01.04.2006 | Zugewinnausgleich
Vorsicht Falle: § 1380 BGB wird oft übersehen
Für den Fall der Scheidung ist die Behandlung von Zuwendungen und Schenkungen von Eheleuten untereinander, die während der Ehe erfolgt sind, von erheblicher praktischer Bedeutung. Der folgende Beitrag zeigt auf, worauf bei der Anwendung des § 1380 BGB im Zugewinn zu achten ist.
Betroffene Zuwendungen sind freiwillige Leistungen ohne Gegenleistung
Zuwendungen i.S. des § 1380 BGB sind freiwillige Leistungen ohne Gegenleistung, also echte Schenkungen, aber auch sog. unbenannte Zuwendungen (BGH FamRZ 01, 413). Im Rahmen von § 1380 BGB kann also auf die oft schwierige Abgrenzung zwischen unbenannter Zuwendung und Schenkung verzichtet werden (Büte, Zugewinnausgleich bei Ehescheidung, 3. Aufl., Rn. 412 und 418).
§ 1380 BGB erfasst vor allem
- Übertragung von Miteigentum am Familienheim (OLG Karlsruhe FamRZ 04, 1033),
- Übertragung von Unternehmensbeteiligungen,
- Geldleistungen,
- alleinige Finanzierung eines gemeinsamen Hausgrundstücks durch einen Ehepartner (BGH FamRZ 82, 246) sowie
- Zuvielzahlung von Unterhalt, der nicht nach § 1360b BGB zurückgefordert werden kann (BGH FamRZ 83, 351).
Praxishinweis: Bei Zuwendungen vom Gemeinschaftskonto ist zu beachten, dass der „Beschenkte“ nach § 430 BGB als Gesamtgläubiger Berechtigter am Kontoguthaben ist, so dass nach § 1380 BGB nur 50 Prozent der Zuwendung angerechnet werden können (OLG Köln FamRZ 98, 1515).
Ein Vorausempfang ist nur zu berücksichtigen, wenn er vom Zugewinnausgleichspflichtigen geleistet worden ist. In der Rechtsprechung bisher nicht entschieden ist die Frage der Anrechenbarkeit, wenn sich die Ehegatten gegenseitig Zuwendungen machen. M.E. ist insoweit der Saldo zwischen den beiderseitigen Zuwendungen nur anzurechnen, wenn der Ehegatte mit der höheren Zuwendung ausgleichspflichtig ist (Palandt/Brudermüller, BGB, 65. Aufl., § 1380 Rn. 12; Büte, a.a.O., Rn. 280).
Gesetz legt eine Wertgrenze fest
Nach § 1380 Abs. 1 S. 2 BGB sind Gelegenheitsgeschenke, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind, von der Anrechnung ausgenommen. Dazu zählen vor allem Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke (OLG Köln FamRZ 98, 1515).
§ 1380 BGB betrifft nur Zuwendungen während des Güterstands
Nur Zuwendungen während des Güterstands – in den neuen Bundesländern also ab 3.10.90 – werden von § 1380 BGB erfasst. Die Anrechnung von Zuwendungen während der Verlobungszeit ist nur durch Ehevertrag nach § 1408 BGB möglich oder in Form des § 1378 Abs. 3 S. 2 BGB (str., vgl. auch Büte, a.a.O., Rn. 278 m.w.N.; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1378 Rn. 6).
Anrechnung muss bestimmt sein
Nach § 1380 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt eine Anrechnung nur, wenn der Zuwendende dies bei der Zuwendung ausdrücklich bestimmt hat. Dieser Fall wird in der Praxis eher selten sein. Nach Abs. 1 S. 2 BGB ist im Zweifel anzunehmen, dass Zuwendungen angerechnet werden sollen, wenn ihr Wert den Wert der üblichen Gelegenheitsgeschenke übersteigt. Die Anrechnungsbestimmung, die vor oder spätestens bei der Zuwendung erfolgen muss, ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Form bedarf.
Eine spätere einseitige Bestimmung ist nicht mehr möglich. Eine solche wäre als Ehevertrag formbedürftig (Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1380 Rn. 6; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1380 Rn. 7). Die Beweislast für die Anrechnungsbestimmung und dafür, dass die Zuwendung den nach den Lebensverhältnissen üblichen Wert überstiegen hat, trifft den Zuwendenden (OLG Düsseldorf FamRZ 88, 63). Für eine die Anrechnung entgegen § 1380 Abs. 1 S. 2 BGB ausschließende Vereinbarung ist der Empfänger beweispflichtig (Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1380 Rn. 8). Von der Anrechnung ist insbesondere auszugehen, wenn die Zuwendung nach Scheitern der Ehe im Vorgriff auf die vermögensrechtliche Auseinandersetzung gemacht wird (BGH FamRZ 01, 413).
