider Parteien entspreche (NJW 10, 451).
- Ausschluss des Auskunftsanspruchs wegen eines überwiegenden Geheimhaltungsinteresses: In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass ein Geheimhaltungsinteresse unter bestimmten Voraussetzungen schon bei der Bemessung des Rechtsmittelinteresses zu berücksichtigen sein kann (FamRZ 07, 711). Das OLG Köln hat die Frage offen gelassen, ob ein Geheimhaltungsinteresse einer Auskunftspflicht entgegenstehen kann (FamRZ 10, 29, 32). Denn dazu ist zunächst vom zur Auskunft Verpflichteten substanziiert darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen, dass ihm gerade durch die Auskunft ein konkreter Nachteil droht.
- Verwirkung des Auskunftsanspruchs (§ 1379 BGB): Auch dieser Anspruch kann verwirkt werden (OLG Brandenburg FamFR 10, 441). Bei unvollständiger Auskunft und Ankündigung der Vervollständigung ist ein Vertrauen darauf, der Kläger werde sich mit der lückenhaften Darstellung zufrieden geben, nicht gerechtfertigt. Folge: Keine Verwirkung, wenn nach Erteilung von zwei Auskünften im Oktober 05 die Stufenklage erst im April 08 eingereicht wird.
- Vorzeitiger Zugewinnausgleich: Hierzu wurde Folgendes entschieden:
- Die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs zur Begründung des vorzeitigen ZGA (§ 1386 Abs. 3, § 1379 BGB a.F.) kann nicht in die Geltendmachung einer Unterrichtung umgedeutet werden (OLG Frankfurt FamRZ 10, 563). Denn vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags besteht kein Auskunftsanspruch, der hier nach der Trennung geltend gemacht wurde. Eine beharrliche Auskunftsverweigerung liegt bei einer Nichtreaktion auf dreimalige Aufforderung vor.
- Das OLG Stuttgart bestimmt den Streitwert einer Klage auf vorzeitigen ZGA nicht durch eine Quote (so aber BGH NJW 73, 369: 1/4), sondern durch das Interesse des klagenden Ehegatten an der vorzeitigen Auflösung der Zugewinngemeinschaft (FamFR 10, 100). Dieses liegt in der Vorverlegung der Fälligkeit der Forderung auf ZGA. Maßgebend für den Streitwert ist die Verzinsung des Forderungsbetrags, der bis zur Rechtskraft der Scheidung aufläuft.
- Prozessuales: Zum Prozessualen wurde Folgendes entschieden:
- Der Anspruch auf ZGA kann nicht in Teilentscheidungen nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V. mit § 301 ZPO zugesprochen werden. Der Anspruch ergibt sich aus einer Gesamtsaldierung sämtlicher Vermögenspositionen und diese Gesamtabrechnung kann nicht in voneinander unabhängigen Teilschritten vorgenommen werden (OLG Naumburg FamRZ 10, 393).
- Zur Sicherung einer ZGA-Forderung ist im Geltungsbereich des FamFG der Arrest gegeben. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung - Veräußerungsverbot - ist ausgeschlossen (OLG Karlsruhe FamRB 10, 326). Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Anordnung des dinglichen Arrests nach § 119 Abs. 2 S. 1 FamFG ist nicht die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO das statthafte Rechtmittel, sondern die Beschwerde nach § 58 FamFG. Die Beschwerdefrist beträgt demgemäß nicht zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO), sondern gemäß § 63 Abs. 1 FamFG einen Monat. Zur Entscheidung ist nicht der originäre Einzelrichter nach § 568 Abs. 1 S. 2 ZPO, sondern der Senat berufen (OLG Karlsruhe a.a.O.).
- Wird im Scheidungsverfahren im Termin die Folgesache Zugewinn anhängig gemacht, stellt die Abtrennung nach § 628 Nr. 4 ZPO a.F. einen schweren Verfahrensfehler dar, der zur Aufhebung des Scheidungsurteils und zur Zurückverweisung führt (OLG Köln FamFR 10, 94).
- Beweissicherungsverfahren: Das OLG Köln (FamRZ 10, 1585) bejaht ein rechtliches Interesse an einer vorprozessualen Wertermittlung (hier: landwirtschaftlicher Betrieb), wenn die Ermittlung objektiv geeignet ist, eine einvernehmliche Streitbeilegung über die Höhe des ZGA herbeizuführen (vgl. dazu auch BGH MDR 05, 162; OLG Celle FamRZ 08, 1197).