Keine Hochrechnung der Zuwendung
Der anzurechnende Wert bestimmt sich nach dem Wert im Zeitpunkt der Zuwendung, § 1380 Abs. 2 S. 2 BGB. Eine Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes ist, anders als bei § 1374 Abs. 2 BGB, nicht erforderlich (str.: wie hier: Büte, a.a.O., Rn. 283 m.w.N. auch zur Gegenmeinung).
Durchführung der Anrechnung
Die Anrechnung von Vorausempfängen erfolgt in vier Stufen:
- Erste Stufe: Der Wert der Zuwendung in der ursprünglichen Höhe wird dem Zugewinn des Ehegatten hinzugerechnet, der die Zuwendung gemacht hat.
- Zweite Stufe: Die Zuwendung wird vom Zugewinn des Empfängers abgezogen.
- Dritte Stufe: Die fiktive Ausgleichsforderung wird errechnet.
- Vierte Stufe: Von der errechneten Ausgleichsforderung wird der Wert der Zuwendung abgezogen.
Praxishinweis: Auf den Rechenweg kann verzichtet werden, wenn die Zuwendung bzw. deren Wert noch im Zugewinn des Empfängers vorhanden ist. Nur wenn der Zuwendungsempfänger einen im Verhältnis zur Zuwendung geringeren Zugewinn erzielt hat, muss nach § 1380 BGB gerechnet werden.
Beispiel 1: Zugewinn ist höher als die Zuwendung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||
M und F streiten beim Zugewinnausgleich um die Berücksichtigung einer Zuwendung von 40.000 EUR, die F von M während der Ehe erhalten hat. B hatte kein Anfangsvermögen. Das Endvermögen der F beträgt 100.000 EUR, das des M 200.000 EUR. Wie wird der Zugewinnausgleichsanspruch richtig ermittelt?
Lösung: Bei der Berechnung des Zugewinns muss § 1380 BGB berücksichtigt werden:
Kontrollrechnung: Unter Außerachtlassung des § 1380 BGB ergibt sich Folgendes:
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Beispiel 2: Der Zugewinn ist kleiner als die Zuwendung | ||||||||||||||||||||
Im Beispiel 1 hat die F bei Beendigung des Güterstands kein Endvermögen mehr, weil sie das ihr Zugewendete ausgegeben hat. Wie hoch ist ihr Zugewinnausgleichsanspruch?
Lösung: Der Ausgleichsanspruch der F beträgt 80.000 EUR.
Kontrollrechnung: Ohne Berücksichtigung des § 1380 BGB gilt Folgendes:
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§ 1380 Abs. 2 S. 1 BGB ist auf die Fälle beschränkt, in denen dem Zuwendungsempfänger überhaupt, also vor Anwendung dieser Vorschrift eine Ausgleichsforderung zusteht, auf die ein Vorausempfang angerechnet werden kann (BGH FamRZ 82, 246; 91, 1169). Sofern ein Ehegatte im Vorgriff mehr erhalten hat, als der Zugewinnausgleichsanspruch ohne die Zuwendung ausmachen würde, muss er seinen höheren Zugewinn nach § 1378 Abs. 1 BGB zur Hälfte an den anderen zurück erstatten.
Hat ein Ehegatte dem anderen eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen gemacht und selbst keinen Zugewinn erzielt, kann er nach § 1378 Abs. 1 BGB allerdings nur die Hälfte des Werts der Zuwendung zurück verlangen.
Praxishinweis: § 1374 Abs. 2 BGB gilt nicht für Zuwendungen unter Ehegatten. Der begünstigte Ehegatte kann eine Schenkung oder ehebezogene Zuwendung nicht als privilegierten Erwerb seinem Anfangsvermögen zurechnen. § 1374 Abs. 2 BGB gilt nur für Zuwendungen Dritter. Eine analoge Anwendung auf ehebezogene Zuwendungen ist nicht möglich, da § 1374 Abs. 2 BGB abschließend ist (BGH FamRZ 87, 791).
Beispiel 3: Überhöhte Zuwendungen | ||||||||||||||||||||
Im Beispiel 1 beträgt das Anfangsvermögen der F 0, ihr Endvermögen 50.000 EUR. M hat ihr während der Ehe 30.000 EUR zugewendet. M hat kein Anfangsvermögen, aber ein Endvermögen von 20.000 EUR. Wie wird der Zugewinnausgleichsanspruch richtig berechnet?
Lösung: Die Berechnung des Zugewinnausgleichs erfolgt in Anwendung des § 1380 Abs. 2 S. 1 BGB:
Die Differenz von 30.000 EUR ergibt einen Zugewinnausgleichsanspruch der F von 15.000 EUR (Zugewinn M 50.000 EUR ./. Zugewinn F 20.000 EUR : 2), auf die sie sich die Zuwendung mit 30.000 EUR anrechnen lassen muss, so dass sich ein Negativsaldo von 15.000 EUR ergibt.
Der wegen des Negativsaldos durchzuführende Berechnungsschritt ohne Anwendung des § 1380 BGB ergibt Folgendes:
Damit erfolgt ein Rückausgleich zu Gunsten des M, der eine angemessene Verteilung des Vermögens gewährleistet. |