- Vereinbarungen zum Güterrecht: Dazu wurde Folgendes entschieden:
- Das OLG Köln hat einen vorsorgenden Ehevertrag für nichtig erklärt (FamRZ 10, 29). Der Vertrag wurde wenige Tage vor der Eheschließung am 23.8.85 geschlossen. Die (spätere) Ehefrau war 27 Jahre alt und schwanger, der Ehemann ein 50-jähriger vermögender Unternehmer. Aus der Ehe sind 3 Kinder, geboren 1986, 1987 und 1989 hervorgegangen. Die Trennung erfolgte im September 04. Im Vertrag waren der Zugewinn, der Versorgungsausgleich, künftiger Trennungsunterhalt sowie jeglicher nachehelicher Unterhalt ohne Kompensation ausgeschlossen. Das OLG hält zwar einen vertraglichen Ausschluss des ZGA für sich genommen regelmäßig nicht für sittenwidrig. Ergibt jedoch die Gesamtschau die Nichtigkeit des gesamten Vertragsinhalts, kommt ein wirksamer Ausschluss des ZGA nicht in Betracht. Folge: Es kann ein Auskunftsanspruch nach § 1379 BGB geltend gemacht werden.
- Das OLG Koblenz hat einen Ehevertrag über die Vereinbarung der Gütertrennung und den Ausschluss des ZGA und einen gut zwei Jahre später abgeschlossenen Ehevertrag über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht als sittenwidrig angesehen (FamRZ 10, 1735). Es hat eine Zwangslage verneint, wenn Motiv der Parteien gewesen ist, einen großen Teil des Immobilienbesitzes auf die volljährigen Kinder zu verlagern und dem Zugriff von Gläubigern zu entziehen, und wenn aufgrund der zeitlichen Abfolge keine Drucksituation bestand.
- Verfügung über das Vermögen im Sinne des § 1365 BGB: Dazu Folgendes:
- Bei der Ermittlung des Vermögens und bei der Abwägung, ob ein veräußerter Gegenstand, verglichen mit dem restlichen Vermögen, im Wesentlichen das gesamte Vermögen des verfügenden Ehegatten darstellt, geht das OLG Celle von Folgendem aus (FamRZ 10, 562): Es ist nicht nur der Wert der verbleibenden Vermögensstücke, sondern auch der des veräußerten Grundstücks um die darauf ruhenden dinglichen Belastungen zu vermindern (so auch BGH FamRZ 93, 1302). Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 1365 BGB ist derjenige, der sich auf § 1365 BGB beruft (BGH FamRZ 93, 1302).
- Nach OLG Thüringen sind Rechtsgeschäfte über Einzelgegenstände (hier: Verkauf von 8 Grundstücken) zustimmungspflichtig i.S. des § 1365 BGB, wenn sie nahezu das gesamte Vermögen ausmachen (FamRZ 10, 1733). Zur Prüfung dieser Frage bedarf es einer substanziellen Darlegung des Gesamtvermögens des veräußernden Ehegatten und des diesem verbleibenden Restvermögens. Bei größeren Vermögen ist das Rechtsgeschäft zustimmungsfrei, wenn dem Ehegatten mindestens 10 % des Vermögens verbleiben (BGH FamRZ 91, 669). Bei kleineren Vermögen liegt diese Grenze bei 15 %. § 1365 BGB verlangt weiter positive Kenntnis des Dritten. Dieser muss wissen, dass das Rechtsgeschäft über einen Einzelgegenstand das ganze oder nahezu das ganze Vermögen des Verfügenden erfasst. Zumindest muss der Dritte die Verhältnisse kennen, aus denen sich Rückschlüsse hierfür positiv ergeben.
- Verjährung: Dazu folgende Rechtsprechung:
Wird zunächst eine bezifferte ZGA-Klage erhoben, erstreckt sich die Hemmung der Verjährung nicht auf eine nachtägliche Mehrforderung (OLG Koblenz FamRB 10, 301). Eine Klageerweiterung muss deshalb vor Eintritt der Verjährung erfolgen (so auch BGH FamRZ 08, 675). - Übergangsrecht des Art. 229 § 20 Abs. 2 EGBGB: Danach ist für Verfahren, die vor dem 1.9.09 anhängig werden, für den ZGA § 1374 BGB in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden. Für alle nach dem 1.9.09 eingeleiteten ZGA-Verfahren gilt uneingeschränkt das neue Recht, selbst wenn das Scheidungsverfahren vor dem 1.9.09 eingeleitet worden ist (OLG Stuttgart FamRZ 10, 1734), sodass auch ein negatives AV zu berücksichtigen ist.
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